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Alt 16.07.2012, 21:59
SweetSecret SweetSecret ist offline
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Standard Mama, wo auch immer du jetzt bist, du fehlst uns!!!!

Hallo,

ich bin schon seit Oktober letzten Jahres stille Mitleserin und möchte euch von meinen Erfahrungen und den Verlust, der meiner Familie dadurch entstanden ist erzählen.

Meine Mama war immer ein lebensfroher, gesunder, fleissiger und aktiver Mensch... Sie hatte zwar mal Rücken- oder Kopfschmerzen, aber ansonsten kerngesund....

Letztes Jahr um die Zeit verbrachten Mama und meine jüngere Schwester, wie jedes Jahr, den Urlaub hier.... Es gab 2 Dinge, die schon auffällig waren. Mama war unglaublich erschöpft von der 6-stündigen Zugfahrt hier her. Ich war zu dem Zeitpunkt noch aus beruflichen Gründen übers Wochenende weg... Ich rief Samstag abend gegen 19 Uhr an... Da war sie schon im Bett - als ich am nächsten Tag - 11 Uhr wieder anrief, schlief sie immer noch. Ich weiß noch, wie komisch mir das vorkam und ich meinen Mann bat, mal zu kucken, ob alles in Ordnung sei.... Ihre Erklärung später war, sie war einfach nur müde. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt ein bisschen familären Stress und war - so glaubten wir alle - dadurch ein bisschen dünner geworden... Gleichzeitig hatte sie eine fiese Verbrennung auf den Rücken, die sie sich zugezogen hat, als sie eine Wärmflasche auf Ihren schmerzenden Rücken hatte und damit eingeschlafen ist... Auch das waren erste Anzeichen, die wir unbewusst übersehen haben....

Nichtsdestso trotz erlebten wir alle gemeinsam einen schönen Urlaub und viel zu schnell musste ich mich wieder verabschieden... Wir hielten, wie immer, telefonisch weiterhin Kontakt und sie erzählte mir, dass Ihre Rückenschmerzen immer schlimmer und unerträglicher worden... Die Ärztin behandelte anfangs mit Wärme.... Ende September ging sie wieder zum Arzt. Da fiel der Ärztin auf, dass innerhalb einer kurzer Zeit ein massiver Gewichtsverlust zustande kam, und Mama fühlte sich immer müder und schlapper und erzählte das der Ärztin auch. Wo meine Mama noch glaubte, es läge am Familienstress, schrillten bei der Ärztin sämtliche Alarmglocken und sie schickte Mama zum Röntgen... Wir hatten alle furchtbare Angst und ich hatte irgendwie so ein dummes Gefühl, dass es sich um Krebs handeln könnte.... Aus dieser Angst wurde sehr schnell Gewissheit. Ein Krebstumor hatte auf die Wirbelsäule gedrückt und dadurch diese Schmerzen verursacht...

Mama kam zu genaueren Untersuchen ins Krankenhaus und man fand schnell den Hauptkrankheitsherd. Mama hatte Lungenkrebs, der leider zum Zeitpunkt seines Entdeckens schon ziemlich heftig gestreut hatte - in den Rücken, in verschiedene Organe. Anfangs hatten wir alle noch Hoffnung, während Mama, schon sehr geschwächt, den Kampf aufnahm. Nach einer stationären Schmerzbehandlung mit Setzen eines Portes wurde im November mit einer Chemotherapie begonnen. Da Mama sehr gut darauf ansprach, durfte sie wieder heim. Sie schlief viel, hatte immer heftigere Schmerzen - zunehmend auch im linken Oberschenkel... Wieder musste sie zum Röntgen und wurde ein paar Stunden später direkt ins Krankenhaus verfrachtet. Ein weiterer Tumor hatte ihren Oberschenkelknochen stark angefressen - dieser drohte jeden Augenblick zu brechen... Die OP musste aufgrund schlechter Blutwerte verschoben werden, ein paar Tage vor Weihnachten war es dann soweit und Mama wurde operiert.

Sie hatte nach der OP ziemlich starke Schmerzen, konnte danach nicht mehr laufen und langsam begann sie, den Lebenswillen zu verlieren... Weihnachten verbrachte Sie im Krankenhaus, mit der Aussicht, in wenigen Tagen in ein 30 km entferntes Krankenhaus verlegt zu werden. Um ihr wenigstens ein bisschen Freude zu machen, organisierten wir ein kleines Tannenbäumchen, schmückten es mit Kugeln und Lichterkette und brachten ihr wenigtens ein bisschen weihnachtliche Stimmung ins Krankenhaus, obwohl sie keine Lust darauf hatte... Ich verbrachte Weihnachten bei meiner Familie und noch nie war es so traurig und hoffnungslos wie in diesem Jahr. Die Medikamente fingen an, Mama in Dämmerphasen zu versetzen, in denen sie leicht verwirrt war und sie brach in schreckliche Tränen aus, als ich mich mal wieder von mir verabschieden musste (ich wohne 500 km weg)...

Wie bereits angekündigt wurde Mama Anfang 2012 nach Gera verlegt. Dort sollte sie zusätzlich zur Chemo eine Strahlentherapie bekommen. Kurz nach der Verlegung bekam Mama plötzlich sehr hohes Fieber, was trotz medikamentöser Behandlung nicht runter ging - sie hatte keine Kraft mehr, bekam immer schlechter Luft... Das alles schwächte sie so sehr, das ich eines Abends den Anruf bekam, ich solle schnell kommen, sie würde die Nacht möglicherweise nicht überleben.... Mit meiner Schwiegermutter fuhr ich mitten in der Nacht die 500 km in nichtmal 3 1/2 Stunden und traf um 3 Uhr in der Nacht völlig übermüdet im Krankenhaus ein. Sie saß putzmunter im Bett und freute sich, mich zu sehen, war aber absolut verwirrt und wunderte sich auch kein bisschen, dass mitten in der Nacht die halbe Familie vor Ihrem Bett stand um einfach bei ihr zu sein... Total unerwartet für alle, hatte sie sich ihr Zustand blitzartig verändert und sie war vorerst nicht mehr in einem lebensbedrohlichen Zustand.

In der Nacht wurde mir zum allerersten Mal bewusst, das ich meine Mutter verlieren würde. Mein Stiefvater ging mit mir aus den Raum, wir weinten uns außerhalb ihres Zimmers die Augen rot und gingen dann wieder zu ihr, munterten sie auf, machten Scherze um für sie stark zu sein...

Auch die Ärzte erkannten, dass sie sich schon längst im Endstadium befand und dass es keinerlei Sinn mehr hatte, sie weiter mit Chemotherapien zu quälen und so verlegte man sie für die kommenden 3 Wochen auf die Palliativstation in Gera. Dort wurde sie aufgepäppelt und liebevoll betreut, bis auf wenige Nächte rund um die Uhr von einem Angehörigen unterstützt. Auch ich durfte ein ganzes Wochenende bei ihr sein und das erste Mal sprachen wir offen über das Thema Tod. Sie erzählte mir von Dingen, die sie unbedingt noch erleben wollte, Dinge, die ihr wichtig waren und so konnten wir langsam schon voneinander Abschied nehmen. Als ich ihr am letzten Morgen sagte, dass sie die allerbeste Mutter der Welt ist, wusste ich nicht, dass ich sie an dem Tag das letzte Mal sehen würde. Der Abschied war weniger emotional als der zu Weihnachten - wir haben an dem Wochenende viel Zeit miteinander verbracht und auch, wenn sie fast nur schlief und ich nur ihre schwache Hand halten konnte, sie in der Nacht, wenn sie wimmerte, beruhigen musste oder sie durch meine Trottelige Zeit lachen konnte - wir wussten beide, dass uns nicht mehr viel Zeit blieb, und verabschiedeten uns auf unsere Art und Weise voneinander.

Wenige Tage nach meiner Abreise durfte Mama, weil es ihr relativ gut ging und sie transportfähig war, nach Hause. Dort telefonierten wir die ersten beiden Tage viel miteinander, danach wurde es immer schwerer für sie, weil sie nur noch schlief oder verwirrt war. Zum Schluss erkannte sie mich nicht mal mehr am Telefon und fragte, wer ich sei. 2 Tage vor dem nächsten, geplanten Besuch, in den frühen Morgenstunden des 09.02. gab Mamas Körper auf. Total ausgemergelt, geschwächt und von der Krankheit gezeichnet. Mal eben schnell heimfahren war in der Nacht nicht möglich, weil die Verkehrsbedingungen lebensgefährlich gewesen sind...


Es ist hart zuzukucken, wie ein Mensch innerhalb von wenigen Monaten durch so eine schwere Krankheit gezeichnet wird, wie ein Körper quasi verschwindet und wie aus einer 90 - kg - Person ein Schatten aus Haut und Knochen wird.

Mama, auch wenn ich dich nicht in den Tod begleiten konnte, bin ich froh, dass dein Mann bei dir sein konnte und wenigstens 1 von unseren Geschwistern an deinem Todesbett Abschied nehmen konnte.

Wir vermissen dich, jeden Tag, jede Minute. Die Kleine am meisten. Mit dir ist ein Stück von Papa gegangen... Ich hoffe, da wo du jetzt bist, geht es dir gut, und auch wenn es weh tut, es zu sagen, war dieser schnelle Verlauf der Krankheit wohl das Beste für dich... Du hast es nicht verdient zu leiden, und 5 Monate voller Kampf und Schmerz, waren mehr als genug!!! Ich liebe dich, Mama
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♥♥♥ Mama ♥♥♥
✻ 30.03.1955
† 09.02.2012

... immer in unserem Herz ...

Geändert von SweetSecret (16.07.2012 um 22:03 Uhr)
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