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Alt 17.12.2006, 11:13
Michael_D Michael_D ist offline
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Standard AW: Chemo mit Alimta

Liebe Wichtel321,

lange Zeit habe ich dieses Forum nur als stiller Leser begleitet, aber auf Eure Frage möchte ich Euch direkt antworten.

Meine Mutter bekommt nun seit Mai 2005 Alimta, und wir fahren recht gut mit dieser Therapie. Zuvor (2/2004) ist sie operiert worden, im Anschluß bestrahlt und mit einer Platinkombi behandelt worden, sie hatte bereits in 8/2004 wieder ein Rezidiv. Es folgten Zweitlinientherapie mit Taxotere, abgebrochen wegen Progreß, Teilnahme an einer Studie mit Iressa, ebenfalls abgebrochen wegen Progreß.

Nach einer Pleurodese im April 2005 wurde eine Therapie mit Alimta begonnen. Die Aussage war: "Kann man versuchen, versprechen Sie sich nicht zuviel davon".

Diese Aussage war sicher berechtigt, doch für uns hat sich der Alimta-Versuch als ausgesprochen fruchtbar erwiesen. Leider geht es meiner Mutter immer ein wenig schlechter, und wir hatten des öfteren mit Lungenentzündungen zu kämpfen (definitiv keine Nebenwirkung von Alimta), doch auch fast 20 Monate nach Alimta-Beginn geht es ihr immer noch --relativ-- gut.

Niemand weiß, wie sich die Alimtatherapie auf die Erkrankung Deines Vaters auswirken wird. Wir wissen auch nicht, ob wir den Erkrankungsverlauf bei meiner Mutter Alimta zu verdanken haben; es sprechen nur einige Indizien dafür. Als meine Mutter behandelt wurde, waren keine Fernmetastasen in Nervensystem, Knochen, Leber usw. bekannt, ihr Krankheitsgeschehen spielt sich ausschließlich in Lunge und Pleura ab.

Wenn Dein Vater bereits Lebermetastasen hat, dann sind die Chancen offengestanden nicht sehr gut. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um einen Krebs, dem einfach nicht beizukommen ist. In bezug auf Eure Situation würde ich Euch das sagen, was mir die Ärzte gesagt haben: "Macht einen Versuch mit Alimta, aber versprecht Euch nicht zuviel davon."

Die Therapie als solche ist nämlich recht komfortabel; sie wird nur alle drei Wochen in einer 15minütigen Infusion appliziert. Einen Tag zuvor, am Tag der Therapie und einen Tag danach gibt es Cortison (8mg) begleitend, dazu Folsäure und Vitamin B12. Etwa 2 bis 3 Tage nach Alimtagabe setzt bei meiner Mutter nachhaltig Fatigue ein, was etwa für eine knappe Woche anhält. Dann wird sie wieder relativ normal. Übelkeit ist ein Thema, jedoch läßt sich dieses durch eine Kevatrilgabe vor der Alimtainfusion und/oder Zofran nach Alimta in den Griff kriegen.

Noch ein Wort zur Zweit- oder Drittmeinung: hier möchte ich doch deutlich widersprechen. Ich würde meinen Angehörigen keinen weiteren Ärztetourismus zumuten. Wenn Ihr Euch schon in Essen wohlfühlt, und wenn sie Euch a) in einer Avastinstudie hatten und b) Alimta angeboten haben, dann sehe ich überhaupt keinen Grund zum Wechseln. Ihr müßt Euch, so traurig wie es ist, über eine Sache klarwerden: die Erkrankung Eures Vaters wird, über kurz oder lang, tödlich verlaufen. Es ist wichtiger, die Zeit, die Euch bleibt, mit Leben und mit angenehmen Dingen zu füllen als krampfhaft nach Therapiealternativen zu suchen. Ein metastasierendes Bronchialkarzinom wird nun einmal bestrahlt, mit Platin behandelt, dann gibt es Gemzar, Taxotere, Vinorelbine usw. - doch irgendwann bringen diese Mittel nichts mehr, der Krebs wird resistent und wächst/streut weiter. So wird man in Essen behandelt, so wird man in Münster behandelt ebenso wie in New York oder London. Die Teilnahme an der Avastin-Studie war eine Chance, weil gerade in diesen Therapieansatz große Hoffnungen gesetzt werden. Es ist sicher berechtigt, an Eurer Stelle ebenfalls Hoffnung in Alimta zu setzen - aber eben nicht mehr. Es gibt einfach in Eurer Situation kaum noch Alternativen! Ihr könnt Euch gerne andere Meinungen einholen, aber es würde mich sehr wundern, wenn Ihr etwas anderes zu hören bekommt. Darum spart Euch und Eurem Angehörigen den Streß, irgendwelche Ärzte zu konsultieren. Glaubt mir, in Essen seid ihr, nach allem, was ich weiß, bestens aufgehoben.

Ich verstehe Christian.ks Meinung als leidender, mitfühlender Angehöriger. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß seine Ausführungen inhaltlich, bis auf die Aussage, daß jeder Mensch und jede Krebserkrankung einzigartig sind, völlig falsch sind. Studien sind alles andere als "für die Katz", denn nur durch wissenschaftlich kontrollierte Methoden kommt der Fortschritt in die Welt. Es ist auch nicht zutreffend, daß der Arzt mit seiner Prognose den Verlauf der Krankheit bestimmt. Es ist auch mit Sicherheit nicht so, daß Ärzte einen abschreiben. Wir müssen nur leider den Gedanken akzeptieren, daß es für ein metastasiertes Lungenkarzinom eben doch in nahezu allen Fällen keine Heilung gibt, sondern nur eine palliative Begleitung des Patienten in seinen letzten Lebensmonaten. Und wenn es diesen Monaten dann noch Jahre werden, dann ist das ein Geschenk für das wir, je nach Auffassung, Gott oder den Ärzten/der Pharmaindustrie danken können.

Michael

Geändert von Michael_D (17.12.2006 um 11:15 Uhr)
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