Einzelnen Beitrag anzeigen
  #12  
Alt 25.01.2007, 20:21
Benutzerbild von Marek Jan
Marek Jan Marek Jan ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 21.03.2005
Ort: Köln
Beiträge: 152
Standard AW: Die Einsamkeit

Zitat:
Zitat von Vierm Beitrag anzeigen
Hallo Marek Jan
es ist erstaunlicher Weise nicht "das verlieren" was mir so Probleme bereitet, sondern der lange Weg dorthin.
Es ist das Gesicht meines Jungen auf diesem Weg, was mag er gedacht haben (wieviel Angst und Sorge), was hätte er noch sagen wollen (aber nicht gesagt hat um uns zu schonen).
Wie einsam muss er dadurch gewesen sein nicht mit allem zu uns zu können, weil er wusste das es uns das Herz bricht?
Hallo lieber Wolfgang,

ich habe da andere Erfahrung gemacht über die ich gerne schreiben würde. Der Mario war 21 und hat mit mir sehr kommuniziert. Er wusste paar Monate vorher, dass unsere Zeit und seine Zeit hier auf Erden zu ende geht. Egal, wie es mir weh tat drüber zu sprechen, denn ich wollte es nicht wirklich bis zu letzte Minute wahr haben, ich habe mit Mario bis zum Schluss gehofft. Ich wusste aus Medizinische Sicht, dass es keine Rettung mehr gibt, aber man will es einfach nicht akzeptieren.

Wir haben uns versucht richtig vorzubereiten. Kann man sich drauf vorbereiten? Ich sage zur Teil ja, man kann es.

Er sprach immer und ganze Zeit sein Ängste und Sorgen aus. Er sagte immer wieder, dass nicht das gehen Angst macht, dass nicht das sterben das so schlimm ist ins ungewisse zu gehen. Er hatte Angst wie es mir dabei ergeht, wenn er geht und ich zurück bleibe. Er war traurig, dass er seine Nichte nicht gross werden sieht, er war traurig, dass er nicht erlebt wie seine kleine Schwester gross wird und mal heiratet. Er machte sich Soren um andere Menschen wie Familie und Freunde.

Er hat alles ausgesprochen, drum habe ich Mario sehr oft gebeten, zu sagen was er denkt, egal wie unwichtig es erscheint. Egal, ob es mir sehr weh tun würde, ich wollte sein doch so intime Gedanken wissen und dass er mir Sie mitteilt.

Wir haben bis zum Schluss über alles gesprochen, über die Trauerfeier, wie er es gerne hätte, über dem Ort. Was genau passieren soll wenn er verstorben ist, was Mario sehr wichtig war. Z.B. Mario hat sich in der Uni Klinik Aachen nie von anderen Schwestern oder Pflegern waschen gelassen, es war dem Mario wichtig, wenn der Kampf zu ende ist, dass ich das mache, was ich auch tat. Dass ich dem Mario anziehe und er sagte was er gerne an haben würde. Er suchte sich meine Lieblingshose aus.

Ich denke es tat damals sehr weh, drüber zu reden, aber im nachhinein war ich sehr dankbar drüber, dass wir es getan haben, denn ich wusste wie er sich was wünscht. Welche Gedanken er mit sich trägt. So konnte ich auch seine Familie seine Wünsche äussern. Ich kenne dein Schmerz, denn seine Familie wurde von Mario übergangen, er konnte sich keinen anderen Menschen mitteilen als mir. Er machte alles nur mit mir aus, jede Entscheidung die er traf, fragte er nur mich um Rat.

Das aller schlimmste war, los zu lassen. Mario hatte zum Schluss Hirnmethastasen und dadurch wurden sehr starke Anfälle ausgelöst. Mario sagte zu mir, er hat keine Kraft mehr weiter zu kämpfen, er will in Ruhe in der Uni jetzt sterben. Wir haben 1 Jahr vorher eine Patientenverfügung für Fall der Fälle gemacht, wo alles regelt. Weisst Du, es war die schwerste Entscheidung meines Lebens mit der ich weiter zu leben habe und mir sehr oft drüber Vorwürfe gemacht habe, dass ich zu schnell gesagt habe er darf aufgeben. Ja es war sehr schwer, aber wir haben uns die CT Bilder angesehen, haben uns die Lunge angesehen die voll von Tumor war, wir haben uns das Hirn angesehen und erklären gelassen welche Stellen befallen sind. Leber usw, waren befallen. Ich nahm ihm fest in meinen Arm als wir zusammen da lagen und uns unterhielten, er bat mich jetzt gehen zu dürfen.

Ich konnte egoistisch sein und sagen kämpfe für mich weiter, aber nein das tat ich nicht weil ich Mario über alles liebte. Denn ich habe zu Mario immer gesagt, kämpfe solange Du kannst, aber wenn die Zeit gekommen ist und Du nicht weiter kannst sage es mir, ich will nicht, dass Du dich nur für mich quellst.

Wir haben die Ärzte gerufen und gesagt, dass die Dialyse abgestellt wird. Es waren die schlimmsten 7 Tage meines lebens, für die ich aber sehr dankbar bin, denn als er erlöst worden ist wurde es still und freidlich. Keine Schmerzen mehr, keine Krämpfe mehr, kein schnappen nach Luft und Angst er erstickt. Ich habe 7 Tage fast ohne schlaf am Bett gesessen und Mario die Hand festgehalten, als die Zeit kam, drückte er meine Hand drei mal ganz fest, machte die Augen auf, schaute mich an, lächelte und machte einen Kuss, dann nahm ich Mario ganz fest in meine Arme und er ging zu den Sternen.

Er wollte leben, durfte es nicht. Er hat gekämpft und wir haben gemeinsam verloren, aber eins weiß ich, er starb so wie er es sich gewünscht hat in meinem Armen, ganz still, leise und freidlch.

Jetzt kann ich im Moment nicht weiter schreiben.

Stillen Gruss Marek Jan
__________________
Was vergangen kehrt nie wieder,
aber ging es leuchtend nieder,
leuchtet`s lange noch zurück.

www.meinetrauer.de

Mit Zitat antworten