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Alt 05.07.2005, 16:43
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AndreaS AndreaS ist offline
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Registriert seit: 09.02.2005
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Standard Todessehnsucht

Liebe Karin,

du fragst, wie kann man mit Toten reden, sie haben keinen Mund und keine Stimme, wie kann man sie spüren ohne Körper. Und ich frage dich, kannst du Liebe sehen? Auch sie hat keinen Körper und trotzdem gibt es nichts, was man intensiver fühlen kann als Liebe. Liebe hat auch keine Stimme, und dennoch kann dir nichts deutlicher sagen, was zu tun oder zu lassen ist, als die Liebe. Man kann sie nicht sehen, aber sie ist da immer und überall. Vielleicht kennst du auch die Momente zwischen dir und einem Menschen, den du besonders liebst. Vielleicht gab es sie zwischen dir und deinem Papa, Situationen, in denen ihr nichts sagen brauchtet, euch vielleicht noch nicht einmal ansehen musstet, um zu wissen/fühlen, was der andere denkt. Eure Seelen wussten es…Klingt vielleicht alles ein wenig „schwulstig“ wie vieles, was mit Gefühlen und nicht mit Rationalem zu tun hat.

Ich möchte dir etwas erzählen, was mir passiert ist, während mein Mann schon schwer krank war. Es war kurz vor seiner Operation. Da hatte ich einen Traum. In diesem Traum sah ich meinen Schwiegervater, der zu dem Zeitpunkt bereits über 15 Jahre tot war und niemals zuvor in den ganzen Jahren habe ich jemals von ihm geträumt. Er lächelte, ich sah, dass er glücklich war und er streckte seine Arme aus. Ich fuhr schweißgebadet aus meinem "Traum" auf und wusste, dass er mir sagen wollte, dass er Claus bald wiedersehen würde. Es war entsetzlich realistisch und ich war mir fast sicher, dass mein Mann die OP nicht überleben wurde. Als er den Eingriff gut und lebend überstanden hatte, verdrängte ich den "Traum", schob ihn auf meine entsetzliche Angst und belächelte mich selbst zu meiner „Deutung“. 8 Monate später starb mein Mann an den Folgen seiner Krankheit und der "Traum" war schlagartig wieder in meinem Bewusstsein. Ich bin mir sicher, dass es kein Traum im eigentlichen Sinn war. Mein Schwiegervater w a r da und sein Lächeln und sein glücklicher Gesichtsausdruck ist bis heute gegenwärtig und ich weiß ganz genau, dass er mir sagen wollte: Endlich, ich freue mich so sehr auf meinen Sohn und hab keine Angst, ich bin bei ihm, er muss nicht alleine gehen…Vielleicht kann der ein oder andere es mit klugen Erklärungen auf einen „Traum“ reduzieren, was bleibt ist dieses Gefühl in mir, die Sicherheit, dass mein Schwiegervater in diesem Augenblick tatsächlich „lebt“ , auf einer anderen Ebene als zuvor, aber er lebt!!!! Und er gab mir die Gewissheit, dass mit dem Tod nicht alles vorbei ist.

Von meinem Mann habe ich auch einige – für meinen Geschmack – viel zu wenige Male „geträumt“ Diese Träume unterscheiden sich in ihrer Intensität von „normalen“ Träumen. Mir kommt es vor, als dürfte ich in diesen Augenblicken auch meinen Körper verlassen und befinde mich auch auf einer anderen Ebene. Wir sprechen miteinander in den Träumen, nicht mit dem Mund, es ist ein Kommunizieren aber mehr über die oben schon beschriebenen Gefühle. Wir brauchen keine Worte dazu. Diese Träume haben mir auch verständlich gemacht, dass das Körperliche im Jenseits – oder wie auch immer man es nennen will – tatsächlich nicht mehr wichtig ist – mit dieser Vorstellung hatte ich zuvor nämlich immer meine Probleme – aber die Seelen genügen, die Liebe zueinander genügt. Meine Zeit ist noch nicht abgelaufen, deshalb muss ich zurück in den Körper (hoffentlich lacht mich hier keiner aus, so geschrieben „hört“ es sich wirklich etwas seltsam an, aber es ist auch unsagbar schwer zu beschreiben, wie will man Gefühle und kleine Schritte des „Erkennens“ in Worte fassen, ohne, dass sie etwas sonderbar ankommen…)

Weißt du Karin, ich vermisse meinen Mann schrecklich. Ich möchte, dass er noch lebt, ich möchte seine Stimme hören, seine Arme spüren, seine Liebe. Wir alle müssen versuchen, uns so gut wie es geht mit der neuen, verhassten Situation zu arrangieren, in diesem Leben alleine weitermachen.

Wenn du nicht auch das Gefühl hättest, dass nach dem Tod noch etwas kommt, wenn du nicht denken würdest, dass du deinen geliebten Papa wiedersehen wirst, hättest du diesen Thread nicht eröffnet. Du spürst es selbst.

Vielleicht kannst du dich nur nicht an die Hinweise oder Zeichen erinnern, vielleicht bist du tatsächlich im Augenblick noch in der Trauerphase des Nicht Wahrhaben Wollens. Sie will durchgestanden werden, dann wirst du sehen, wie es sich allmählich verändert, wie du manches „erkennst“ „verstehst“ und ganz sicher „fühlst“ und dann erst wird ganz allmählich Frieden in dir sein und du wirst in kleinen, langsamen Schritten wieder nach vorne gehen können, in dem Bewusstsein, dass eure Trennung nur von kurzer Dauer sein wird und bis dahin dein Körper Platz für zwei Seelen hat.

LG
Andrea
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