Einzelnen Beitrag anzeigen
  #27  
Alt 12.11.2004, 20:13
Dirk-Gütersloh Dirk-Gütersloh ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 26.09.2002
Ort: Steinhagen bei Gütersloh
Beiträge: 1.188
Standard Chemo und Alkohol

Lieber Baha,

ich habe jetzt schon mehrere Deiner Beiträge gelesen. Zunächst war ich einfach entsetzt. Entsetzt von Deiner Selbstgefälligkeit und Arroganz. Besonders der Satz "Mit dem was ich heute weiß, könnte meine Oma noch leben, sie ließ sich aber leider auch von Chemo- Propagandisten plattschwatzen" in einem anderen Thread hat sich mir eingeprägt. Eingeprägt aufgrund Deiner Vermessenheit zu glauben, Du hättest das Wissen, die Geißel der Menschheit zu besiegen. Ein Wissen, wonach immer noch krampfhaft gesucht wird. Genauso entsetzt bin ich aber auch von Deiner Art, hier anderen Menschen vorschreiben zu wollen, wie sie leben sollen und auch hier Dein angebliches Wissen über die Richtigkeit individuellen Verhaltens, daß dann in den Vorschlag gipfelt, Krebserkrankte sollten "Lebenstraining" machen.

Inzwischen hat das Entsetzen aber etwas nachgelassen. Ich habe mir viele Gedanken über Menschen gemacht, die sich ähnlich hier verhalten.
Ich glaube inzwischen, daß diese durch den Tod naher Angehöriger oder Bekannter schlichtweg Angst haben. Angst vor einer eigenen Krebserkrankung, Siechtum und letztendlich dem Tod. Sie haben für sich erkannt, daß Krebs jeden treffen kann. Sie haben gelesen oder gehört, dass für die meisten Krebsarten die eigentlichen Ursachen noch unbekannt sind. Eigentlich hätte am Ende die Erkenntnis stehen sollen, daß Krebs wirklich jeden treffen kann. Das es zwar bekannte Risikofaktoren, wie Rauchen und Alkohol gibt, diese aber zum einen nicht zwangsläufig und vor allem für viele Krebsarten auch nicht zutreffend sind. Nur wenn der Krebs jeden treffen kann, dann ist das natürlich eine Erkenntnis, die Angst macht. Jeder Mensch hat andere Strategien, mit seinen Ängsten umzugehen. Meiner Erfahrung im Umgang mit Krebserkrankten und Ihrem Umfeld nach, ist eine sehr häufige Strategie die der Abgrenzung und Ausgrenzung. Viele Menschen nehmen also die Krankheit Krebs nicht als Krankheit hin, die jeden treffen kann, sondern versuchen, beim Erkrankten Fehler festzustellen, die Krankheit Krebs als Strafe zu sehen. Dadurch dass sie dann diese vermeintlichen Fehler nicht machen, versuchen sie sich zu schützen, sich abzugrenzen. Kommt dann noch eine gewisse Affinität für Esotherische Heilslehren dazu, kann sich das ganze schnell zum Missionarstum entwickeln. Eine Entwicklung, die ich in den verschiedenen Foren mehrfach miterlebt habe.

Ich weiss ja nicht, ob meine Beobachtungen auf Dich zutreffen, ich bin ja nicht allwissend, aber vielleicht denkst Du mal darüber nach. Solltest Du große Angst verspüren, versuche Deine Ängste anzunehmen, mit ihnen zu leben.

Versuche auch, die Erkrankten und ihre Angehörigen zu verstehen. Sie haben eventuell oberlehrerhafte Ärzte erlebt, die es noch nicht gewohnt sind, auf den mündigen Patienten zu treffen. Auch haben sie wahrscheinlich die oben von mir erwähnten Abgrenzungsstrategien des Umfeldes kennengelernt oder gar die ebenso häufige Ausgrenzungsstrategie, also das Zurückziehen des Umfeldes, dass sich dadurch erst gar nicht mit seiner Angst vor Krebs beschäftigen möchte. Und jetzt kommt jemand daher und erklärt, dass sie das, wonach sie sich sehnen, nähmlich ein Stück Normalität, nicht mehr leben dürfen? Denn es ist normal, auch mal zu geniessen. Genuß kann das Glas Wein am Abend, aber auch ein Stück Fleisch am Sonntag sein. Was soll denn daran schlimm sein? Für mich gehört eine Flasche Bier am Abend und der bewusste Fleischverzicht werktags zu meiner Lebensqualität dazu. Das Aussuchen, Zubereiten und anschliessende Verzehren der Fleischmahlzeit am Sonntag ist für mich Genuß und Lebenslust. Gerade seit meiner Krebserkrankung weiss ich diese Genüsse erst richtig zu schätzen. Und was für meine Psyche gut ist, stärkt auch meinen Körper. Gefährlich für meinen Körper wird der Genuss meistens erst dann, wenn es zum Übermaß kommt. Alkoholismus oder Völlerei sind natürlich schädlich, genau wie Alkoholkonsum gegen den ärztlichen Rat, aber darum geht es ja nicht.

Lieber Baha, Du darfst gerne so sein, wie Du möchtest, darfst leben wie Du willst. Aber bitte unterlasse es, Andere zu belehren.

Gruß Dirk aus Gütersloh
Mit Zitat antworten