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Alt 25.08.2016, 09:10
Laesperanza Laesperanza ist offline
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Standard AW: Wir haben doch so gekämpft.....

Liebe AZ67,
erst einmal mein herzliches Beileid. Bei mir sind es nun schon 9 Monate und was ich in diesen 9 Monaten gelernt habe, ist dass die Trauer so unterschiedlich ist wie jeder einzelne Mensch.

Wir haben 4 Jahre mit der Krankheit gelebt. Selbst beim 1. Rezidiv sprach man noch von Heilung. Insgesamt hatte mein Mann 4 schwere OPs hinter sich und am Schluss kaum noch Organe. Dennoch wollten wir es auch bis zum Schluss nicht wahrhaben. Die 4 Jahre Krankheit waren für mich psychisch die Hölle. Ich glaube, dass ich in diesen 4 Jahren schon ganz viel Trauerarbeit vorneweg geleistet habe.
Als ganz am Schluss der Zeitpunkt da war, an dem klar war, dass es kein Zurück mehr gibt, haben wir es auch unserer damals 7 jährigen Tochter gesagt, dass der Papa sterben wird. Da hat sie dann erst mal 1 Stunde geweint.
Sie hat ihn bis zum Schluss auf der Palliativstation besucht und hat sich auch von ihm verabschiedet, als er tot war.
Eine Woche danach habe ich sie in einer Kindertrauergruppe angemeldet, in der sie sich sehr wohl fühlt. Ich fühle mich seit dem Tod wie befreit, nicht von meinem Mann, aber von dieser furchtbaren Krankheit, die doch unser Leben so beherrscht hat. Sei es Einschulung, Ballettaufführung, Seepferdchen, überall war ich immer in Gedanken bei der Krankheit (warum ist jetzt der Lymphknoten vergrößerst, warum der CEA wert erhöht, ist der Punkt auf dem CT jetzt schlimm oder nicht). So ging es 4 Jahre lang. Ich konnte am Schluss nicht mehr. War ein Wrack.

Und jetzt: ich unternehme auch sehr viel (wahrscheinlich zuviel), mache mit meiner Tochter Ausflüge. Auch sie hat nach dem Tod erst einmal geweint und das war nachdem wir vom Urlaub zurückkamen und den ganzen Tag auf den Beinen waren. Schiebe es sogar zum Teil damals auf die Müdigkeit. Sie macht einen sehr gefestigten Eindruck. Bestätigte mir die Schule und die Kindertrauergruppe. Ich habe auch ganz oft ein schlechtes Gewissen, weil es mir gut geht und ich seit seinem Tod keinen Einbruch hatte. Auf den habe ich gewartet, weil der Hausarzt sagte, der kommt nach 6 Monaten. Er ist aber nicht gekommen. Letzte Woche hatte ich das erste Mal einen Termin beim Psychotherapeuten. Nach 20 Minuten fragte er mich, ob ich wirklich glaube, dass ich ihn brauche. Ich sagte, ich habe so ein schlechtes Gewissen. Er sagte dann, warum? Meinen Sie ihrer Tochter wäre geholfen, wenn sie zum Verlust des Vaters auch noch eine Mutter hätte, die total am Boden zerstört ist und am Alltag nicht teilnehmen kann. Wäre das im Sinne ihres Mannes gewesen?
Ok, dachte ich, dann ist ja gut.
Ich akzeptiere jetzt einfach, dass ich wahrscheinlich schon vorher getrauert habe. Und dass jede Trauer anders ist.

Wenn es Dir schlecht geht, dann las es raus. Wenn Du nichts fühlst, ist das auch normal. Ein Schutz des Körpers.
Wenn es Dir gut geht, dann genieße es ohne Reue.
Die Trauer wird uns ein Leben lang begleiten, mal mehr, mal weniger.

Geändert von Laesperanza (25.08.2016 um 09:12 Uhr)
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