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Alt 15.10.2003, 07:24
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Hallo,

auch mehr als drei Jahre nach dem Tod meiner Frau tauchen Bilder, Erlebnisse, die letzten Tage ihres Lebens und ihr letzter Augenblick in ihrem Erdenleben vor mir auf.

Ich lasse diese Bilder ( die ich manchmal als dunkle Wolken empfinde ) zu, dann verziehen sie sich wieder. Manchmal frage ich mich kurz selbst, was war jetzt der Auslöser und ich finde es heraus, manchmal weiß ich nicht warum die Bilder auftauchen. Ich lasse es einfach kommen, aber auch wieder gehen. Es gehört zu meiner Trauerverarbeitung dazu.

Wir haben (hatten) zum Glück sehr gute Freunde, mit den wir (ich) alles aber auch alles besprechen konnte(n). Das half wirklich.

Es gab direkt nach dem Tod ein großes Bedürfnis meine
Klagen, meine Trauer rauszuschreien.

Ich bin also in den Wald gegangen (oder auch öfters die Wanderwege, die wir gemeinsam gegangen sind ) und habe laut mit meiner Frau gesprochen, habe laut geweint. Nach einigen Augenblicken der Anfangsüberwindung durchflutete mich jedes Mal Erleichterung. Ich fühlte mich ihr nahe und von ihr verstanden.

Wenn auch die Tränen vielleicht jetzt nicht mehr so direkt kommen, so suche ich beim Besuch ihres Grabes das direkte Zwiegespräch, danke ihr für die wunderbaren gemeinsamen Jahre und erhoffe ihre treue Begleitung auf meinem weiteren Lebensweg.

Man kann den Prozess der Trauerverarbeitung sicherlich nicht beschleunigen, aber man kann etwas tun, an der Trauer zu arbeiten:

Alleine oder gemeinsam mit sehr guten Freunden oder mit professionellen Helfern) laut sprechen ("Sich in die Trauer begeben")

"Die Trauer ziehen lassen" und die gemeinsame schöne Erinnerung kommen lassen

Sich kleine positive und erreichbare Ziele für das Neue Leben
setzen, um wieder festen Boden unter die Füsse zu bekommen

Das Letztere war gar nicht so einfach: Ich habe mehrere Wochen sehr große Konzentrationsschwierigkeiten gehabt. Ich war kaum in der Lage, mich wieder vom "Funktionieren" "Optimieren" des Tagesablaufs auf das Normalmaß zu reduzieren, mir Ruhe zu gönnen. Ich wußte aus der Erfahrung, daß Zur-Ruhe-Kommen auch bedeuten konnte, die Seele holt sich nun dasjenige, was ihr gefehlt hat. Ich hatte Angst vor dem großen schwarzen Loch.

Auch darüber habe ich mit meiner verstorbenen Frau Zwiegespräch geführt. Es ist schon wunderbar, welche Kraft mir aus solchen Gesprächen erwuchs. Ich denke, man muß es selbst erleben, um es zu glauben. Es gibt wie im ganz realen Leben Tage, wo der Kontakt direkt und unmittelbar zu sein scheint, an anderen Tagen kann nur ich ihr etwas mitteilen, es wir nichts zu mir gesendet.

Ich habe eine einfache Erfahrung gemacht:

Viele Menschen sind sehr unsicher, wie sie mit Trauernden umgehen sollen. Ich habe versucht abzuschätzen, ob Angst oder
wirkliches Mitgefühl die Fragen "Wie geht es Dir (Ihnen)" begleitet.
Ich habe mir aus Selbstschutz für diejenigen, die ausser der Frage an sich gar nichts wollten, eine höfliche Anwort ausgedacht.
Bei Mitfühlenden habe ich erfragt, ob sie mir einfach zuhören wollen oder ab sie Details wissen wollen. So wurde ich nicht enttäuscht und konnte es selbst steuern, ob ich etwas von meiner Trauer preisgab.

Da ich mit diesen Verhaltensweisen meine Trauerarbeit etwas steuern konnte und es mir damit schrittweise besser ging, habe ich diesen Weg weiter beschritten.

Vieles in meiner Wohnung erinnert mich an die schöne gemeinsame Zeit; Kleider habe ich sofort nach Ihrem tod an soziale Einrichtungen gegeben, es hätte mir nur wehgetan, ebenso habe ich sofort die Krankenakten vernichtet.

Ich will die schweren Tage (Jahre) verarbeiten, die wunderbaren Ereignisse bewahren und mein Neues Leben aktiv und positiv gestalten.

Shalom
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