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Alt 05.05.2018, 15:20
MrMiffy08 MrMiffy08 ist offline
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Standard AW: NHL - DLBCL Rezidiv - Langzeitüberleben?

Ja, was soll ich sagen: die Geschichte geht weiter. Im letzten Posting hatte ich ja gesagt, dass ich im August 2017 einen Arbeitsversuch machen wollte. Noch im Mai '17 gab es ein Routine-CT, ab da wollte man auf halbjährliche Kontrolle zurückgehen…. Kein Befund, also alles tutti. Weitere Freude auf den Arbeitsversuch im August.
Wenig später bekam ich so ein unheimliches Gefühl, dass auf der rechten Rippenseite irgendetwas los ist. Schlafen auf der Seite wurde unangenehm. So erzwang ich für Mitte Juli ein erneutes CT, das dann auch ein Rezidiv, bereits in der Größe 5,7 × 2,5 × 2 cm zeigte. Wieder an der Stelle, wo auch das letzte sich um zwei Rippen herum gewickelt hatte. Verdammt. Der Oberarzt, der mir den Befund erläuterte, war ausgesprochen seltsam drauf, denn sogar in Anwesenheit meiner Frau sagte er auf meine Frage, wie denn die Behandlungsoptionen nach einer erneuten Stammzelltransplantation seien, dass danach die Palliativbehandlung anstünde. Extrem sensible Antwort, sehr einfühlsam und im Grunde völlig daneben für einen Oberarzt in der Hämato-Onkologie. Schock-Aufklärung in Bestform. Da hätte man sicher andere Worte für finden können. Davon abgesehen dass dies noch eine Reihe von Optionen beinhaltet, wie ich im Nachklapp erfuhr. K.A. was den geritten hat.

Egal, wie auch immer, eine Woche später war ich stationär und die Chemotherapie begann. Ich hatte zeitweise einen sehr netten Bettnachbarn, der mich über zwei Zyklen hinweg begleitete, und der auch schon vor zehn Jahren etwa eine allogene STZ hinter sich gebracht hat und erst jetzt ein Rezidiv entwickelt hatte. Er machte mir Mut, und konnte mir so einiges erzählen. Ich war allerdings zu dem Zeitpunkt noch darauf eingestellt, dass wir eine weitere autologe STZ machen, denn so war es zunächst angekündigt. Mein Rezidiv reagierte ausgesprochen sensibel auf die Chemotherapie, nach zwei Zyklen war im Kontroll-CT schon nichts mehr vom Tumor zu sehen. Leitliniengemäß wurde der dritte Zyklus durchgeführt, dann hatte ich ein paar Tage (leider zu wenige, weil ich kurz vorher noch einmal Fieber entwickelte und mein Port stillgelegt werden musste) Pause in der häuslichen Umgebung, um mich ein wenig aufzubauen, bevor ich dann in die Isolationsbehandlung zur SZT verschwinden sollte. Das Gute daran war, dass diese knapp zehn Tage mich tatsächlich psychisch gut aufbauen konnten, ich mich im Kreise meiner Familie und unserer Tiere erholen und gut vorbereiten konnte auf die noch nicht absehbaren Tage in Isolation.

Ich bin gerade nicht mehr sicher wie der zeitliche Ablauf war, aber ich meine, vor dieser Pause wäre noch die Entscheidung gefallen, dass die autologe STZ abgeblasen wurde, denn es wurden trotz zehn Tage Stimulieren, auch mit den hochpotenten Medikamenten, zu wenig eigene Stammzellen ausgeschwemmt, als dass diese für eine Rückgabe ausgereicht hätten. Der Professor sprach dann auf der letzten Visite eindrücklich mit mir und überzeugte mich, dass die allogene STZ jetzt einfach die beste Option sei, und dass auch meine Chancen angesichts meiner gesundheitlichen Voraussetzungen für diese Therapie sehr gut seien. Er sprach von einer echten Heilungschance von 70-80 %, und davon, dass die autologe STZ demgegenüber mir wahrscheinlich nur ein Jahr, höchstens zwei Aufschub gewähren würde. Insofern war ich trotz der Enttäuschung, dass ich nun eine Option bis „palliativ“ weniger hatte, am nächsten Tag bereit für die Allogene Stammzellen Transplantation. (später weiter...)

... und weiter:

Dann die Isolation: mein Zimmer war zum Glück an einer Stelle der Station gelegen, wo ich auf die schon herbstlich rotgefärbten Bäume und die Jugendstil-Villen des Geländes vor meinem Fenster blicken konnte, was mich atmosphärisch einfach ganz positiv stimmte. Die Station und das Personal kannte ich ja, ich war jetzt halt statt im Doppel- im Einzelzimmer. Mein Laptop dabei, einen funktionierenden WLAN Stick, die Aussicht auf Besuche von meiner Frau, so richtig erschrecken konnte mich nichts. Am nächsten Tag begann schon die Konditionierungs-Chemo, ein Spender war in der Zwischenzeit gefunden, und in höchstem Maße erfreulich war die Nachricht, dass der Spender in allen sechs entscheidenden Markern mit mir maximal übereinstimmte und sogar die gleiche Blutgruppe hatte. Beste Voraussetzungen also, um möglichst wenig Abstoßungsreaktionen zu bekommen.

Die Konditionierungs-Chemotherapie hat mir dann in punkto Übelkeit allerdings ein bisschen die Schuhe ausgezogen. Ich habe ziemlich viel Ondansetron gebraucht, um die Dauerübelkeit so weit zu unterdrücken, dass sie mich nicht völlig fertig macht, es war aber immer ein Rest zu spüren, zum Glück waren die Leute auf Station nicht sparsam und haben mir immer die maximale Tagesdosis erlaubt und wenn es nicht ging, noch MCP dazu. Diese drei Zyklen waren aber auch innerhalb einer Woche vorbei, und dann kamen die Stammzellen nach einer Woche Pause. Vollkommen unspektakulär - zwei Beutelchen, keine spürbare Wirkung in irgendeiner Weise. Auch die nächsten Tage nicht. Beste Verträglichkeit, keinerlei Komplikationen, weder Fieber noch sonst was - also alle waren begeistert und ich muss direkt nachsehen, wann ich entlassen wurde, aber insgesamt habe ich auf der Isolation allerhöchstens vier Wochen verbracht. Na, eben nicht ganz vier Wochen. Das war viel schneller als ich erwartet hatte, man hatte mir ja gesagt, dass es unter Umständen Wochen und sogar Monate dauern könnte, bis man nach der Transplantation wieder nach Hause kann. In diesem Fall war ich ausgesprochen positiv überrascht. Oberarzt und Professor waren auch angesichts der Tatsache, dass wir Katzen und einen Hund zu Hause haben, relativ entspannt und sagten, dass wir die Katzen auf Toxoplasmose testen müssten, das wäre das einzige was mir tatsächlich gefährlich werden könnte, natürlich die üblichen Vorsichtsmaßnahmen, die jeder vernünftige Mensch mit Immunschwäche einhalten sollte, aber keines der Tiere müsste weggegeben werden, auch das eine ausgesprochen positive Nachricht. Also Abzug nach Hause, nach nicht mal vier Wochen - Hurra!

Ab da waren wir (meine Familie) gepolt auf die nächsten 100 Tage. Der Zeitraum, der von den Doc‘s ja als der kritische betrachtet wird, wo die Wahrscheinlichkeit für akute GVHD, Infekte, Komplikationen statistisch gesehen am größten ist. Die ersten knapp 20 hatte ich schon, jetzt unter häuslichen Bedingungen mit Tieren und Menschen, wurde es ernst. Wöchentliche Ambulanzbesuche, BB-Kontrollen, alles entwickelte sich, wenn auch die Leukos nur langsam, aber stetig noch oben. Irgendwann war ich sogar über 7.0 und völlig euphorisch, das war schon ein Traumwert. Rote und Thrombos alles im Werden. Super Entwicklung, die Doc‘s waren hochzufrieden, ich ebenfalls.

Tag 100 verging, wir beschlossen, das CSA jetzt mal zu reduzieren um den Stammzellen die Chance zu geben die Organe mehr an sich zu gewöhnen. Tag 128 und die Durchfälle setzten ein. Und hörten nicht auf. Leberwerte stiegen, auch die Nierenwerte – klarer Fall von GVHD. Nach 2 Wochen wurde auf Hochdosis-Kortisontherapie entschieden und nach einer Woche setzten schwere Nebenwirkungen ein. Sehstörungen, Gangstörungen/Gleichgewichtststörungen, Muskelschwäche, Euphorie, unangemessenes Kichern und Verhalten, Schlafstörungen, hoher Blutdruck und und und. Ab da brauchte ich einen Gehstock, weil ich auch nachts mehrfach zur Toilette musste und schon mal wegen Gehschwäche und Kreislauf in die Knie gegangen war.
Was mich veranlasste, selbsttätig an der Dosis zu spielen. Ich reduzierte auf 2/3 der verordneten Dosis und beichtete dies meinem Arzt erst 2 Wo. später. Der war außer sich und erklärte mir dass das ein hohes Risiko für eine schlechte Therapie birgt, und dass wir jetzt noch mal zurück auf die max Dosis müssten und dann erst ausschleichen könnten nach Leitlinie. Au weia…..noch länger im Kortison, das war nicht mein Plan….

Zwischenzeitlich geriet so richtig alles durcheinander. Die Blutwerte gingen aus unerfindlichen Gründen in den Keller, auch die Laborwerte der Organe schwankten so stark, dass man schließlich ein schnelleres Ausschleichen des Kortison beschloss, was schließlich die ganze Sache stabilisierte.

Die Nebenwirkungen, v.a. die Muskelschwäche, blieben und wurden sogar weiter schlechter. Kein Wunder, Teufelskreis. Keine Kraft - weniger Bewegung - weniger Reiz/Myelopathie - weniger Wachstum - weniger Kraft....

Heute ist Tag 185, ich habe seit 10 Tagen kein Kortison mehr, die Blutwerte (Leukos,Erys, Thrombos) sind so lala, aber ausreichend, die Organwerte stabil. Letztes CT ohne Befund. Aktuell versuchen wir die GVHD mit dem CSA und den anderen Immunsuppressiva zu steuern. Noch ohne Zweitlinien Therapie/anderen Medikamenten/Photopherese usw..... ich hoffe es gelingt.

Die Folgen der Nebenwirkungen der Kortisontherapie sind allerdings heftig: Steroidinduzierte Myelopathie sprich Muskelschwund – Gehstrecke 10-15 m, Stehen 30 sec, dann zittert alles, eine Treppe mit Hilfe und 4 Pausen, draußen Rollstuhl. Allgemeinzustand reduziert, Pflegegrad 4 gerade zuerkannt im MDK Gutachten. Pflege zu Hause für Kompressionsstrümpfe (die Ödeme an den Unterschenkeln) und alles andere was ich nicht alleine kann. Zeitweise Inkontinenz. Viel Hilfe von meiner Frau.

Physiotherapie, Pflege, entlastende Hilfen. All dies läuft jetzt gerade an. Ich bleibe aber zuversichtlich, dass ich mich da auch wieder rausarbeite. Wieder fitter werden, Treppen schaffen, zum Basteln in meine Garagen gehen kann. Bei uns im Garten sitzen. Mit dem Hund raus gehen. Kleine Ziele, aber große Anstrengungen. Ich gebs nicht auf. Ihr da draußen bitte auch nicht….

Geändert von gitti2002 (06.05.2018 um 01:28 Uhr)
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