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Alt 01.03.2005, 16:28
Gast
 
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Standard Russisch Roulette.......

Hallo Briele,

die Grippe habe ich jetzt so halbwegs hinter mir, ich glaube so heftig hatte ich das noch nie.

Ich wollte ja noch mal auf deinen letzten Beitrag zurück kommen. Du hattest gefragt wann mein Vater gestorben ist. Also die Diagnose Darmkrebs (Zufallsbefund) bekam er Anfang 2002, dann wurde er schnell operiert und bekam Chemo da auch schon Metastasen da waren. Dann gab es noch div. kleine Eingriffe aber insgesamt ging es ihm gut, er hat sogar weiter gearbeitet, das war auch sein Halt und Lebensinhalt. Im März '04 bekam er bei Kontrolle die Diagnose dass wieder Metastasen/Lokalrezidiv aufgetreten sind und er ging dann am 6.4. zur OP in eine Uniklinik. Bei/nach der OP gab es Komplikationen hauptsächlich wohl wegen Lungenembolie, dann lag er ca. 2 Wochen im Koma und dann wurde er zwar ab und zu noch mal wieder wach, sie versuchten ihn wieder aufzubauen, es ging schliesslich mit andauernden Infektionen in seinem Körper (durch die vielen Infusionen und Katheter usw.) immer wieder auf und ab und er wurde immer dünner und ganz kraftlos und durch die Beatmung konnte er nie wieder sprechen. Insgesamt hat er über 9 Wochen auf der Intensivstation gelegen wo er dann starb. Er ist dann am 13.6.04 einen Tag vor seinem 68. Geburtstag eingeschlafen. Das Furchtbare ist dass er keine (kaum) Beschwerden hatte, er sah völlig OK aus, dann kam die Routinekontrolle und man sagte man müsste schnell operieren und er hatte Angst aber er hoffte noch einmal Zeit zu gewinnen. Man wusste es wird eine grosse OP aber wer hätte entscheiden können es lieber nicht zu tun, dann hätte er zwar noch mehr Zeit gehabt aber wer weiss wie jämmerlich er dann (inzwischen vermutlich...?) doch gestorben wäre....

Also im KH fingen die Organe nach und nach an zu versagen, schlechte Leberwerte usw., und am Ende (nach div. Gesprächen in den ganzen Wochen mit den Ärzten und den entsprechenden gefühlsmässigen Achterbahnfahrten) hiess es schliesslich er würde es keinesfalls mehr schaffen. Am Freitag hiess es schon er würde evtl. das WE nicht mehr schaffen da bin ich abends noch schnell für ein paar Stunden allein ins KH gefahren, das war eine komische aber sehr intensive Atmosphäre, kein Tagesbetrieb mehr, aber da es so um ihn stand durfte ich auch lange bleiben. Am Samstag Mittag bin ich dann wieder hingefahren, dass war dann der letzte Tag an dem ich ihn sah. Die Ärzte sagten, wenn die Intensivmassnahmen aufrechterhalten werden könnte es noch lange dauern aber er würde es nicht mehr schaffen. Also musste ich an diesem Samstag die schwerste Entscheidung meines Lebens treffen. Mit der ich immer noch hadere weil ich immer wieder überlege: wenn man die starken Medikamente reduziert hätte, hätte er dann doch noch mal wach werden können? So wie die Ärzte es damals beschrieben wäre das wohl nicht mehr möglich gewesen weil die Organe (Leber) nicht mehr richtig arbeiteten und selbst wenn: wozu, man hätte ihn ja nicht wirklich FRAGEN können, seinen Willen dazu hatte er auch nie irgendwo hinterlegt, das Thema Krebs + Tod mit seiner Frau immer ausgeklammert.... trotzdem denke ich ob ich nicht egoistisch war weil ich auch irgendwie nicht mehr konnte... nachher wäre ich mit Freuden immer noch ins KH gerannt, als er dann wirklich nicht mehr da war, habe sogar diesen (ätzenden) KH-Geruch vermisst, wenn er denn nur noch am LEBEN gewesen wäre... obwohl das ja AUCH egoistisch wäre denn den wirklichen Preis hätte ER ja dafür zu bezahlen gehabt... aber so ganz komme ich nicht damit klar dass IChH das OK dafür gegeben habe, seine Frau sagte mir zwar natürlich dass sie einverstanden ist aber sie konnte es dem Arzt nicht sagen also tat ich es.... und dann ging es eben nicht so schnell wie (auch laut Arzt) erwartet, die Intensivmassnahmen wurden so ca. 16 Uhr reduziert und er ist am nächsten Morgen gegen 8 Uhr gestorben, er hatte nur noch ganz schwachen Puls, man sagte uns auch das Gehirn sei so gut wie nicht mehr durchblutet und er würde wirklich nichts mehr spüren oder denken können, dazu ja auch noch die starke Sedierung... Trotzdem habe ich ihn im Stich gelassen als ich dann Abends gegangen... auch wenn ich weiss dass das nicht rational gedacht ist aber es fühlt sich trotzdem furchtbar an. Ein bisschen so als hätte ich ihn umgebracht. Natürlich haben die Ärzte es uns sehr nahe gelegt es ihm leichter zu machen, ihn gehen zu lassen, er war doch auch äusserlich inzwischen ein Sterbender, so dünn mit komischen Flecken überall, trotzdem hatte ich auch diese furchtbaren Gedanken dass es dann auch für mich vorbei wäre....das finde ich so furchtbar dass ich dachte im Juli wollten wir in Urlaub fahren (als es vorher mit ihm etwas bergauf ging hatte ich überlegt nicht mitzufahren damit ich bei ihm bleiben kann, aber der Gedanke war irgendwie auch doof für die Familie und ich konnte den Gedanken nicht ertragen WEG ZU MÜSSEN und nicht bei ihm zu sein, und so war ich irgendwo auch erleichtert dass es jetzt passierte und nicht wenn ich vielleicht nicht da sein würde, auch wenn es hiess dass er dann früher stirbt... hört sich bestimmt alles reichlich verworren an, ich höre jetzt leiber auf. Wenn ich anfange an all das zu denken dann spielen die Gedanken verrückt....

Und jetzt vermisse ich ihn so sehr!

Kerstin
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