Thema: Ein Jahr...
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Alt 05.02.2010, 20:55
Esmiralda Esmiralda ist offline
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Standard AW: Ein Jahr...

Bin ich anders?
Ihr schreibt hier so frei und offen über Eure Empfindungen, den Umgang mit der Trauer, der Verarbeitung des Verlustes, ich hab mich bisher nie getraut, auch nur ein Wörtchen darüber zu sagen, gechweige zu schreiben, vielleicht wirds mir besser gehen, wenn ich mal etwas loswerde.
Eigentlich gehöre ich ja nicht hierher, bin zwar selbst Betroffene, auch Hinterbliebene, denn mein Mann starb vor 20 Jahren ohne Abschied, beiderseits ohne einen Gedanken an einen evtl. Tod (er war im KH wegen starker Luftnot aufgrund einer Bronchitis) innerhalb von 3 Tagen. Diesen Schock hab ich bis heute nicht überwunden, habe ihn nur verdrängt, tief in mir vergraben und lebe mit dem Gedanken... er ist nicht da, nun gut...war ja früher auch so wenn er auf Dienstreise war.
Mein Problem nach lesen all Eurer Beiträge ist die Feststellung, zwar mit meinem ganzen Wesen Anteil am Geschick anderer zu nehmen, am Schmerz, der Verzweiflung und der Hoffnung, die in Euren Beiträgen ausgedrückt wird, empfinde genau wie Ihr die Leere in der Wohnung, das Fehlen der Gemeinsamkeit die Gespräche, die Gefühle, das gegenseitige Verständnis und doch ist in mir etwas, das für meine eigene Person alles abblockt, es wie einen fernen Traum erscheinen läßt und die Wirklichkeit negiert
Seit dem Tode meines Mannes, als ich in dieses Loch fiel, spiele ich wohl nur noch Theater, zeige nach außen Mut, Kraft und Zuversicht, drum wird auch gesagt, ich vermittle Zuversicht, Mut und Kraft (stimmt es so wirklich, vielleicht nach außen ja, daß ist auch meine Absicht anderen zu helfen, aber ist es so für mich richtig?)
Ich stürzte und stürze mich immer noch in viel ehrenamtliche Arbeit, packe mich voll mit Aufgaben, betreue soweit es mir möglich ist Alte, Kranke und Verzweifelte (in einer Selbsthilfegruppe und bei den Senioren im Club) sodaß ich nicht oder nur selten zu mir selbst kommen kann.
Bin ich innerlich versteinert? Gegenüber meiner Person bin ich gleichgültig geworden, kleide mich, putze jmich sogar, alles für die Öffentlichkeit... weil es sich so gehört..., aber alles bringt mich nicht zur Ruhe, nur Zufriedenheit, hin und wieder ein gutes Werk vollbracht zu haben Zu Anfang war es, um Ablenkung zu bekommen, inzwischen ist mir diese ehrenamtliche Arbeit zum Bedürfnis geworden...auch wenn das ständige "Abschiednehmen" in der Krebsgruppe mich an die eigenen Erkrankungen erinnert
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Ja, ich habe viel schweres erlebt, unsere Mutter starb mit 51 Jahen an Brustkrebs, der Bruder starb an Krebs, meine ältere Schwester hat Hautkrebs, aber andere Menschen doch auch, warum kann ich mit meinen Erinnerungen nicht leben, verdränge sie, nehme nicht mal meine eigenen Schmerzen, Unruhe, ja Unrast ernst? Dabei bin ich wahrlich kein Held, bei jedem Zipperlein erschlägt mich fast die Angst, aber dann zwinge ich mich zu der Überlegung...stell dich nicht so an, ist nicht schon wieder ein Krebs, vergeht auch wieder... und hinterher verhöhne ich mich selbst und denke dann an meine Mitmenschen, stelle sie in den Vordergrund, ihre Leiden, Ängste und Sorgen.
Und- mein Mann begleitet mich bei all meinem Tun - er, der immer sagte... nicht der Einzelne ist wichtig sondern das Ganze, die Menschheit...,ist deshalb meine Seele, mein Inneres so allein oder hab ich mich verschlossen und zeige nach außen ein frohes Gesicht um ja nicht zu zeigen, wies in mir aussieht?
Am Abend, wenn die Ablenkung vorbei ist, ich allein hier sitze dann laufen die Gedanken, was für einen Sinn hat dein Leben eigentlich noch, für andere da zu sein - schön und gut - was bleibt für dich? Die Einsamkeit. Ist das der Sinn der Lebens, die Zeit, die mir hier noch vergönnt ist für die Allgemeinheit einzubringen? Manchmal denke ich mach Schluß, was solls noch, aber ich hab mir das Leben nicht selbst gegeben, kanns mir also auch nicht nehmen. Ein Teufelskreis - find einfach keinen Ausweg aus all diesen meinen Gedanken. Falsch oder richtig, ich weiß es nicht, weiß nur, daß ich alles was ich hier geschrieben habe wohl wieder tief in mir vergraben muß.
Es ist nicht meine Art, vor mir selbst davonzulaufen, aber mir bleibt wohl keine anderer Weg oder fliehe ich vor der Wahrheit und der Wirklichkeit des Lebens oder ist es "man kann nicht immer stark sein"?
Meine Krebserkrankungen sind vorbei, meine Einstellung ist... du bist operiert, die Krebse sind raus, also bis du gesund - und - ich denke auch nicht mehr oft daran, versuche die schönen Momente des Lebens zu erhaschen durch Theater, Konzerte, Bücher, aber nicht mehr durch private Kontakte.
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