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Alt 23.08.2004, 15:52
Gast
 
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Standard Ich hab so Angst

Hallo Ihr alle,

auch ich habe einen lieben Vater, der 65 Jahre alt ist und seit Oktober 2003 die Diagnose Darmkrebs mit Lebermetastasen bekommen hat. Die Diagnose kam eher "zufällig", da der Hausarzt mit dem Ultraschallgerät abgerutscht ist und ausversehen auf die Leber geriet. Dann kam alles ins Rollen, die Welt war nicht mehr so, wie vorher. Als ich es erfahren habe (ich war mit beim Arzt, habe meine Eltern heimgefahren), hab ich nur noch weinen wollen - aber ich will vor Papa doch stark sein... Er wurde schnellstens operiert - der Tumor im Darm wurde entfernt und Papa war so tapfer! Es gab Zeiten, an denen stand ich an seinem Bett im Krankenhaus und er hat mich nicht angesehen und nichts gesagt - ich war so hilflos! Der Darmtumor konnte gott sei dank entfernt werden - aber leider sind die Lebermetastasen wohl so viele und überall an der Leber, so dass diese nicht operiert werden können. Meine Eltern - vor allem Papa - möchte gar nichts über die Krankheit und deren Verlauf wissen - schon damals, im Krankenhaus nach der OP wollte er nicht wissen, wie viele Metastasen und wie groß... Da ich mit meinem Mann nächtelang im Internet nach Hilfe gesucht habe und auch verschiedene Methoden gefunden habe, z.B. Hyperthermie oder LITT, wollte ich wissen, ob die Möglichkeiten auch für meinen Vater gelten. Sven und ich haben es geschafft, den Arzt des Klinikums zu sprechen, der uns dann auch gesagt hat, wie es wirklich um ihn steht. In dem Moment, als er sagte, es hilft nur noch, für ihn da zu sein, ist für mich meine bis dahin doch recht heile Welt zusammengebrochen. Es tut so weh, nicht helfen zu können! Dennoch muss ich es mit mir selbst und meinem Mann ausmachen, dies zu wissen - niemals möchte ich es Mama sagen! Es ist furchtbar, solche Dinge zu wissen und nicht teilen zu können - andererseits denke ich mir - wenn wir nicht auf ein Wunder hoffen - wer tut es dann?
Bei uns zuhause gab es trotz erfolgreicher OP nur noch Tränen (v.a. meine Mutter, meist heimlich) und mein Papa war nicht mehr wieder zu erkennen - er hat nur noch da gesessen und sinniert. Ihm wurde ein Port gelegt und es ging mit der Chemo los, 1x wöchentlich 24 h. Einerseits war es gut, dass der Arzt mir damals schonungslos die Wahrheit gesagt hat - hätte ich mir vielleicht sonst nicht die Zeit genommen, jeden Abend bei meinen Eltern zu sein. Die Stimmung hat uns alle aber richtig runter gezogen, Sven und ich haben uns überlegt, wie wir für Papa noch dasein können - auch, wenn wir arbeiten. Papa hat währenddessen viel von früher erzählt, unter anderem, dass er und die Großeltern Katzen hatten - und mein Mann und ich haben daraufhin beschlossen, ihm und Mama eine kleine Katze zu "schenken". Ich weiß, dass man Tiere nicht verschenken soll - trotzdem war die Hoffnung da, dass Papa endlich aus seinem Sinnieren aufwacht. Meine Mutter wusste nichts davon, sonst hätte es nicht geklappt, und so haben wir die Katze im Dezember 03 zu meinen Eltern gebracht. War das schön! So leuchtende Augen bei meinem Papa, er hat sich so gefreut!!!
Meine Mutter wollte sie anfangs nicht - trotzdem hat sie aber nicht gleich "nein" gesagt und mit Papa ging es aufwärts! Er hat gelacht und mit der Katze, Luca genannt, gespielt - so viel lachen hab ich ihn nicht mal vor der Diagnose gesehen. Seitdem ist Luca nicht mehr wegzudenken aus unserer Familie und für mich ist sie ein kleiner lieber Gott für meinen Papa.

Anfang Juli 04 hat Papa angeordnet bekommen, dass die Chemo, die er bis dahin konstant 1x Wö bekommen hat und die er (durch Misteltherapie, Enzyme und Luca?!) super vertragen hat, erst mal pausieren soll. Es wurde wieder Ultraschall gemacht und CT - und der Chemoarzt hat ihn beglückwünscht - die Werte sind toll, die Metastasen zurückgegangen - wir waren happy!
Mama und Papa haben sich entschlossen, dass Papa erstmal ausspannen und zur Kur kommen soll - um die Kur zu beantragen, hat der Hausarzt meinen Eltern den letzten Befund des Chemoarztes mitgegeben. In der Arbeit habe ich einen Anruf meiner Mutter bekommen - sie hatte den Befund geöffnet und gelesen: Es stand darin, dass sich nichts geändert hätte seit Beginn der Chemo - es wird erstmal eine 3-monatige Pause vorgeschlagen (ich könnte vermuten, weil sie nicht mehr weiter wissen?!) und danach muss die Behandlungsmethode sich ändern. Natürlich war meine Mutti am Boden zerstört - Papa hat angeblich den Befund nicht gelesen.... Hat er aber doch - ich bin mir sicher - denn seit diesem Tag war Papa anders. Er bat mich, doch nochmals im Internet zu suchen, denn von all den LITT- und anderen Behandlungen, von denen ich ihm am Anfang nach der OP erzählt hatte, wollte er damals nichts wissen, das war einfach zu viel. Jetzt sagte er "Tanja, bitte, ich möchte noch was tun, schau bitte nach, was kommt für mich noch in Frage außer Chemo?"
Ich versuchte, über den Freund eines Kollegen, der Professor in Nürnberg ist, an Tipps und Infos zu kommen, dort wurde mir gesagt, dass so viele Mädels versuchen, ihren Vater zu retten - wenn er alle sprechen würde, könnte er seine Praxis zumachen... Manchmal hab ich das Gefühl, ich bin wirklich ganz allein, niemand der Ärzte nimmt den Mensch als Mensch war - das kann doch nicht sein! In Frankfurt bei Prof. Vogel angerufen, hieß es, wir sollen ihm die Unterlagen zusenden, er würde dann entscheiden, ob er Papa behandeln kann. Ich hab mich so klein gefühlt, man ist so hilflos auch den Ärzten gegenüber....so bin ich dann zu Papas Hausarzt, dem ich die ganzen Infos über LITT gegeben habe und er versprach mir, Papa zu unterstützen und ihn nach Frankfurt zu überweisen. Von da an ging alles ganz schnell: am 23. Juli wollte Frankfurt meinen Papa sehen! Ich hab so gehofft und gezittert - und beide, Mama und Papa kamen abends heim und waren nicht wieder zu erkennen: Man hatte Papa in Frankfurt abgelehnt, weil die Metastasen bereits zu groß und zu viele sind - bis zu dem Zeitpunkt wusste Papa nicht wirklich, dass es so schlimm um ihn stand. Und seitdem - und auch, seit er keine Chemo mehr bekommt, ist er zusehends stiller und sieht schlechter aus! Das hab ich doch nicht gewollt! Ich wollte ihm doch nur seine Bitte erfüllen, noch etwas außer der Chemo zu tun - und dass die Ärzte ihn in Frankfurt so viel seiner Hoffnung nehmen, ihn so zurückfahren lassen - mein Gott, ich hab doch gehofft, dass LITT für ihn das Richtige ist! Seitdem mache ich mir solche Vorwürfe, dass es meine Schuld ist, dass es ihm nun zusehends schlechter geht - ich weiß nicht mehr, was ich noch machen kann! Letzen Freitag, den 20. August, musste Papa in die Ambulanz - er ist plötzlich ganz gelb am Körper und auch die Augen... Meine Mutter meinte, es sei Gelbsucht - die Ärzte haben Papa aber übers Wochenende wieder nach Hause geschickt - es sei vielleicht eine Metastase, die auf den Gallengang drückt... Heute morgen war er beim Chemoarzt, der alle Untersuchungsergebnisse bei sich hat - der konnte nichts feststellen beim Ultraschall und hat ihn wieder nach Hause geschickt - er solle sich schonen, für Chemo sei es noch zu früh - und das müsste von selbst wieder vergehen! Außerdem hat das Klinikum am Freitag schon festgestellt, dass er Wasser im Bauch hätte...
Wer hat denn damit Erfahrungen gemacht - ich glaube den Ärzten schon gar nicht mehr richtig - das kann doch nicht einfach von selbst wieder weggehen, oder? Papa sieht schlecht aus und hat solche Angst - er redet leider gar nicht über sich und diese Angst - ich merke ihm aber alles an und weiß, wenn er nicht schlafen kann, wie es ihm zumute ist...Was kann ich nur tun???
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