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Alt 25.04.2004, 04:11
Liz und Willy Liz und Willy ist offline
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Standard Bye bye Dad, I love you .... Alfred 16.2.1972

Liebe Nancy

Ich versuche dir nun noch einmal einen Brief zu schreiben, der erste am Geburtstag von meinem Marc, habe ich wie auch immer gelöscht, ich bin noch nicht so visiert mit dem Internet, strengt es mich doch sehr an zu schreiben und neues zu lernen. Komisch meinem Schatz mit Locken habe ich in dem Vierteljahrhundert seit ich sie kenne fast nie einen Brief geschrieben und hier im KK kommt es nun immer wieder mal vor dass ich es tue! Was ein KK nicht alles auslöst! Nun versuche ich es noch einmal und hoffe, dass ich ihn diesmal nicht wieder lösche... ich glaube nicht das ein dritter versuch gewagt wird von mir.

Ja liebe Nancy, wasch mir nur den Kopf, du hast recht.

Aber gerade an so Tagen wie Geburtstage wird mir schon bewusst wie wertvoll das Leben ist und wie arg es auf der Kippe steht. Wenn ich selber merke wie mein Körper sich immer mehr und mehr verändert und ich innert ein paar wenigen Monaten, Sachen nicht mehr kann, die ich damals noch machen konnte, ist schon hart. Meine Konzentration und körperliche Kraft lässt nach, ich bin wirklich zu nichts mehr zu gebrauchen. Das meine psychische Kraft und Kampfgeist mich im stich lassen schreibe ich auf meine eigene Frust ab der ganzen Situation zu, vielleicht bin ich auch langsam am spinnen und gehöre in die Irrenanstalt. Ich weiss es unterdessen gar nicht mehr. Eines weiss ich aber, viele Gefühle gehen auf und ab mit mir, nein mit uns als ganze Familie aber auch als Betroffene und Angehörige im KK. Dabei wären wir wieder beim Thema Berg- und Talfahrt oder Achterbahnfahrten der Gefühle, der Gedanken der Hoffnung und Zuversicht oder des Glücks. Es liegt einfach alles so nahe beieinander und doch trennen es Welten.

Bewusst mit zu erleben wie der Körper immer mehr von diesen Knubbels zerstört wird und niemand macht nur im Ansatz etwas dagegen oder etwas was dazu beitragen könnte ihn in den Griff zu bekommen oder gar zu bekämpfen, macht mir echt zu schaffen. Diese Ohnmacht die Liz spürt, spüre ich auch, seit Februar immer mehr und mehr. Dass man als Angehörige daneben stehen muss und nichts machen kann und somit Ohnmächtig ist, ist ja noch irgendwie logisch, aber wenn ich selber noch dazu „Verdammt“ wird das gleiche zu tun, stimmt mich schon sehr nachdenklich.

Liz und ich haben heute darüber gesprochen wie stolz ich auf meine Jungs bin und wie ich am Geburtstag von Marc ihm auch sagte, dass ich so stolz auf ihn bin.

Musste er doch während 7 Jahren sich immer ein so weit entferntes, wackeliges, schon fast unreelles Ziel (Lebensziel) vor Augen halten, das ihm die Behörden (Invalidenversicherung) stets zu nehmen versuchte in dem sie ihm eine Verfügung ausstellten und ihn während Jahren dazu verdonnerten nichts zu tun, keine Lehre oder Stelle anzunehmen ohne ihre Einwilligung. In diesen 7 Jahren liessen sie sich Zeit um die medizinischen und beruflichen Abklärungen für ihn zu machen. Kannst du dir vorstellen wie das für einen Jugendlichen und jungen Mann ist einfach so zum „Nichtstun“ verflucht resp. gezwungen zu sein. Der Antrag auf berufliche Abklärung durch die Invalidenversicherung wurde ja gestellt als er noch in der Schule war und noch ein Jahr Schule hatte vor der Berufswahl. Da braucht es nicht viel und ein Mensch wird so instabil, dass er bald den Drogen verfallen ist. Marc war fast so weit, er nahm welche aber Gott sei Dank kein Heroin. Aber weißt du was mich so stolz macht, er hat es trotz seiner schweren Verletzungen die er als Opfer einer Gewalttat davon trug, seiner eigenen schlechten Gesundheit und die von uns beiden, geschafft dass er nicht abgesumpft ist und schwer den Drogen verfallen war, sondern heil raus kam. Er schaffte es mit eigener Kraft in dem vor allem Liz ganz, ganz fest an ihn glaubte. Ich zweifelte so oft daran dass er schaffen würde, heute weiss ich er ist so stark wie ein Bär und kann Berge versetzen. Aber lange glaubte ich nicht daran, heute mache ich mir Vorwürfe, dass ich nicht an ihn glaubte, leider kann ich die Uhr nicht zurück drehen. Ach wenn ich das könnte, würde ich vieles anders machen. Er hat seine weg gefunden, macht eine Ausbildung und hat auch eine Therapie begonnen damit er die Tat bewältigen kann und den Tätern irgendwann einmal ins Gesicht sagen kann „IHR HABT MICH NICHT ZERSTÖRT“. Ihr seid nun die Lackaffen, weil ich immer noch da bin und nicht kaputt ging.

Weißt du was mich auch so stolz macht. Am Donnerstag, Marc’s Geburtstag, sind wir mit Pascal und Cordula auf Marc anstossen gegangen und haben eine Fahrt gemacht in die näheren Mittelgebirgsberge. Wir wollten Marc sehr nahe sein in dem wir en Sonnenuntergang zeitgleich in Basel und in berg beobachteten. Bei dieser Gelegenheit hat Pascal uns mitgeteilt, dass er nächstes Jahr parallel zur Lehrausbildung die Berufsmatur machen will. Wenn ich nicht schon wegen Marc so stolz war und über das Matterhorn hinaus ragte, so bin ich wegen beiden Jungs nun im Himalaja Gebirge gelandet und habe den Mt. Everest erklommen.

Es tut gut zu spüren und wissen, dass sie den weg gefunden haben und wissen wo sie entlang gehen wollen. Ich bin einfach stolz auf sie. Aber sicher ist eines, das haben sie NICHT von mir, sondern von Liz, ihrem Dad, ihrem Onkel und auch von meinem Vati. Ich muss schon eingestehen, dass ich oft den Kopf in den Sand steckte, hoffte so dass alles vorbei gehen würde. Aber es ging nicht vorbei, im Gegenteil es wurde immer mehr. Und doch realisierte ich auch, dass es schon immer ein Auf und Ab war, ob jetzt mir diesem krebs oder mit den anderen Problemen. Und dass es dabei auch immer ein Wirrwarr an Gedanken gab. So auch am Geburtstag als ich Zweifel hatte, seinen 25. zu erleben. Ich bin froh nicht zu wissen was morgen ist, das macht mir viel mehr Angst als das heute, also lassen wir den morgigen Sturm auf uns zu kommen wenn er sich etwas abgeschwächt hat, dann ist es einfacher anzugehen.

Du hast recht es kann uns allen niemand sagen was morgen ist und ob man in einem bestimmten Zeitraum noch da ist, egal ob man Krebs hat oder nicht und doch macht man sich Gedanken darüber. Nur sie dürfen dich nicht beherrschen. Ich habe sie gesprochen, wir haben darüber gesprochen und nun ist wieder Platz für die Kraft um weiter zu (k.....) machen.

Jetzt habe ich echt überlegt ob ich „Kämpfen“ schreiben soll oder nicht, mir sind soeben die Worte einer Onko-Psychologin durch den Kopf gegangen die uns kurz nach der Diagnosestellung sagte, sie finde es falsch wenn Krebspatienten vom „Kampf“ sprechen. Ich frage mich einfach was sie von dem was wir durchmachen eigentlich hält, es ist sicher kein Spaziergang. Einen (Überlebens-)Kampf ist es meines Erachtens aber schon, ja sogar einer der sämtliche Kräfte benötigt, auch die „Reservisten“, um ihn zu gewinnen.

Ach jetzt bin ich aber abgeschweift ... tut mir leid, dabei wollte ich dir eigentlich nur sagen....

Liebe Nancy, ich habe mir geschworen meine Enkelkinder kennen zu lernen.

Da ich Marc und Pascal aber aufgetragen habe sie sollen warten bis sie ihre Ausbildungen fertig haben, wird es noch lange dauern und solange werde ich dem lieben Gott sicher nicht den Gefallen tun vor seiner Türe zu stehen, okay? Er wird noch warten müssen auf mich!

Danke, Nancy für deine lieben Gedanken, die Sonnenstrahlen sind angekommen und haben Einzug im Herzen genommen. Marc habe ich den Geburtstagsgruss ausgerichtet.

Ganz liebe Grüsse an Josephine und streichle mir die Alana ganz lieb, ach vermisse ich unsere Domino. Sei lieb umarmt – Liz ist einverstanden hat sie soeben gesagt. Soll dich auch von ihr noch umarmen.

Bis bald Willy

Da dieser Thread eigentlich von Liz für ihren Dad ist, hoffe ich, dass er weiss was ich über ihn, meine Liz und den Jungs denke, ich sehr stolz bin auf alle auch auf ihn und ich alle über alles liebe.
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