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Alt 04.04.2004, 03:49
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Standard Bye bye Dad, I love you .... Alfred 16.2.1972

Darling Dad

Obwohl ich dir nun schon am Abend vom 2.4. geschrieben habe musste das Posten warten, ich komme und komme einfach nicht ins (ganze) KK rein. Wenn ich mal drin bin, dann spickt es mich wieder raus. Muss es halt immer wieder versuchen.

Nun sind es schon 2 Postings ......

2.4.2004

Wie haben wir das nur verdient so wunderbare Menschen kennen zu lernen zu dürfen wie wir es durften. Einmalig. Wie kann man nur diese Virtualität überwinden .... ? Ein KK Treffen.. im Zillertal (gel Angi?), wenn es nur gehen würde.

Ich glaube heute kann ich etwas mehr sachlich sein. Der Herzschmerz setzt sich etwas. Auch wenn ich nur noch funktioniere.

Ich bin da und doch nicht .... habe das Gefühl ich stehe neben den Schuhen und laufe an mir selbst vorbei. Vielleicht, weil ich mir es auch irgendwie wünsche in der Hoffnung, dass dieser never ending Alptraum so einmal aufhören könnte.

Bin innerlich so leer und doch aufgewühlt, kann aber nicht mehr weinen.... die Quelle und der Brunnen der Tränen ist versiegt. Ich weiss einerseits nicht wie die Gedanken zu sortieren sind und doch habe ich nicht mehr so ein Gewitter im Kopf oder gar vom weinen einen dicken Kopf. So paradox und widersprüchlich – komisch!!

Meine Angst ist zwar da, allgegenwärtig, sehr real, sehr, sehr beängstigend und so unfassbar und doch kann ich sagen >ich habe sie im Griff und nicht mehr sie mich<.

Ich bin im Treibsand, stecke irgend wie fest und trotzdem konnte ich gestern Abend noch die Einkäufe für Mami erledigen und ihr bringen, Vorteilhaft ist das einige Läden gibt die bis 20.00 /22.00 Uhr offen sind. Punkt 20.58Uhr bin ich raus gekommen, fuhr zu ihr und brachte ihr das Zeug. Irgend wann so um 22.45, nach einer stündigen Tramfahrt, war ich dann endlich zu Hause.

Und was war dann, ja was wohl .... es ging gleich zur Raubtierfütterung über!!! Was würden wir ohne sie machen, egal wie es dir geht, sie stehen vor dir schauen dich treu an und du beginnst zu schmelzen. Die Tierliebe ist ein Geschenk Gottes und eines der wertvollsten Erbstücke von dir darling Dad. Was kann es schöneres geben als die Hautüre zu öffnen und dich schauen die leuchtenden Katzenaugen an, warten auf dem Buffett gleich bei der Türe, um die ersten Streicheleinheiten abzuholen, und wehe du folgst ihren Wünschen nicht, dann stupsen sie dich so lange bis das „Hallo-hier-bist-du-und-hier-sind-wir-wir-lieben-dich Ritual“ vorbei ist..

Später hatte ich einfach nur das Bedürfnis an die Recherchen zu gehen, endlich Antworten auf die 1001 Fragen zu erhalten. Bin Stunden im Internet gesurft für Willy, um mehr über die spezielle und seltene Anämieform die nun festgestellt wurde (Ursache Tumoren, Bestrahlung, Chemo, evtl. Leukämiearten) zu finden, ist sehr schwer, hat nicht viel, gerade mal 4 Artikel, davon war einer im Zusammenhang mit Tierforschung!!!! So ein Mist!!

Willy geht davon aus, dass nur weil eine Anämie festgestellt wurde das für ihn ein Klecks ist, da gibt es wie auch schon einfach ein paar „Guttere wieder aaghängt“ und „D’sach isch erledigt“. Ja diesmal wohl nicht. In der Klinik ist ja doch nichts zu erfahren, haben nur zu Willy gesagt, dass er eben diese Anämie hat sie wollen erst alle Resultate haben und nicht spekulieren, finde ich gut so. Der Vorteil ist, Willy’s Psyche ist stabil geblieben, also auch für die Boys und mich eine Last weniger. Willy hat alles abgeblockt und nimmt es rel. locker vom Hocker!!!! Nicht das er es verdängt, aber er lässt es noch nicht an sich heran mit der Vernunft noch abzuwarten bis alles da ist.

Ich habe einfach der Nachteil, dass sie mich im Notfall bereits informierten, da haben sie mir auch mitgeteilt, dass prophylaktisch eine Antibiotika Behandlung gemacht werden muss, sie aber die Biospie des Lymphknotens erst machen können wenn das Fieber weg ist und eine Knochenmarkspunktion noch anstehen würde..

Er lacht sogar, Gunter hat wahrscheinlich abgefärbt, nur tief im Herzen weiss ich, sieht es sicher ganz anders aus, seine Angst plagt ihn und die hat sicher auch Gunter und alle anderen hier auch. Dass es tiefer geht ist so deutlich, denn er ist zeitweise recht zickig geworden ....ich habe einen grossen Buckel, prall doch einfach ab.....

Es beunruhigt mich natürlich schon wenn sie zu mir sagen, welchen Verdacht und Resultate sie bereits haben und welche Diagnosen neu da sind. Und sie aber gleichzeitig nicht die Bereitschaft haben detaillierter mit mir darüber zu sprechen. Vielleicht kommt das noch?

Also die volle Fahrt der Achterbahn.

Man ist im ganzen drin, seit mehr als 1,5 Jahren läuft der Tag immer gleich ab, Klinik, Therapien, Abklärungen, Einkaufen, und versuchen sich etwas zu erholen, da mal einen Spaziergang (falls wir noch die Kraft haben) und da was machen. Ansonsten schläft er viel.

Grosse Sprünge oder was Spezielles machen wie ein Weekend in den Bergen (haben doch so Sehnsucht nach Schnee und Sonne aber auch nach Wärme, Sand, Sonne und viel Kultur!!) wie Konzerte etc. oder gar mal Ferien (Dad die letzten waren als wir 1992 nach England heim gingen, es war damals so toll!) liegen halt nicht mehr drin. Leider, auch wenn wir sehr gerne wieder gehen würden. Paradox hört es sich dann an wenn die Ärzte zu dir sagen “geniessen sie noch das Leben mit der Familie oder mit ihm, machen Sie noch gemeinsame Reisen etc.“ na toll, mit Hosenknöpfen.... Ich muss aufhören, denn das ist jetzt Hadern über etwas was ich nicht ändern kann und das will ich nicht.

Das schöne am Leben ist, dass man noch Jahrzehnte von den schönen Erlebnissen und Begegnungen zerren kann, so müssen wir nur die Augenschliessen und wir sind in den Bergen, sehen den Schnee vor uns glitzern und der Bach unter dem Eis rauschen. Oder wir stellen uns unsere virtuellen Freunde vor wie sie aussehen und was sie machen oder wo sie wohnen, wie ihre Tiere aussehen und sind. Und das kann uns niemand nehmen. Unsere Gedanken, Gefühle und Erinnerungen bleiben immer bei ins. Deshalb bist du auch noch bei mir. Ich kann dich sogar noch riechen, obwohl du nicht bist, das ist doch ein Wunder.
Diese Erinnerungen werden mit der Musik von Abba (Kultnacht) noch verstärkt, war es doch ein Gruppe aus unseren jungen Zeiten.

Die Ruhe der Abteilung überträgt sich ein wenig. Es tut gut, sie sind auch sehr lieb und zuvorkommend.

Löst aber weitere Probleme aus, du siehst und hörst niemanden –

Am Morgen noch ein Gestürm mit Onkologen, Stationsärztin (etwas unerfahren!!), Hämatologen etc.. die Stationsärztin veranlasst Sachen – aber informiert nicht – plötzlich steht jemand da und will Willy abholen oder mit ihm Therapie machen und wir wissen von nichts...... z.B. kam eine Atemtherapeutin ... und fragte sich warum sie da ist, er macht es ja schon, ja kein Wunder seit Februar 2003 hat er Therapie!!!! Können sie wirklich nicht kommunizieren. Bei ihr habe ich den Eindruck, dass sie nicht gerne mit Patienten ist die eine solche Diagnose haben und eine weitere noch bekommen könnten. Da muss sie noch viel lernen.

Die sollten sich wirklich auch einmal im KK tummeln dann würden sie merken wie häufig gerade dies als Vorwurf auftaucht und wie viel Verzweifelung, wie viele schlaflose Nächte und unnötige Sorgen ausgelöst werden. Sie würden viel mehr Verständnis für die Betroffenen und Angehörigen aufbringen.

Willy kann auch mal was ganz Normales haben ... Heuschnufen-Pollen-Zickenalarm! Er hat Zytrec und es geht etwas besser, seit es geregnet hat in der Nacht vom Freitag auf Samstag ist es deutlich besser, auf das Nasenspray wartet er schon seit Donnerstag!!!!.

Willy ist ja im Einzelzimmer, kann aufstehen und rum laufen – ja das ist das Paradoxe am ganzen, ausser der schweren Müdigkeit, Schweissausbrüche, Atemnot und die Blutungen sieht man ihm nicht viel an. Er lacht und wirkt auch ohne zu starker Angst – eben routiniert. Kann man bei Krebs wirklich schon von dem routinierten Patienten sprechen? Ich glaube schon!

Gestern waren die Blutungen mit koaguliertem Blut vermischt – also mit gestocktem Blut – so hatte er schwarze „Fetzen“ wie er sagte. Heute ist wieder Frischblut angesagt. Wie in der letzten Woche, heute kein Fieber, eher zu niedrig! Der Husten hat sich auch beruhigt nach der Bronchoskopie. Also so wie es war seit Mittwoch und Freitag letzter Woche – wahrscheinlich müssen wir nur Abwarten, der nächste Fieberschub kommt bestimmt, halt wir dürfen uns nicht in eine Erwartungshaltung drängen, dann kommt es nämlich sicher und das wollen wir nicht. Er wurde an Antibiotika Infusionen gehängt, prophylaktisch, sie haben keinen Infekt gefunden bislang. Hoffentlich wirkt diese Antiobiose. Die Stationsärztin behauptet immer noch, dass er im rechten unteren L.lappen eine Pneumonie hat. Sie steht aber von allen Docs alleine da, möchte sich wohl raus spielen und putzen und auch eine eigene Diagnose stellen und zeigen was sie alles weiss! Ja na, die braucht es halt auch!!!

Die neue Schmerztherapie resp. Einstellung und Erhöhung des Morphiums scheinen zu wirken. Gott sie dank!

Auch lustige Erlebnisse gibts ....

Gestern morgen waren die vom sogenannten Hotelier Service resp. Private Service (obwohl er Drittklasse versichert ist) ganz süss. Sie haben ja die Meldung erhalten, dass er linksseitig gelähmt ist, und sind dann davon ausgegangen, dass er gar nichts mehr machen kann. Aber nach über einem Jahr hartem Training kann er ja gewisse Bewegungen etc wieder tun, er kann einfach mit der Hand nichts greifen, öffnen, tragen oder festhalten, kann aber wie auf einem Armstumpf bei einer Amputation gewisse Sachen drauf legen und heben. Brot schmieren, auch wenn es mehr Zeit braucht kann er wieder, dafür nicht abschneiden. Auf alle Fälle haben sie ihm das Brot und die Brötchen geschmiert und zerschnitten damit er „mundgerechte Häppchen“ hat. Süss und von Herzen zum Schmunzeln.....

Wau, meine Gedanken hüpfen umher wie weiss nicht was, total wirr, war doch nicht so das wahre mit der Annahme ich kann sie etwas besser sortieren.

Daddy please help me to sort it all out, get my life together again.

I love you Daddy

My heart is bursting. It hurts so much and I can’t do a thing against it, why on earth not?


3./4. 2004 (Samstag morgen)

Daddy darling

Ich komme nicht auf deine page, das KK stürzt immer noch ab.

So nach den ersten Aufräumarbeiten und Einkäufen fürs Weekend, habe ich nun endlich hier berichten können. Heute Abend muss ich mich noch um viel Behördenkram kümmern (vor allem Invaliden-Versicherungen) da einige Rekurse fällig sind und die Fristen ablaufen würden. Warum wird das nicht automatisch gemacht!!!!? Warum müssen wir uns mit dem auch noch rumplagen.

Also wird ich erst viel später zu dir kommen, aber d bist immer bei mir.

Nun möchte ich aber zu Willy fahren....

Ich komme an, immer noch kein Nasenspray, ach so banal, ist ja nur Lebensqualität verbessernd und nicht lebenswichtig, wie man zu unterscheiden beginnt! Ist wie Prioritäten setzen oder nicht.

Im Prinzip, auch wenn du noch so nachbohrst und auf Nadeln bist, wenn man es genau anschaut wissen wir nicht viel mehr wie vorher (Februar) ausser ein paar neue Diagnosen und noch mehr Verwirrtheit und die Gewissheit, dass es ihm schlechter geht. Aber was sie machen zu gedenken. Puh? - Ein grosses ???zeichen!

Je mehr ich weiss und sehe was Willy alles durchmachen muss, je mehr möchte ich wissen wie es damals dir erging, was du durchmachen musstest und ob sie wirklich so auf dich acht gegeben haben wie es hier ist (auch wenn vieles schief geht!). If only I could talk to Jacques.
It hurts so much, why, why Jacques?

Typischer Samstag in der Klinik, rum hängen, noch müder werden, den Gedanken nachhängen und doch keine Antworten bekommen.

Es war ein wunderschönen, warmen Frühlingstag. Bin noch auf dem Weg in die Klinik etwas holen gegangen. Es war wie damals als wir die Erstdiagnose bekamen, da kamen wir aus der Praxis heraus, uns blieb die Zeit stehen, wussten nicht wohin, wie ein verlorenes Kind das nach dem Weg sucht, und rundherum Tausende von Menschen im Alltagstrott, nur eines im Sinn, hastig von einem Laden zum anderen Rennen und Geld ausgeben! Als ob ich in einen Ameisenhaufen oder in ein Bienennest gestanden wäre. Sie laufen, rennen und schwirren umher ganz nervös. Rennen den Nichtigkeiten des Lebens nach und verpassen die wertvollsten Momente der Zusammengehörigkeit und Liebe. Bist wie im falschen Film stehst da, beobachtest und merkst du gehörst ja gar nicht dazu! Du gehst deinen Gedanken nach, trotz allem Leben das an dir vorbei geht. Du bist mitten im Puls des Lebens und doch nicht. Der Puls des Lebens geht aber auch ohne dich weiter, du fragst dich wie weit werden geliebte Menschen wirklich vermisst? Schon gegen die Klinik aber vor allem kaum einen Schritt in der Klinik ist tödlich Stille und Ruhe, es nur noch dein Lebenspuls da, gerade den versucht du zu suchen und vor allem einzufangen und festzuhalten. Es ist eine beängstigende Ruhe im Raum und dir, du denkst nur noch an all die Menschen die je nachdem ums Überleben kämpfen. Plötzlich packt dich eine innere Unruhe, du willst so rasch als möglich nur noch hoch um bei ihm zu sein.

Am Nachmittag sind wir in den garten gegangen, die Sonne geniessen, ein Meer von „Vergiss-mein-nicht“, berauschende Düfte und ein Musikszenario welches nur die Natur liefert. So schön. Abends dann den Sonnenuntergang über den Stadthorizont, im Hintergrund Kirchengeläute und Vogelgesang. Unsere Welt, eine die ich nur mit Willy teile und teilen möchte, da geht mir ein Licht auf – es kann doch an mir vorbei gehen, dass die anderen in der Stadt lieber ihre Augen schliessen vor diesen Momenten und sich mit banalem wie Einkaufen abgeben.In Erinnerung an unser Spaziergang und an diese Momente mit Willy habe ich ein paar Vergiss-mein-nichts gepflückt und sie gepresst.

Und doch gab es Nachdenkliches. Unsere Freunde wissen bescheid, auch Willy’s Cliquen-„Freunde“ – Willy hätte ja am Montag die Fasnachts „Lämpe-Sitzig“. Er rief an um sich abzumelden und entschuldigt sich. Mit keinem Wort hat Freddy ihn gefragt wie es ihm geht als er sagte er sei im Spital. Willy blockt ab und sucht jede Ausrede seine Freunde zu schützen vor ihrem verhalten. Mir tut es so weh, dass er nicht einmal der nachfrage der Wert ist. Die Enttäuschung von Fasnacht selber sind wieder präsent und doch glaubt er noch an das Gute im Menschen, in seinen Cliquen – Menschen! Es tut mir so weh, für ihn, für mich aber auch für die Freunde denn die haben offensichtlich immer noch nicht erfahren was es heisst Freunde zu haben.

Sie wissen aber auch nicht was sie verpassen.

Irgend wie ist der rationale Kopf wieder da. Die Tränen sind versiegt, der Rest getrocknet, laut schreien endet mit einem stummen Schrei, zum Heulen ist keine Zeit und den Kopf in den Sand stecken kann ich mir nicht erlauben. Ich bin einfach leer und funktioniere ......

All my love Dad

please, please take care of everyone.

Hanna is also in need of special care. Bitte lass es nicht zu, dass sie sich auch noch mit Schuldgefühlen plagt. Gib ihr die Kraft, aber allen anderen auch, Esthers Paps wird bald operiert, heb sorg zu ihm. Alexa, Biene und Gunter brauchen auch einen speziellen Stoss. Aber auch all die anderen die nicht genannt wurden. Ich möchte niemand vergessen.

Liebe Angi und Alexa meine Liebe, ganz herzlichen Dank und seid alle zusammen ganz fest umarmt. Danke an alle für eure immense Kraft.

Alexa hast du was von Thomas gehört, mache mir sorgen um ihn?!

Su und Sandra Danke für eure Schultern, es war so befreiend und eine Wohltat. richtige Chropfleerete!!! Spezielles Hugs zu euch, heb sorg zum Wundermaa René.
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