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Alt 08.11.2003, 22:04
Gast
 
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Hallo Claudia,

ich weiß heute gar nicht, wo ich beginnen soll.

Zunächst mal finde ich dein Verhalten überhaupt nicht feige, deinem Vater nicht gesagt zu haben, dass er bald sterben würde. Zunächst mal ist das ein unglaublich schwerer Schritt, und du sagst ja selber, dass nicht einmal du selber das richtig wahrhaben konntest. Mir ging es im Prinzip nicht anders: ich hatte nie so recht die Hoffnung aufgegeben, ja, manchmal konnte ich die Wahrheit auch einfach gar nicht zulassen.
Mir einzugestehen, dass meine Mutter bald sterben würde, das hätte mich kaputt gemacht.
Und ich glaube, dass auch meine Mutter da irgendwie geahnt hat. Sie hat während der letzten Wochen nie direkt vom Sterben gesprochen, oder mir direkt gezeigt, dass sie weiß, dass sie bald sterben wird. Sie wollte mich schützen, so wie sie es mit ihren Kindern immer gemacht hat. Im nachhinein tut es mir ein bisschen leid, aber ich weiß einfach, dass es ihr das wichtigste war, ihre Kinder zu schützen, deshalb ist mein Bedauern, nie offen gesprochen zu haben auch nicht so groß – auch wenn ich mich manchmal frage, ob sie es nicht doch gerne gewollt hätte.
Hm, das war jetzt ziemlich konfus, ich hoffe einfach mal, dass du in etwa weißt, was ich meine.

Du hast schon recht – nach dem Tod ist die Seele nicht mehr im Körper, deswegen ist es ja eigentlich egal, was damit passiert. Aber wenn wir ehrlich sind merken wir, dass es uns eben nicht egal ist. Meine Mutter schreckte wohl der Gedanke, nach dem Tod in der Dunkelheit und Kälte unter der Erde zu liegen, deshalb wollte sie verbrannt werden. Mir geht es ähnlich, wie deine Tante es formulierte: ich möchte nicht, dass mein Körper nach meinem Tod langsam zerfällt, deshalb will auch ich verbrannt werden.
Einzige Bedingung dazu ist, dass man diesen Wunsch schriftlich formuliert hat – dann kann jeder Mensch sich verbrennen lassen. Ist es nicht schriftlich formuliert, wird automatisch eine Erdbestattung durchgeführt.

Ich bin sehr froh, dass meine Mutter sich eine Verbrennung gewünscht hat. Ich weiß nicht, ob ich den Grund verständlich formulieren kann: ich habe irgendwie das Gefühl, dass die Seele dann freier ist, dass sie sich leichter lösen kann, wenn der tote Körper einfach zu Asche wird – dass sie leichter ist.

Aber das ist so meine subjektive Vorstellung – auch das sieht eben jeder anders. Ich finds aber schon immer wieder interessant zu sehen, wie unterschiedlich die Menschen über viele Dinge denken und wie unterschiedlich man Dinge empfinden kann.

Ja, wo ist die Seele jetzt, und wie soll man das nennen? Dass du es „Licht“ nennst, find ich ziemlich schön. Es ist jedenfalls ein sehr positives Bild. Ich habe dafür gar keinen Ausdruck – „Jenseits“ klingt schon wieder so nach Gruselfilm… wenn ich darüber spreche sage ich eigentlich nur „dort, wo Mama jetzt ist“. Vielleicht passt aber auch „zu Hause“ ganz gut. Mir gefällt die Vorstellung, dass uns nach unserem Tod plötzlich alles möglich klar wird, wir geliebten Menschen wieder begegnen und… zu Hause sind.

Liebe Claudia,

du kannst hier immer so viel schreiben, wie du magst, und worüber du magst! Manchmal merke ich auch, dass ich viel von Mama erzähle, oder von einer bestimmten zeit, aber das ist dann auch befreiend. Irgendwie kommt man doch in Gedanken immer wieder zu den letzten Lebensmonaten zurück. Oder wie geht es dir da?
Ich spreche jedenfalls mit meiner Schwester schon immer wieder mal über die Zeit, als Mama krank hier zu Hause lag und es ihr immer schlechter ging. Aber ich möchte einfach wissen, wie sie mit den Dingen so umgeht, ob wir uns irgendwo ähneln oder vielleicht hilfreich sein können. Deshalb schneide ich das Thema immer wieder an, und meine Schwester meinte neulich auch, dass es gut tut, mit mir darüber zu reden.

Ich bin ja heute bei meinem Vater, morgen werde ich auch wieder zum Friedhof gehen und eine Rose zum Grab bringen. Der Friedhof ist irgendwie schon wichtig für mich. Ich gehe als erstes immer zu Mamas Grab, bringe ihr eine Blume, denke nach. Und dann gehe ich auf einem anderen weg wieder zurück, gehe an anderen Gräbern vorbei, denke über die Menschen nach die dort liegen und über diejenigen, die sie zurückgelassen haben. Hm, klingt jetzt vielleicht arg philosophisch, aber das ist es auch irgendwie. Es ist ein Ort, an dem ich meine Gedanken schweifen lasse.

Schaffst du es, mit deinem Vater zu sprechen? Ich versuche es manchmal – am Grab oder auch zu Hause. Aber es kommt mir irgendwie merkwürdig vor. Ich schaffe es noch nicht so recht. Eine Freundin meiner Mutter ist da ganz anders – sie redet manchmal so selbstverständlich zu meiner Mutter, dass ich sie richtig beneide. Manchmal ist es sogar fast ein bisschen lustig, weil sie dann auch flapsige Sachen sagt.

So, ich muss wieder zur Waschmaschine – habe einen Berg Wäsche und Bezüge mitgebracht, und werde wohl die halbe Nacht mit Waschen verbringen, weil ich sie morgen wieder mitnehmen will. Ist schon unpraktisch ohne eigene Waschmaschine, aber für die ist weder Platz da, noch Geld. :-)

Übrigens musst du mir noch nicht Daumen halten für Prüfungen: erstmal mache ich jetzt Praktikum bis März, und im Sommer melde ich mich dann erst zur Prüfung an. Und wenn die geschafft ist, muss ich noch 100 Seiten Diplom – Arbeit zusammen kriegen… da freu ich mich auch schon drauf, ächz. Ich weiß allerdings noch nicht mal genau, wann Fristen sind, in welcher Reihenfolge was kommt und wie überhaupt alles abläuft. Aber das schiebe ich noch ein bisschen von mir weg und denke mir „erstmal Praktikum machen, dann weitersehen!“ ;-)

So, nu aber Schluss. Ich hoffe, es geht dir gut und du hast ein schönes Wochenende! Eine ganz dicke Umarmung und viele Grüße,

Katrin
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