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Alt 05.11.2003, 15:08
Gast
 
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Standard An meine liebe Mama

Liebe Sandra, anja.w, Meli und alle anderen "heimlichen Leser",

eigentlich wollte ich in diesem Forum nur an meine liebe Mama schreiben, aber es ist so verdammt schön, wenn mir jemand seine tröstenden Worte schreibt. Das ging heute runter wie Öl. Gestern Abend war es auf dem Friedhof noch mal sehr schwer, aber im Ganzen kann ich froh sein, das der Tag ohne stundenlange Heulkrämpfe abgelaufen ist. Und es war gut, das er so schnell vorbei war.
Liebe Sandra, liebe anja.w,
ihr habt bestimmt das doppelte Leid zu ertragen wie ich. Denn schliesslich habe ich meinen Paps noch. Wenn ich daran denke, das er vor etlichen Jahren beinahe an einem Herzinfarkt gestorben wäre, krieg ich die Kriese. Ich wüsste nicht, ob es mir dann noch so halbwegs gutgehen würde. Beide Elternteile zu verlieren ist noch schlimmer. Danach ist man der nächste der gehen muss, so fühlt man sich bestimmt. Ihr habt jedenfalls mein vollstes Mitgefühl.
Ich hab so oft das Gefühl, als ob man nicht endlich mal an was anderes denken soll. Sich nicht jeden Tag mit dem Verlust beschäftigen soll. Aber man ist in seinem eigenen Käfig aus Schmerz, Angst und Trauer gefangen. Jeden Tag schiessen einem die Bilder in den Kopf. Man weiss kaum noch, was vor der Krankheit war. Die Bilder sind wie ausgelöscht, man hat fast nur noch die schlimme Zeit im Kopf. Das macht mich oft so fertig. Wenn ich Abends im Bett liege, kommt oft die Erinnerung an das ganze Elend. Nicht mal im Schlaf kann man sich erholen.
Ja, es ist der einzige Trost den man hat - das sie von ihren Qualen erlöst ist. Das es endlich vorbei ist. Das ist das einzige was einen aufbaut. Ich glaube jeder von uns sieht der Weihnachtszeit mit einem Horror entgegen. Überall sieht man fröhliche, glückliche Menschen. Man fragt sich, warum die es nicht erwischt hat. Eigentlich bescheuert, aber die Bitterkeit ist nun mal Allgegenwärtig. Man kann sich sein Leben halt nicht aussuchen. Nicht mal die "Reichen" sind davor bewahrt. Schaut euch Grönemeyer an. Jedesmal wenn ich ein Lied von ihm höre, oder ihn irgendwo sehe, muss ich daran denken wie machtlos wir doch alle sind. Keiner kann dem Krebs entkommen. Keiner. Gesundheit kann man sich nicht kaufen.
Liebe Meli, ich kenn Dich ja aus dem anderem Forum. Ich bin geschockt über die Aktion von Deinem Vater. Ich kann zwar verstehen, das er die Sachen loswerden will, aber das hätte man zusammen entscheiden müssen. Mein Pa hat nach 3 Wochen die Sachen loswerden wollen. Ich hab dann alles alleine aussortiert, aber das war abgesprochen. Es war vollkommen richtig, das Du ihm die Meinung gegeigt hast. Du hast schliesslich auch ein Recht darauf über ihre Sachen mitzubestimmen. Wenn man schon den gemeinsamen Lebensinhalt verliert, sollte man wenigstens danach ein wenig zusammen halten.
Ich hatte mal ein wenig gesurft um mir eine Selbsthilfegruppe zu suchen, aber die meisten sind nur für Betroffene. Irgendwie ist da auch die Scheu da. Das man sich vor anderen aussprechen muss. Hier fällt mir das viel leichter. Da merkt keiner, wenn ich beim Schreiben weine.
Ich bin dankbar für jede Antwort.
Viele lieben Grüsse
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