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Alt 04.02.2014, 17:19
Elisabeth L. Elisabeth L. ist offline
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Standard AW: Magenkrebs - wie sieht das Endstadium aus???

Liebe Sabrina,

wenn Du Deine Mama auch nur ein bißchen lieb hast, dann fahr hin, denn bei Magenkrebs in diesem Stadium (Peritonealkarzinose) kann es in wenigen Tagen zuende sein und Du würdest Dir ewig Vorwürfe machen, nicht noch einmal bei ihr gewesen zu sein.
Unser Papa, mein Mann, ist letztes Jahr am 7. Juni grauselig daran gestorben und ich habe seinen Tod bis heute nicht verkraftet, obwohl ich die letzten drei, vier Wochen 24 Stunden bei ihm war. Uns hatten die Ärzte gesagt, er habe noch "maximal ein Jahr" und wir haben uns daran geklammert. Tatsächlich waren es nur noch sechs, sieben Wochen und die letzte Woche konnte man täglich rapide Verschlechterungen sehen. Mein Mann war gerade 61 geworden, unsere Kinder sind jetzt 12 und 13 Jahre alt.
Versöhne Dich mit ihr, das wird Dir und ihr gut tun. Man soll nicht auseinander gehen, wenn noch etwas "offen ist" zwischen einem. Das wird ewig in Dir arbeiten!
Ich mache mir Vorwürfe, dass ich seinen bevorstehenden Tod nicht thematisiert habe, vielleicht hat er darauf gewartet, weil er selbst zu viel Angst hatte, davon anzufangen. Wir waren einfach nur zusammen und haben Alltäglichkeiten ausgetauscht. Essen ging ja schon lange nicht mehr, dann wollte auch das Trinken nicht mehr hinunter. Abends kamen die Johanniter, um die künstliche Ernährung über Nacht an den Port zu hängen. Alles andere, auch das Abpumpen von Wasser aus der Lunge, konnte ich selber machen. Ich höre heute noch das Atemgerät. Er wollte immer aufstehen, war aber zu schwach dazu. Dann sagte er immer: "Wenn ich jetzt nicht aufstehe, stehe ich nie wieder auf!" Am Morgen des letzten Tages fing er an zu fantasieren, er sah einen Engel am Fenster, da wußte ich, es geht zuende. Das Palliativ-Team, das sich immer wieder aufdrängen wollte, habe ich schon im Mai rausgeschmissen, die waren fürchterlich unsensibel und wollten ihn immer nur mit Tavor (starkes Morphium-Mittel) "abschießen", damit er nur noch dämmert oder schläft. Ich habe ihm nur dann Tavor gegeben, wenn er wirklich danach verlangt hat - und das war selten.
Am Abend des letzten Tages habe ich seine Hand in meine gelegt und stundenlang nur Litanei-mäßig das selbe gesagt: "Ruhig, ruhig, Du bist nicht allein, wir sind alle da. Keine Angst, es wird alles gut. Keine Angst, Du brauchst keine Angst zu haben, wir sind bei Dir." Und dann hat er aufgehört zu kämpfen und wurde ganz ruhig und die Gesichtszüge entspannten sich. Er ist ganz ruhig eingeschlafen - auch ohne dieses Tavor, das ihn abgeschossen hätte.
Ich denke heute noch, er müßte in der Küche doch gleich um die Ecke kommen. Aber er kommt nicht. Abends, wenn die Kinder schlafen, schreie ich nach ihm. Er gibt aber keine Antwort. Auch acht Monate danach ist diese Leere nicht weniger geworden, ich laufe immer noch neben mir her, hoffentlich wird das irgendwann mal besser.

Liebe Grüße,

Elisabeth
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