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Alt 11.01.2009, 12:29
Heike_K Heike_K ist offline
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Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Hallo Zusammen,

ich schreibe nicht viel hier, habe aber jetzt doch das Bedürfnis mich mal zu äußern zu diesem schwierigen Thema.

Als erstes wollte ich kurz sagen, dass das hier zwar ein Hinterbliebenen-Forum ist, aber dass ich auch hier schon gelesen habe als ich noch Angehörige war. Ich denk mal, dass das viele Angehörige, die sich mit dem Thema beschäftigen auch so ist. Das nur mal dazu.

Dann finde ich, dass es schon gut ist wie hier über das Thema Tod geschrieben wird. Ich weiß allerdings nicht ob mir solch drastischen Formulierungen nicht noch mehr Angst gemacht hätten als ich eh schon hatte. Ich persönlich denke nämlich, dass diese Formulierungen wenn man sie so liest wesentlich "brutaler" klingen als man sie dann tatsächlich empfindet wenn man es dann erlebt. Wisst ihr was ich meine? In diesem Moment schöpft man so viel Kraft aus geheimen Quellen von denen man vorher noch nicht mal eine Ahnung hatte dass es sie gibt und tut einfach was getan werden muß.
Natürlich ist es wichtig und notwendig informiert zu sein was passieren KANN, aber auf der anderen Seite hat man dann vielleicht noch viel mehr Angst vor der Entscheidung seine Lieben beim Sterben zu begleiten als man eh schon hat, ich bin da etwas zwiegespalten.
Und mir kann keiner erzählen, dass da keine Angst im Spiel war, ich hatte gehörig die Hosen voll, habe es aber trotzdem getan und bin unendlich dankbar, dass mein Bruder mich auch dabei sein ließ.
Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass Sterbende sehr wohl beeinflussen können wer bei dem Tod dabei sein soll und wer nicht.

Mein Bruder war knapp 10 Jahre älter als ich. Und immer hat er versucht mich, seine kleine Schwester, zu schützen. Ich bin der Meinung, dass er schon viel länger wusste wie es um ihn steht und es nur nicht sagen wollte, für uns alle kam das dann doch sehr schnell und überraschend, ich dachte er hat noch viel mehr Zeit.
Mein Bruder lebte 400 km von mir entfernt. Ich bekam morgens einen Anruf von meiner Mutter (die schon ein paar Wochen bei ihm war), dass ich kommen müsse, das traf mich wie aus heiterem Himmel, ein paar Tage vorher war er sogar noch arbeiten.
Ich hab mich dann sofort ins Auto gesetzt, meinen Mann und meinen Vater eigesammelt und bin zu ihm gefahren.
Und ich war rechtzeitig dort!! Ich bin unendlich dankbar dass mein Bruder entschieden hat erst dann zu gehen als wir alle dann da waren und ihn begleiten konnten.
Er starb zu Hausen in seinem geliebten Wasserbett, umringt von seiner Frau, seinen Eltern und seiner Schwester und seinem Schwager. Wir alle erzählten ihm stundenlang dass es ok sei, dass er gehen dürfe und ich versprach ihm auf seine Frau acht zu geben.
Und wenn ich das hier alles so lese merke ich was für ein großes Glück es war, er durfte friedlich gehen. Anfangs rasselten seine Atemzüge wie hier auch schon beschrieben. Aber dann wurden sie immer leiser und langsamer und hörten dann irgendwann einfach auf.
Was ich absolut unglaublich fand war diese so extrem schnelle Veränderung des Körpers nach dem Tod. Wie ich schon schrieb, er hatte keinen Todeskampf, er hört einfach auf zu atmen, aber in absolut genau diesem Augenblick sah er schon ganz anders aus. Ich kann das gar nicht beschreiben, seelenlos trifft es vielleicht am ehesten obwohl es vielleicht bescheuert klingt. Aber in diesem Moment war der Körper einfach nur noch Hülle und er selbst war weg. Spürbar weg. Wir haben auch alle in genau diesem Zeitpunkt nach oben geschaut, wie verabredet, das war einfach unglaublich, fast schon unheimlich.

Ich bin dankbar dass er mich dabei sei ließ, ich bin überzeugt davon, er hätte es verhindern können wenn er es anders gewollt hätte, ich hab immerhin einige Stunden Autofahrt vor mir gehabt bis ich bei ihm war.
Aber er wusste bestimmt wie es mich gequält hätte wäre ich zu spät gewesen...
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Mein Bruder
24.05.1965 - 01.08.2008
in meinem Herzen
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