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Alt 14.06.2008, 12:56
Hanka27 Hanka27 ist offline
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Standard die tollste Frau der Welt, meine Mutter

Hallöli.

oft habe ich dieses Forum als Betrachterin besucht zu Zeiten als ich noch meine Mutti hatte... doch jetzt muss ich schreiben, ich muss es einfach loswerden, das Verdrängen geht nicht mehr...

Nun ist es 8 Monate her, seit meine Mutti aufgehört hat zu kämpfen, der Gegner war dieses letzte Mal einfach zu stark. Lange Zeit habe ich alleine versucht mit ihrem Tod klarzukommen, ja mein Mann hat mich toll unterstützt aber er hat noch beide Eltern und weiß eigentlich gar nicht wie ich mich fühle. Bei Freunden habe ich manchmal das Gefühl, dass man sich wundert, dass ich es "immer noch nicht" verkraftet habe...
Doch ich habe das furchtbare Gefühl, dass es mit der Zeit nicht besser sondern schlimmer wird...

Ich dachte immer, es sei viel einfacher als Erwachsene seine Eltern zu verlieren, da man mitten im Leben stünde, vielleicht selbst schon eine Familie gegründet hat... Mein Vater ist gestorben als ich 12 war, meine Mutter kämpfte 8 Jahre mit dem Krebs und starb als ich 26 war. Sie starb 3 Monate vor ihrem 50 Geburtstag. Sie war jung, vital und fitter als ich...

Ich habe lange gebraucht um zu verstehen was da eigentlich passiert ist. Es ging einfach alles zu schnell. Vor 8 Jahren wurde ihr die linke Brust und eine Menge Lymphknoten entfernt, dann war vier Jahre Ruhe, wir dachten es sei überstanden... Doch dann ging es von neuem los, mit kleinen OP´s, Chemotherapien in Tablettenform und Bestrahlung.
Sie hat alles tapfer überstanden und nie ihren Lebensmut und vor allem niemals die Hoffnung verloren, bis wir im März letzten Jahres in Heidelberg in der Klinik waren. Im Januar war sie wieder wegen Geschwüren im Krankenhaus, danach wollten wir eine zweite Meinung einholen und fuhren nach Heidelberg. Man sagte uns, sie würde zwar nie wieder gesund werden, da Krebs nun mal so wäre, aber sie könnte trotz allem alt werden, abgesehen von den Krankenhausbesuchen und irgendwelcher Therapien.
Ja wir hatten noch Pläne. Mein Mann und ich hatten ein Haus gekauft, planten eine Familie und meine Mutter sollte zu uns ins Örtchen ziehen um in der Nähe zu sein. Urlaub wollten wir gemeinsam machen... Lesungen besuchen...
Und dann ging alles so schnell. Innerhalb von 8 Wochen ist ihre verbliebene Brust angeschwollen, tat sehr weh und als sie beim Arzt war ging es schnell ins Krankenhaus, die ganze Brust musste ab, ich habe sie danach ohne Verband gesehen, überall diese Narben, die Geschwüre die durch die Haut nach außen sichtbar wurden. sie sah so entstellt aus... Die Ärzte haben sie entlassen und mir vielsagend in die augen geschaut und gesagt "das ist sehr ernst" ah, das weiß ich doch. es ist doch krebs dachte ich. doch niemand hat uns gesagt, dass überall im Körper sich Metastasen breit gemacht haben. Ein junger Arzt der mit uns das Abschlussgespräch führte sagte sogar noch: Sie werden wohl ab und zu bei uns vorbeischauen, aber sie haben noch ein LEBEN vor sich. Er machte uns Hoffnung!!!! Sie wurde entlassen und das Wasser in ihrem Körper fing an sich in ihrem Körper auszubreiten. Die Beine schwollen an, sie hatte Schwierigkeiten beim laufen, es wurde so schlimm, dass sie verkrampft da lag, weil es sie im Magen drückte... Als dann Frauenarzt sich ein Bild von der Lage gemacht und im Krankenhaus angerufen hat um sie nochmals zu operieren, lehnte man dies ab. Die Frau sei voll mit Metastasen und wird sterben. Es ist nichts zu machen...
Daraufhin habe ich sie in eine Klinik nach Mannheim gebracht, dort startete man sofort mit der Therapie. Meine Mutter wollte kämpfen, also wurde alles versucht. Innerhalb von ein paar Tagen hat man das Wasser rausgezogen, ihr einen Port für die intravenöse Ernährung gesetzt und eine Chemo angefangen. Da sah meine Mutti nur noch aus wie Haut und Knochen. Sie wollte aber kämpfen, sie wollte leben und deshalb hat sie das über sich ergehen lassen... das was wir in diesen drei wochen erlebt haben versuche ich stets zu verdrängen... die narben, die infusionen das weinen, ich war mit der situation restlos überfordert. es war auch noch kurz vor meiner hochzeit. also sprang ich zwischen Hochzeitsvorbereitungen und meiner todkranken Mutter hin und her... Sie wollte unbedingt, dass die Hochzeit stattfindet, sie wollte sich sicher sein, dass ich endlich unter der Haube bin...
3 Wochen vor der Hochzeit ist sie dann gestorben. Der Krebs war zu aggressiv. Er war überall in ihrem körper...

Nun stelle ich fest, dass der Geist nicht alles auf einmal verarbeiten kann. Was ja auch gut so ist. aber manchmal mache ich mir riesige Vorwürfe, dass ich schon nicht früher eingegriffen habe (sie war immer so stark, ich dachte sie hätte alles im Griff), dass ich schon nicht früher noch mehr Ärzte konsultiert habe, dass ich nicht Tag und Nacht bei ihr saß, sondern mir noch Zeit nahm um wieder aufzutanken. Dass ich in den Jahren viel zu egoistisch war, mir mein eigenes Leben aufbaute, Karriere machen wollte und doch hätte mich vielleicht mehr um sie kümmern können??? Habe ich sie mit ihren Ängsten und Sorgen alleine gelassen??? Fühlte mich immer schuldig weil sie keinen Partner hatte...

Die Lücke die durch ihren Verlust entstanden ist, macht mir sehr zu schaffen, sie macht sich jetzt immer deutlicher bemerkbar. Sie war ein solch belesener und wissender Mensch, dass mir diese Gespräche unendlich fehlen, ich finde einfach keinen Ersatz. Der höhere Sinn des Lebens ist mir irgendwie verloren gegangen. Es kommt mir alles so tot vor...
Ich versuche nicht alleine zu sein und wenn ich es dann doch bin, trifft mich die Realität so hart, dass ich nicht weiß wie ich damit umgehen soll.
Gern würde ich glauben, dass wir uns irgendwann irgendwo wiedersehen, da ich aber noch nie sonderlich gläubig war fällt mir das seeeeehr schwer...

Ja, falls es jemand mit dem Lesen geschafft hat bis hier unten anzulangen: DANKE.
Es musste einfach mal raus und hier habe ich das Gefühl, dass ich bei Menschen angekommen sind, die Ähnliches durchmachen, dass man hier verstanden wird...

Hanka
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