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Alt 19.01.2009, 10:31
Kirsten67 Kirsten67 ist offline
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Standard AW: Viel Hoffnung, viel Angst, viele Fragen...

Liebe Matina,

ich freue mich sehr über Dein "Wort zum sonntag" , Du hast wieder so passende Worte gefunden.

Auch ich kann mich sehr gut an den Zeitpunkt erinnern, als wir erfuhren, dass die Whipple nicht klappt. Mein Mann und ich waren mit meiner Mama ins Centro Oberhausen gefahren, damit wir während der Zeit der OP nicht wahnsinnig werden und dann schnell nach Bochum konnten. Das Ergebnis habe ich auf dem obersten Parkdeck bekommen und mußte es dann irgendwie meiner Mama erzählen. Es hat uns Allen, aber insbesondere meiner Mama den Boden unter den Füßen weg gezogen. Das waren Momente von tiefer Hoffnungslosigkeit, Angst und Schmerz, die wir alle nicht vergessen können.

Heute hat uns die Hoffnung wieder! Ja, das Leben hat sich verändert. Und trotz allem ist nicht alles schlechter geworden:
Prioritäten haben sich verändert, das Miteinander ist intensiver geworden. Der Blick auf das eigene Umfeld ist um einen Aspekt erweitert worden. Früher konnte ich nie ermessen, was die Diagnose Krebs bewirkt und wa dort oft sicher etwas - hm - unsensibel Und es hat sich gezeigt, wer uns aktiv unterstützt und wer eher nur auf Senationsnachrichten aus ist. Aber auch da gibt es neben Enttäuschungen sehr positive Erlebnisse von und mit Menschen, bei denen ich nicht damit gerechnet hatte.

Mein Papa ist auch ein hoch anständiger, ehrlicher und gerechter Mensch. Aber verdient hat diese Krankheit niemand. Niemandem kann man BSDK wünschen. Ja, es tut weh, wenn ich Papa sehe, aber heute freue ich mich immer, wenn er etwas Farbe im Gesicht hat, er nicht so grau ist, die Augen nicht ganz tief liegen sondern etwas von seiner alten Munterkeit und Stärke zeigen. Die Freude über kleine Dinge bereichert heute den Alltag.

Die Achterbahnfahrt Deiner Gefühle kann ich auch gut nachvollziehen. Von einem Moment auf den anderen kann es kippen. Oft ist dann das Auf-und-Ab des Krankheitsverlaufes Auslöser, aber manchmal wechselt es auch einfach so. Gut verbuddelte Sorgen und Ängste machen sich dann wieder bemerkbar und müssen wieder zurück ins Eckchen geschubst werden.

Das Loslassen will ich jetzt schon lernen. Nicht in dem Sinne, dass mein Papa schon am Ende des Weges angekommen ist, sondern in dem Sinne, dass ich das richtige Maß an Nähe lernen möchte, dass ich nicht erdrücke. Am liebsten wäre ich Rund um die Uhr bei meinen Eltern. Aber das geht ja nicht - und ist auch gut so.

So, dass war für meine Verhältnisse ein furchtbar langer Text. Aber vieles, was Du geschrieben hast, hat mich an unsere Situation und unsere Erfahrungen erinnert. Es tut gut, zu lesen, dass man nicht verrückt oder merkwürdig ist, sondern dass es anderen Menschen ganz genau so geht, wie einem selbst.

Lieben Dank an Dich, Martina, von Kirsten.
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Mein Papa: Diagnose BSDK mit Lebermetastasen Ende Mai 2008
Den schweren Kampf verloren am 05.04.2009


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