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Alt 04.01.2007, 08:43
HeikeHH HeikeHH ist offline
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Standard AW: Pharynx Karzinom

Hallo Susanne,

mein Vater wurde nur bestrahlt (ca. 40x) und bekam 2x Chemo. Er wollte nicht wissen, wie seine Aussichten sind, aber meiner Mutter sagte der Arzt, es stünde 50/50. Die Therapie war Mitte Dezember vorbei und Ende Januar kommt die Nachuntersuchung. Vor diesem Ergebnis habe ich Angst und kann mich im Alltag kaum noch an etwas freuen, mir fehlt der Antrieb, ich denke ständig an meinen Vater und was wohl noch auf uns zukommt. Dabei geht es mir wie dir: Wenn es mich schon so bedrückt, wie kommt dann erst mein Vater damit zurecht?

Der Umgang mit seiner psyschischen Situation ist auch bei uns nicht einfach, weil ich und meine Schwester nie einen richtig engen Kontakt zu meinem Vater hatte. Wir sehen uns zwar oft, aber wir haben nie über tiefere Dinge geredet. Mein Vater ist grundsätzlich ein verschlossener Mensch und wenn er über etwas nicht reden will, blockt er ab. Das hält er auch gegenüber meiner Mutter so. Als er vor einigen Tagen mal zu mir sagte "Ich bin es leid" (derzeit hat er eine Magensonde, kann nicht essen, nicht schlucken) war das schon eine große Gefühlsoffenbarung seinerseits. Mir fehlen dann auch die Worte, um ihn zu trösten. Ich versuche ihm damit zu helfen, dass ich ihn alle zwei Tage besuche, um ihm Gesellschaft zu leisten, ihn abzulenken und da zu sein, falls er reden will. Oft sitzen wir nur gemeinsam vor dem Fernseher.

Ich habe erst durch die Krankheit gemerkt, wie sehr ich meinen Vater lieb habe und es wird ein ganz dringendes Bedürfnis, dies auch mitzuteilen. Aber mit Worten fällt es mir schwer, ich versuche es eben durch Dasein und andere Gesten. Mein Vater hat dadurch auch gemerkt, wie wichtig er uns ist. Ich telefoniere oft mit meiner Schwester und wir reden darüber, wie es uns dabei geht und was unser Vater wohl fühlt. Darüber reden tut mir immer gut, das merkst du sicher an der Länge meine Antwort :-). Es hilft mir sehr, hier Menschen zu treffen, die die gleichen Probleme haben und lesen zu können, wie sie damit umgehen. Die Diagnose ist für die Betroffenen und Angehörigen einfach ein richtiger Schock, ein Trauma und jeder geht anders damit um. Ich habe bei mir gemerkt, dass ich nicht nur Angst vor dem Tod meines Vaters habe, sondern dass auch meine Angst vor meinem Tod hinzugekommen ist. Ich mache mich Gedanken über meine Mutter, Schwester, Freund..........Es kommen so viele Gefühle zusammen. Aber Krebs ist nicht immer gleichtzeitig ein Todesurteil, dafür gibt es viele glückliche Beispeile, die man auch hier nachlesen kann.

Dein Vater hat seine Lebensprognose überlebt und die Nachuntersuchung war ohne Befund. Das freut mich so sehr für euch. Ich hoffe, dass dein Vater den Krebs besiegt hat.

Wie kommt deine Mutter damit klar? Kann Sie mit deinem Vater nicht reden oder will sie auch lieber schweigen oder redet sie mit dir? Es ist wichtig, dass Du und sie jemanden habt, mit dem ihr sprechen könnt. Das ist für mich ganz ganz wichtig. Wenn ich dann hier lese, wie unglaublich stark manche Menschen und Angehörige mit der Krankheit leben lernen, dann tröstet es mich das und ich hoffe, dass wir die Zukunft, die vor uns liegt, auch so meistern zu können.

Mach dir also keine Vorwürfe, wenn du mit deinem Vater so gerne reden willst und es fehlen dir auch die Worte. Er wird auch so wissen, dass du ihn liebst.

Viele Grüße und viel Kraft wünsche ich dir,
Heike
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