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Alt 15.11.2010, 07:51
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

"Somewhere over the rainbow
Way up high
And the dreams that you dreamed of
Once in a lullaby ii ii iii
Somewhere over the rainbow
Blue birds fly"

Sonntag Morgen. 9 Uhr. Das Fenster ist weit offen, die Luft kalt und klar. Auf der anderen Talseite scheint bereits die Sonne. Hier ist noch Schatten. Ich stehe am Fenster.

Am Samstagabend zum ersten Mal kurz nach 22 Uhr auf der Couch eingeschlafen. Aus dem Radio dudelte leise Musik. Irgendwann wieder wach. In der Küche mach ich mir einen Tee, eine Zigarette. Was mach ich jetzt? "Verdammt nochmal! Ab in die Heia! Es ist mitten in der Nacht." Noch zweimal wach geworden, Licht an und die Uhr sagt: "Umdrehen. Weiterschlafen." Um 1/2 8 werde ich wieder wach. Mann, ich hätte noch Zeit. Erst um 11 soll ich im Laden sein. Nix mehr schlafen, die Gedanken rotieren. Weit zurück. Dieses blöde Lied geht mir durch den Kopf.

"And the dreams that you dreamed of
Dreams really do come true ooh ooooh
Someday I'll wish upon a star
Wake up where the clouds are far behind me ee ee eeh
Where trouble melts like lemon drops
High above the chimney tops thats where you'll find me oh
Somewhere over the rainbow bluebirds fly
And the dream that you dare to,why, oh why can't I? i iiii"


OK, der Kaffee ist fertig. Ein Brot mit Marmelade zum Frühstück. Menschen, die ich mag, gehen in Gedanken durch meinen Kopf. Sie sind so weit weg. "Dreams really come true ......" Wers glaubt? Telefon. Wer soll das sein?

"Papa, bist du fit? Kannst du gleich in den Laden kommen? Das Material zum Wickeln ist fast alle."
"Bin ich."
"Die Muschelzypresse. Kannst du die mitbringen?"
"Das dauert aber ein bischen. Muss sie zuerst schneiden."
"Jaaa, du brauchst nicht zu hetzen."

Am PC suche ich auf die Schnelle dieses Lied. Den Songtext hab ich schnell. Abspeichern. Das Originalvideo ist auf Youtube verschwunden. Irgendwelche Rechte, was weiss ich. Mist. Schnell ins Bad, anziehen und dann runter in den Garten. Die Muschelzypresse stört eh. Sie steht zu nah an der Treppe. Jedesmal, wenns geregnet hat, macht man sich die Hose nass im Vorbeigehen. Ich wollte sie schon absägen, hab sie aber stehen lassen für genau diesen Zeitpunkt. Sie ist sehr dicht und schön gewachsen. Ideal zum Binden. Schade? Nö, nicht schade. Es muss und wird sich eh noch viel ändern hier. Um 10 Uhr bin ich im Laden.

Seit 8 Uhr stehen die Beiden am Bindetisch. Der wurde mit Pflastersteinen notdürftig erhöht. So geht es besser. Strengt nicht so an bei dieser verkrampften Haltung. Am Abend vorher bat Töchterlein um eine Massage ihrer Schultern. Langsam taste ich ihren Nacken und die Schulterblätter ab. Ich kann mirs nicht verkneifen.

"Da ist es?"
" Aaaaaaaaah ........... Genau da!"

Töchterlein schlägt mit der Hand auf den Tisch. Ich habs gefunden. Dann doch vorsichtig massieren. Es wird besser. Töchterlein entspannt sich.

"Well I see trees of green and
Red roses too,
I'll watch them bloom for me and you
And I think to myself
What a wonderful world"

Im Hof, der riesige Haufen an Schnittmaterial ist ziemlich geschrumpft und sieht wüst aus. Ein ziemliches Durcheinander inzwischen. Töchterleins Freund kommt vorbei zum Helfen. Zu Hause hat er an der Buchführung gearbeitet. Ich sortiere das Schnittmaterial. Einiges kann man entsorgen. Ihr Freund räumt im Laden noch auf. Berge an Schnittabfall müssen entsorgt werden. Er macht das.

Drinnen sind Türkränze angesagt. Die Ersten sind in Arbeit. Grosse Kränze aus Korbweide. Weiss, natur. Ergänzt und verziehrt mit den gewickelten Kränzen, Sternen, Kugeln, Bändern, Perlen. In weiss, in grün, in Rot, in violett gehalten. Entsprechend wird nachher der Laden dekoriert. Hinten, im Büro, hängen bereits ein paar Hundert kleinere Sachen an der Decke. In den gleichen Farben.

"Well I see skies of blue and I see clouds of white
And the brightness of day
I like the dark and I think to myself
What a wonderful world"

Töchterlein pfeffert einen grossen Tannenzapfen in die Ecke.

"Ich bin müde! Mir fällt nix mehr ein. Das Ding gefällt mir so nicht! Wie lange machen wir noch?"
"Na, eine Stunde geht noch. OK? Geh mal raus und rauch ne Zigarette." Sagt die Angestellte.

Ich steh auf und geh in die kleine Küche. Ich weiss, was ihr jetzt gut tut. Ein Colabier. Ausnahmsweise. Mit dem Glas geh ich nach draussen.

"Komm, trink mal nen Schluck."
"Danke, Papa."
"Weisst du eigentlich, wie stolz ich auf dich bin? Hab ich dir das schon mal gesagt?"
"Wie kommst du jetzt darauf?"
"Na hör mal! Die Binderei ist doch nicht alles. Die Vorarbeit dazu ist doch genau so wichtig. Ich seh das genau, was du leistest. Was nützt es dir, Kränze zu wickeln und das übrige Material ist nicht da? Ständig musst du nach vorne denken. Und das klappt. Das alles schaffst du mit Bravour. Dass du mal nen Durchhänger hast, wundert mich nicht."
"Danke."

Ich geh nach drinnen wieder in die kleine Küche. Stütze mich auf die Platte und denke: "Wie schaffst du das?" ...... "OK, du schaffst das auch. Musst!"

"The colors of the rainbow so pretty in the sky
Are also on the faces of people passing by
I see friends shaking hands
Saying, "How do you do?"
They're really saying, I...I love you
I hear babies cry and I watch them grow,
They'll learn much more
Than we'll know
And I think to myself
What a wonderful world (w)oohoorld"


Dieses Lied verfolgt mich seit gestern Nachmittag. Es lief im Radio. Töchterlein drehte die Lautstärke auf volle Pulle. OK, ich mag es ja auch. Doch ich konnte es nicht hören. Bin aufgestanden. "Ich geh mal eine rauchen...." Draussen. Es wird langsam dunkel. Die Sonne blinzelt noch. Die Zigarette ist alle. Den Kopf im Nacken, die Hände zur Faust geballt: "Hör auf! Hör endlich auf!"

"Someday I'll wish upon a star,
Wake up where the clouds are far behind me
Where trouble melts like lemon drops
High above the chimney top that's where you'll find me
Oh, Somewhere over the rainbow way up high
And the dream that you dare to, why, oh why can't I? I hiii ?"

Es wird dann doch eine Stunde später. Der Laden ist aufgeräumt, der Boden gefegt, die Abfallkübel sind leer. 16 Uhr ..... Feierabend.

"Weisst du, was ich gerade denke?"
"Nö, erzähl's mir."
"Wenn deine Mama noch da wäre, würde hier ein dritter Bindetisch stehen. "
"Genau. Und sie würde mich nach Hause schicken: du hast genug gearbeitet, ich mach noch sauber. "
"Genau so "

Somewhere over the rainbow ....................


Alles Liebe

Helmut

PS: Den Text zu diesem Lied hab ich aus der Version von Israel Kamakawiwo Olé. Soweit ich mich erinnere, ist das Original von Louis Armstrong. Kann mich jetzt auch irren.
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