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Alt 22.04.2004, 21:47
Gast
 
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Standard Keine Hoffnung

Hallo Marie,
Hallo Sabine,

tja, was soll man seinen Lieben raten in so einer Situation? Den Kampf aufnehmen und dadurch vielleicht doch nur das Sterben verlängern? Hoffen, dass durch die Therapie zumindest noch der eine oder andere, gute lebenswerte Tag gewonnen wird? Oder doch besser das Schicksal akzeptieren wie es ist, auf belastende Therapien verzichten und die noch bleibende Zeit "genießen"? Geht das überhaupt?
Deine Mutter hat sich entschieden zu kämpfen. Das ist sicher gut so und ihre ganz eigene Entscheidung. Mein Vater hat ein sehr aggressives kleinzelliges Lungenkarzinom mit Metastasen in der Leber und im Skelett; unheilbar. Die Lebenserwartung selbst mit Chemo liegt bei einigen Monaten bis ein, allerbestensfalls zwei Jahren. Er wusste auch nicht, ob er die Chemo machen soll oder nicht. Und dann hat er mir etwas ganz wunderbares, aber für mich auch sehr belastendes gesagt: "Ich weiß nicht, was ich tun soll. Es gab mal eine Zeit, da habe ich für dich Entscheidungen getroffen. Jetzt bist Du an der Reihe, für mich zu entscheiden, was das beste ist". Das hat mich unheimlich berührt, aber auch wie ein Schlag getroffen. Ich bin es eigentlich gewohnt, Verantwortung zu tragen. Im Beruf und auch im Rettungsdienst (ehrenamtlich). Aber das ist eine andere Dimension. Es gibt sicher keine Entscheidung, die mir schwerer gefallen wäre. Mir ist klar geworden, dass ich jede Entscheidung zwangsläufig bereuen werde. Denn ich werde nie wissen, wie es im anderen Fall gekommen wäre.
Ich habe meinem Vater zur Chemo geraten. Er verträgt sie bisher erstaunlich gut und es geht ihm viel besser als vor der Chemo. Er kann diesen Sommer noch einige Urlaube mit meiner Mutter machen, so wie es aussieht. Und heute Mittag kam der Dämpfer. Meine Mutter hat mich im Büro angerufen und gesagt, Vater würde einen kleinen schwarzen Ring auf dem linken Auge sehen. Erster Gedanke natürlich: Metastasen im Gehirn. Hab meiner Mutter gesagt, wenn der Hausarzt (ein wirklich guter!) nicht sofort kommt, dann soll sie den Rettungsdienst rufen. Könnte auch ein Schlaganfall sein. Nach meinen Erfahrungen mit der Warterei auf Ergebnisse habe ich mit dem schlimmsten gerechnet. Hat sich aber nur als harmlose Einlagerung im Auge herausgestellt. Der Augenarzt meinte "fliegende Mücken" oder so ähnlich. Völlig harmlos.
Es gibt eben doch auch noch gute Tage. Und die sollten wir mit unseren Lieben genießen und diese Scheißkrankheit auch mal aus den Gedanken komplett verdrängen.
Ich wünsche Euch noch viele solche Tage.

Lieb`s Grüßle

Joachim
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