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Alt 14.09.2004, 15:13
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Standard Letzte große Reise

Hallo Friedl und alle anderen,
bin noch etwas benommen von Euren Texten und stelle immer wieder fest, dass diese Gedanken, das Mitgefühl und die lieben Worte, die Ihr findet, wahrscheinlich nur von denen formuliert werden können, die selber einmal das alles durchgemacht haben.

Mittlerweile müsste bei Dir, Friedl, auch die Urnenbeisetzung stattgefunden haben und ich hoffe, dass Du so langsam Ruhe findest und nicht mehr so in der Luft hängst.Nach der ganzen aufregenden Zeit nach dem Tod, in der man viele Dinge tun muss, die man -so war mein Empfinden- roboterartig tut, weil sie einfach dazu gehören, kommt man in diese Nachdenk-Phase, das eigene Leben trittt nach langer Zeit mal wieder in den Vordergrund.
Und wenn mit den ersten drei, vier Monaten auch ein ganz kleines Stück Abstand da ist, fragt man sich in der Retrospektive, was für einen Wahnsinn man da eigentlich ausgehalten hat. Ich finde, die Begegnungen mit dem Tod, das Begleiten eines sterbenden Menschen, der einem so nahe steht, ist in Anbetracht ds Wissens, dass man selber "da" bleibt, absoluter Wahnsinn. Diese Hochs und Tiefs, die man angesichts immer neuerer Untersuchungserebnisse, Therapieansätze und Rückschläge erlebt, sind einfach nicht anders zu beschreiben.

Du erzählst, dass Du Deinen Vater immer wieder vor Augen hast - ich hoffe, Du erinnerst Dich an schöne Szenen aus "gesunden" Zeiten, denn die haben ja den Großteil seines Lebens ausgemacht. Und wenn er am "Schluss" zufrieden in seinem Bett lag, kannst Du sicher auch ganz stolz auf Dich sein. Denn ich denke, dass jemand nur dann so aussehen kann, wenn er zufrieden von dieser Welt gegangen ist. Und nach dem, was Du erzählst, wie Ihr Euch in der ganzen letzten Zeit angenähert habt und die Krankheit zusammen durchgestanden habt, muss es für ihn ein ganz schöner Abschied gewesen sein.

Bei uns war dieses Bild am Ende genauso - und das erzähle ich nur, um Dir zu sagen: auch heute, drei Jahre nach diesem traurigen Tag, denke ich zwar oft an die schrecklichen Bilder aus der Krankheit, aber noch viel mehr an die "gsunden" Bilder aus der Zeit davor und auch besonders an das letzte Bild.
Was kann bei der Unausweichlichkeit des Todes schöner sein, als den Sterbenden zufrieden auf dei Reise gehen gelassen zu haben? Mehr kann man nicht tun!

Ich gebe Dir Recht, wenn Du immer wieder zu der Erkenntnis kommst dass man das da Gewesene nie mehr wieder darstellen kann. Auch ich denke heute oft, dass der ganze "Spuk" jetzt endlichmal vorbei sein könnte.
Wenn ich manchmal traurig bin, was ich immer mal aus heiterem Himmel bin, dann denke ich am Ende: Es ist ja nunmal nicht zu ändern...Dabei hilft mir die Vorstellung, dass das Leben auf diesem Planeten für meinen Vater am Ende die absolute Hölle war.
Womit wir bei dem Bild von der weißen Wolke wären...Ich will Dir auch nichts vorschreiben und Männer sind bei sowas sicher etwas pragmatischer als Frauen. Aber vielleicht hilft es Dir, wenn Du mal so traurig bist, dass Du fast verzweifeln könntest.
Ich denke, unsere Väter sind schon noch irgendwo "da oben". Womit ich absolut nicht meine, dass sie da sitzen und uns beobachten oder gar kontrollieren. Nein, ich denke, sie sind einfach da und es geht ihnen gut. Da oben gibt es Sonne, Blumen, keine Schmerzen und die Freiheit, an jedem Ort sein zu können. Diese Vorstellung macht mich glücklich und zufrieden. Vielleicht hilft sie Dir auch eines Tages.

Und vielleicht passieren manchmal auch bei Dir kleine Dinge, die Du Dir erst gar nicht erklären kannst. Ich bin wahrlich nicht jemand, der auf spirituelle Dinge steht (bin Juristin), aber manchmal (selten) passieren solche Dinge. Sie erschrecken einen nicht, sondern geben einem Kraft und die Sicherheit,dass es "da oben" gut geht.

Für die nächste Zeit wünsche ich Dir alles Gute! Sicher wird Dir das Gefühl, alles Erdenkliche für Deinen Vater getan zu haben, helfen, wenn es Dir mal nicht so gut geht. Vielleicht wirst Du Dich selber auch ein wenig verändern- in dem Sine, dass Dich nach diesen Grenzerfahrungen so leicht nichts erschüttern kann und Du manche Dinge aus einer anderen Ecke betrachtest.
Mit Deinem Vater verbindet Dich soviel, dass nur Euch beide verbindet. Möge Dir dieses Wissen Kraft und Größe geben!

Für Euch Alle alles Gute!
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