Einzelnen Beitrag anzeigen
  #92  
Alt 07.11.2014, 14:30
Sybilles Sybilles ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 16.08.2005
Ort: Backnang (BW)
Beiträge: 438
Standard AW: Ovarialkarzinom mit Peritonealkarzinose und Omental cake

Hallo Ihr Lieben

vielen Dank für die Anteilnahme. Es waren sehr harte Tage dort oben. Mein Schwager ist definitiv nicht in der Lage sich um irgendwas zu kümmern. Er hat sehr eingeschränkte Denkfähigkeiten. Meine behinderte Nichte ist intelligenter als er. Ich habe die meiste Zeit mit Schreibereien, Gesprächen, Telefonaten usw. zu tun gehabt. Die Personen haben sehr schnell bemerkt, dass sie bei meinem Schwager nicht weit kommen.
Mein Bruder und ich haben dort aber auch 3 sehr tolle Frauen kennengelernt, die ich von der Erzählung meiner Schwester bereits kannte. Sie haben sich in den vergangenen Wochen sehr um meine Nichte bemüht. Eine dieser Frauen hat sich angeboten die Familienpflege zu übernehmen. Damit sie aber dafür bezahlt wird müssen zig Anträge gestellt werden. Es waren bereits sehr viele Ämter informiert. Ich habe mich beim Jugendamt für diese Frau stark gemacht. Sie wirkt sehr couragiert und energisch. Sie ist selbständige Autorin und Lektorin. Ich habe den Herrn vom Jugendamt, der eigentlich wollte, dass mein Schwager und meine Nichte zu ihm kommen, aufgefordert in die Wohnung zu kommen und sich selbst ein Bild zu machen.
Dort sah es grauenvoll aus. Die hygienischen Zustände katastrophal. Ich wollte eigentlich gleich wieder weg ins Hotel. Mein Schwager hat aber geweint und uns gebeten nicht zu gehen, auch als ich ihm gesagt habe, dass ich mich vom Hotel aus kümmere. Wir haben dort nichts zu Essen oder Trinken bekommen. Dafür haben wir selber gesorgt, auch dass die beiden was haben. Der Kühlschrank war voll mit abgelaufenen Lebensmitteln. Wir haben dort sehr viel Geld ausgegeben. Mein Schwager geht wohl regelmäßig einkaufen, aber was im Kühlschrank war ... na ja, Fettreich, kein Gemüse, kein Obst, Salat nur für die Meerschweinchen. Meine Nichte war mal mit mir einkaufen, ich habe ihr eine Flasche Kakao spendiert. Sie war davon total begeistert. Wir haben ihr jetzt einige Flaschen gekauft. Ist zwar auch nicht das ideale Getränk, aber besser als wenn sie gar nichts trinkt. Ich habe den Frauen gesagt, dass ich dafür sorgen werde, das L-T aus der Wohnung rausgenommen wird, falls nicht bald in irgendeiner Form eine Betreuung funktioniert. Die Lehrerin von ihr war auch bei der Beerdigung und hat sich erboten, dass sie mir regelmäßig Bericht erstattet. Ich habe dort oben wirklich viele nette Menschen kennengelernt, die bereit sind zu helfen. Aber es muss einfach eine fixe Person da sein, die sich um alles kümmert. Er kann nicht lesen, nicht schreiben, nicht rechnen, nicht denken. An der Beerdigung habe ich erfahren, dass er nicht mal geschäftsfähig sein soll. Er hat aber die Verträge für die Bestattung und den Grabstein unterschrieben. Da hoffe ich, dass es da keinen Ärger geben wird.
In einigen Anträgen, die ich ausgefüllt habe, steht eindeutig drin, dass man sich bei unwahren Angaben strafbar macht. Ich habe jetzt einen Brief dazu formuliert, dass ich nur auf die Angaben meines Schwagers und der vorhandenen - und einsehbaren - bzw. kopierten Unterlagen angewiesen war und deshalb für die Richtigkeit nicht garantiere. Ich muss mich da aus der Verantwortung nehmen.

Dort oben im Norden ist es üblich, dass Verstorbene nochmals gesegnet werden, wenn sie im Sarg liegen. Mein Schwager und L-T wollten nicht dabei sein. Sie wollten meine Schwester nicht mehr sehen, obwohl sowohl Pastor als auch der Bestatter meinten, dass das wichtig wäre. Wir haben es letztlich so gemacht, dass meine Nichte an der Tür stehen geblieben ist und mein Schwager nur kurz im Zimmer war. Ist, glaube ich, auch besser so gewesen.
Ich hätte meine Schwester auf der Straße nicht erkannt. Man hat ihr sehr deutlich angesehen, dass sie wirklcih sehr schwer krank war. Ich habe ihr nochmal versprochen, dass ich auf ihr Kind aufpasse. Ich werde auch alles daran setzen das zu halten.
ich habe sehr viele Schreibarbeiten mit nach Hause genommen. Hier kann ich in Ruhe arbeiten. Das Wichtigste ist zunächst einmal erledigt.
Die Trauerfeier und das anschließende Kaffeetrinken war sehr schön. Meine Schwester hätte sich gefreut.

Wir sind natürlich in den totalen Supergau des Bahnstreiks geraten. Ich habe am Mittwoch nach der Beerdigung nochmal bei der Bahn angerufen und mir die Ersatzzüge nennen lassen und gleich online auch noch Sitzplätze gebucht. Leider ist nur der erste Zug gefahren. Die anderen sind ausgefallen bzw., nachdem der erste ICE nicht gefahren ist, waren die anderen auch wieder weg. Nach langem Hin und Her und frieren auf den Bahnhöfen bei den langen Wartezeiten, sind wir um 21.30 Uhr gestern hier angekommen. Reguläre Ankunft wäre 17.20 Uhr gewesen. Ich habe mir die Formulare für die Erstattung bereits geholt. Ich bin total platt, ich habe so gut wie nicht geschlafen und dachte eigentlich, dass ich die Nacht zuhause besser schlafe, es ist aber noch so viel zu erledigen. Das ist mir nicht aus dem Kopf gegangen. Ich mache mir auch große Sorgen um L-T. Ich muss mich in den nächsten Tagen etwas mehr abgrenzen.

Jetzt habe ich euch wieder viel erzählt. Ich hoffe, dass es nicht zu viel für euch ist. Ich werde hier immer mal wieder reinschauen und euch berichten
__________________
Liebe Grüße

Sybille
Mit Zitat antworten