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Alt 09.10.2010, 21:35
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Bulldogge Bulldogge ist offline
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Standard AW: Gedanken einer Angehörigen

Ein ganz liebes Hallo an euch alle,
lange habe ich überlegt ob ich hier schreiben soll aber wenn ich eure Gedanken und Gefühle lese dann muss ich einfach was dazu sagen. Ich kenne das alles zur Genüge, diese zeitweise aufkommende Wut, diese Ohnmacht zuschauen zu müssen, diese Qualen, einfach kein eigenes Leben mehr zu haben. Ich war ein Jahr lang in dieser Situation, mußte erleben, dass der geliebte Mensch mit dem ich 36 Jahre zusammenlebte plötzlich ein fremdes Wesen wurde. Jeden Tag war ich am Ende meiner Kräfte, mußte zur Arbeit gehen, im Job alles gehen und nach Feierabend ging es erst richtig los. Ich habe alles, wirklich alles für den geliebten Menschen gegeben aber nie konnte ich was richtig machen, bekam seine Wut auf diese grausame Krankheit, seinen Schmerz, seine Hilflosigkeit zu spüren. Er vereinamte mich mit Haut und Haaren, es gab nicht eine freie Minute mehr für mich, ich hatte nur noch für ihn da zu sein. Die heimlichen Tränen die ich in dieser Zeit vergossen habe hätten Bäche füllen können. Ich konnte nichts mehr essen, nahm 10 kg ab, hatte das Gefühl mich nur noch im Kreis zu drehen, funktioniert nur noch nach einem Schema, bin fast verzweifelt. Oft versuchte ich mit ihm zu reden, wollte ihm erklären daß ich auch ein klein wenig Zeit für mich selber bräuchte, er sagte nur, das kannst du machen wenn ich nicht mehr da bin. Damals brandete auch in mir ohnmächtige Wut hoch, fühlte mich lebendig begraben. Als er dann auf einmal nachts nicht mehr schlief und mich alle 10 Minuten weckte weil er panische Angst hatte, Angst vor dem Tod, habe ich ihn angeschrieen statt ihn in den Arm zu nehmen und zu trösten, ich war kurz vor dem endgüligen Zusammenbruch, total erschöft und mir war alles egal. Am nächsten Morgen mußte ich ihn ins Krankenhaus einliefern lassen, von dort kam er auf die Palliativstation und starb 5 Tage später. Das Ganze ist jetzt über 5 Monate her aber ich mache mir jeden Tag Vorwürfe, verachte mich selber für mein Verhalten, möchte die Zeit nochmal zurückdrehen, möchte alles rückgängig machen, möchte ihm sagen wie sehr ich ihn liebe, dass ich ihn nicht anschreien wollte, das es mir leid tut. Aber er ist fort, alles ist vorbei. Jetzt habe ich jede Zeit der Welt für mich, jetzt weiß ich erst wie sehr er mir fehlt und ich möchte keine einzelne Sekunde missen, die ich mit ihm zusammen sein durfte. Was ich euch damit sagen möchte, diese Zeit der Krankheit ist wahnsinnig schwer, sie geht an die Substanz des Angehörigen, saugt den letzten Funken Kraft aus dem Körper aber der Kranke kann nichts dafür auch wenn wir es oft als Intoleranz empfinden. Es ist diese verfluchte Krankheit die Menschen so verändern kann. Wie gerne würde ich die Nörgelei und das Nichtverständnis für meine Bedürfnisse nochmals in Kauf nehmen nur um ihn nochmals zu haben. Bitte habt Verständnis, genießt die Zeit die ihr noch gemeinsam habt - es ist viel zu schnell vorbei.

Liebe Grüsse
Maria
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Mein geliebter Willy
* 9.6.49 + 01.05.10
Ich werde dich niemals vergessen!
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