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Alt 14.03.2007, 03:54
Siv Siv ist offline
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Registriert seit: 09.03.2007
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Standard AW: Noch eine Frage ...

Liebe Viola, Irmgard und Heike,

erst mal vielen Dank für eure lieben Worte. Es tut einfach gut sich verstanden zu fühlen und auch Antworten zu bekommen.
Die Situation hat sich leider verschlechtert. Eigentlich sollte bei meinem Vater ja am Freitag die Wunde mit der Fistel zugemacht und eventuell eine Magensonde gelegt werden, aber von einem auf den nächsten Tag haben sich bei ihm die Blutgerinnungswerte massiv verschlechtert, so dass es unmöglich war den Eingriff durchzuführen. Das hat ihn natürlich noch mehr in sein Loch versinken lassen, jetzt ist er fast teilnahmslos.
Meine Mutter wird auch immer mutloser, sieht die Situation als aussichtslos, hat es auch genauso ausgedrückt.
Und ich bin so zwiegespalten. Einerseits sehe ich, wie mein Vater immer mehr abbaut, so dass auch bei mir allmählich Hoffnungslosigkeit eintritt, andererseits gibt es - zumindest laut meiner Mutter - keine neuen Befunde, die dies stützen würden.
Ich war daher vor zwei Tagen an dem Punkt, dass ich beschlossen hatte, das Gespräch mit dem behandelnden Professor zu suchen, ohne vorab meine Schwester und Mutter zu informieren, weil ich hier nur Gegenwehr vermute. Ich habe mich natürlich gefragt, wie es mir an der Stelle meiner Mutter damit ginge, und toll fände ich das auch nicht. Ich habe mich aber auch gefragt, wie ich das an Stelle meines Vaters empfinden würde und bin mir sicher, dass ich das von ihm auch erwarten würde, wäre ich in seiner Situation. Und umgekehrt bin ich mir auch sicher, dass es ihm ebenso geht (so sicher, wie man sich eben in so einer Situation sein kann ...).
Durch die schlechten Blutwerte wurde jetzt aber der Chef-Internist vom Chirurgen zugezogen, eine Sonografie vorgenommen, bei der man keine Metastasen entdeckt hat. Auch eine CT wurde auch vorgenommen, das Ergebnis liegt allerdings noch nicht vor. Das hat mich bis jetzt davon abgehalten, das Gespräch zu suchen. Vor zwei Tagen hätte ich das Gespräch führen können, jetzt bin ich wieder am Zweifeln.
Aufgrund eigener Erfahrungen bezüglich Krankheiten (allerdings nicht in dieser lebensbedrohlichen Form) weiß ich, dass man Antworten nur erhält, wenn man konkret nachfragt, sich selbst informiert und dann Entscheidungen trifft. Und dass dann eher etwas in die "Gänge" kommt.
Mein Mutter sieht Ärzte eher noch als "Halbgötter in Weiß", die man nicht in Frage zu stellen hat. Sie hat Angst sie zu verärgern. Wobei ich eigentlich durchweg positive Erfahrungen gemacht habe, bei meiner eigenen Geschichte. Aber es ist halt einfach schwieriger, wenn es einen nicht selbst betrifft.
Ihr seht, ich bin immer noch zu keiner Entscheidung gekommen, aber ich arbeite daran .

Jetzt habe ich aber noch ein paar Fragen, wäre schön, wenn ihr mir da auch weiter helfen könntet:

@Viola
Zitat:
Zitat von _Viola_ Beitrag anzeigen
Ich kann mir vorstellen, dass Dein Vater nach Hause möchte. Mein Vater wurde auch künstlich, über einen Port, ernährt. Der Pflegedienst kam jeden Tag und hat die Nahrung an- und abgeklemmt. Mein Vater wollte in den letzten Wochen nur noch Ruhe haben, deshalb hatte ich mich schulen lassen. Wenn er aus der Klinik wieder nach Hause gekommen wäre, hätte ich das übernommen. Es ist auch gar nicht schwer. Wichtig ist vor allen Dingen die Desinfektion.
Rein vom Vorgehen her, traue ich mir das schon zu. Wie ich aber schon im Ursprungsbeitrag geschrieben habe, ist mein Verhältnis zu meinem Vater recht zwiespältig. Das ist zwar zur Zeit sehr stark in Hintergrund getreten und ich möchte seine Wünsche, so weit es geht, erfüllen. Aber bestimmte Dinge zu erledigen, die körperliche Nähe verlangen würden, würde meine persönlichen Grenzen eindeutig überschreiten. Und da muss ich einen Strich ziehen, zum eigenen Schutz.

Zitat:
Zitat von _Viola_ Beitrag anzeigen
Der Pflegedienst wurde von der Krankenkasse bezahlt. Ebenfalls wurde die gesamte Nahrung übernommen. Auch ein Pflegebett muss Euch zur Verfügung gestellt werden.
Wann kann ich das beantragen? Wer muss mir die erforderliche Notwendigkeit bestätigen? Kann ich die Pflege zu Hause u.U. auch gegen die Meinung der behandelnden Ärzte durchsetzen?

@Heike
Du schreibst:
Du müsstest wirklich mit dem Arzt reden, vielleicht alleine - ohne die Mutter - oder mit deiner Schwester??

S.o., meine Schwester ist übrigens dagegen, ohne das Wissen meiner Mutter das Gespräch mit dem Chefarzt in seiner Sprechstunde zu suchen.

Dass dein Vater seinen Lebensmut nach so vielen Wochen im Krankenhaus verloren hat, ist mehr als verständlich!! Mein Vater war "nur" 9 Wochen drin und wollte zum Schluss nur noch nach Hause, er war fix und fertig, die Behandlung war köperlich und seelisch eine sehr belastende Tortur; ich habe ihn das erste Mal im Leben weinen sehen. Das war schrecklich. Als er dann endlich zu Hause war, ist auch sein Optimismus langsam wieder zurück gekommen.
Dass er seinen Lebensmut verloren hat, kann ich verstehen. Genauso wie seinen Wunsch nach Hause zu kommen. Und meine Hoffnung ist eben genau die, die Du von Deinem Vater geschildert hast: Dass bei meinem Vater auch der Optimus zurückkehrt und er auch wieder die Kraft findet zu kämpfen. Ihm ist in seinem Leben selten etwas geschenkt worden, er hat immer kämpfen müssen. Das kann er. Aber nicht, wenn er in einem Bett gefesselt ist, in einer ohnmächtigen Situation, die für ihn kaum zu ertragen ist. Da sind wir uns, auch wenn es mir nicht gefällt, sehr ähnlich.

Wenn es der größte Wunsch deines Vater ist, endlich nach Hause zu kommen, dann versucht einen Weg zu finden (warum geht redet er von 3 Monaten?). Kann das Krankenhaus Pflegedienste nennen? Uns wurde z. B. vom Krankenhaus eine Pflegerin genannt, die die Magensonde "wartet", meine Mutter hat sich das nicht zugetraut und mein Vater kann es selber nicht.
Diese 3 Monate sind irgendwann mal in einem Gespräch gefallen, frag mich bitte nicht wie meine Mutter auf diesen Zeitraum gekommen ist. Das sind alles Horrorszenarien im luftleeren Raum. Denn von ärztlicher Seite gibt es da keine Aussage zu. Im Zusammenhang mit der heutigen Sonografie, bei der keine Metastasen entdeckt wurden, ist es noch unwahrscheinlicher ...
Mir ist klar, dass kein Arzt eine genaue Prognose geben kann, selbst wenn ich persönlich mit ihm rede. Aber ohne Wissen von irgendwelchen Werten oder anderen Fakten, anhand derer man eventuell einschätzen kann, wie die Situation tatsächlich aussieht, ist das ganze reine Spekulation. Aber aus welchen Gründen auch immer, will meine Mutter nichts genaueres wissen. Und ich frage mich natürlich auch, habe ich ein Recht darauf dies zu fordern, wenn es sie so offensichtlich nicht will?
Was die Pflegedienste betrifft, ich habe mir schon die entsprechenden Adressen hier aus der Umgebung besorgt und erste Gespräche geführt. Wenn das Thema wird, werde ich vorbereitet sein und das zügig in die Wege leiten können (Ein Vorteil, den ich als Sozialpädagogin habe. Denn obwohl ich in anderen Bereichen gearbeitet habe, kenne ich ne Menge Kollegen, die mir da gut weiterhelfen können).

@Irmgard
Ich selbst habe 3 erwachsene Kinder
und bin vor 1 1/2 Jahren operiert worden. Das hat sicher auch mit der Nähe zu tun, die ich für meine Kinder empfinde. Je weiter weg(emotional) jemand von mir ist, desto leichter fällt es mir oft mit ihm darüber zu reden. Mein Mann stellt da eine große Ausnahme dar, auch da ist es natürlich schwer. Aber bei den Kindern ist es besonders schwer, denn sie bleiben letztendlich immer in der Position unsere Kinder zu sein, auch wenn ich sie als erwachsene Menschen sehe.

Im Moment geht es mir weniger darum, dass wir über bestimmte Dinge reden. Mein Vater war diesbezüglich schon immer verschlossen, und das erwarte ich auch nicht von ihm. Wie es ihm geht, sehe ich, wenn ich ihn besuche. Diese Leere in den Augen, oder die Tränen, die sich ohne jeden Anlass in seinen Augenwinkeln sammeln... Da muss ich nicht mehr reden.
Und meine Mutter redet sehr offen mit mir. Ich weiß, dass ich eine wichtige Stütze für sie bin, genau deshalb fällt es mir ja so schwer, meinen eigenen Wünschen zu folgen und das direkte Gespräch mit dem Chefarzt zu suchen. Ich will ja beiden gerecht werden. Und wer bin ich, der entscheiden kann, was richtig für meine Eltern ist? Meine Mutter ist die erste und einzige Bezugsperson für meinen Vater: Welches Recht habe ich da, mich einzumischen?
Aber da Du Mutter von drei Kindern bist und selbst diese Krankheit gehabt hast: Wenn diese Frage nicht zu intim ist (ich würde mich auch über Antwort per pn freuen), würde ich gern wissen, wie Du es empfinden würdest /empfunden hättest, wenn Deine Kinder Deinen Partner und seine Wünsche bezüglich Deiner Krankheit und der Informationsübermittlung übergangen hätten?

Ist schon wieder ein sehr langer Text geworden, aber da sieht man halt, Schreiberling am Werk .

Viele Grüße,

Siv

Geändert von Siv (14.03.2007 um 03:58 Uhr)
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