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Alt 10.01.2009, 19:32
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rezzan rezzan ist offline
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Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Danke Stefan, vielen Dank für deine Ehrlichkeit, deine Offenheit und auch für deine Stärke. Ich bin sicher, dass gerade dieses elende Schönreden und Totschweigen der Grund dafür ist, dass sich so wenige Menschen zutrauen einen anderen beim Sterben zu begleiten.

Ich habe ähnliches erlebt wie du und ich wünschte, dass irgendjemand mal dem Mut gehabt hätte mir zu sagen, was mich erwartet. Es wäre mir so viel Angst und Sorge erspart geblieben. Ich weiß noch genau, wie ich alle möglichen Ärzte und Pfleger regelrecht angebettelt habe mir zu sagen, was mich genau erwartet, erwarten kann. Und ich habe jedem beteuert, dass ganz gleich für wie furchtbar sie es halten, ich es ertragen kann, dass ich es will und nichts daran etwas ändern wird, aber ich einfach wissen möchte, was passieren kann. Aber irgendwie kam immer nur das übliche Geblubber von Würde und bei jedem anders und hoffentlich friedlich usw. Zum Schluss war es meine Hausärztin, die, als ich heulend bei ihr zusammengebrochen bin, mir dann mal tacheles erzählt hat, wie genau es wahrscheinlich ablaufen wird. Und sie behielt recht.

Du kannst dir nicht vorstellen, wie erleichtert ich vor den letzten Tagen vor dem Tod meiner Mutter dadurch war. Es kam alles wie sie gesagt hatte, und ja, es war schrecklich, es war anstrengend und manches davon verfolgt mich nach so vielen Jahren immer noch. Aber nichts davon war unerträglich, es war nicht annähernd so unerträglich und verängstigend wie ich es mir vor dem Gespräch mit der Hausärztin ausgemalt hatte. Es dauerte sehr lange und es war nicht leicht, aber eben nicht unerträglich. Und Tage später habe ich meine Mutter dann gewaschen, angezogen und gemeinsam mit der Bestatterin in ihren Sarg gehoben. Dabei kam immer wieder schwarze Flüssigkeit aus ihr und ich habe es immer wieder weggewaschen und sie jedes mal danach geküsst und ihr über die nassen Haare gestreichelt. Ich weiß noch wie kalt sie war und ich dachte dauernd dass ihr so kalt sein muss und hab mich dauernd dabei ertappt, wie ich versucht habe ihr Gesicht mit meinen Händen zu wärmen. Vor zwei Jahren habe ich dann meinen Vater bei seinem Sterben begleitet, und es war ähnlich, nur dass ich viel besser wusste, was passieren kann und ich bei all dem noch sehr viel weniger ängstlich war.

Nein, ich kann bis heute nicht verstehen, weshalb das Sterben so totgeschwiegen wird. Ich verstehe es nicht und ich hoffe, dass wenn ich irgendwann mal sterben muss, jemand bei mir ist, für den das alles nicht eine unvorstellbare, unaussprechliche Sache ist. Denn das ist es nicht, es ist nicht unvorstellbar schrecklich, aber diese geheimnisvolle Schönrederei macht daraus etwas so Unvorstellbares, dass die meisten vor lauter Angst vergessen, dass es ein Mensch ist, den sie lieben und den man auch in seinen letzten Momenten nicht allein lassen muss.

Es tut mir sehr leid, dass deine Frau gestorben ist, und dass du all das erleben musstest. Mein aufrichtiges Beileid. Und ich finde, dass deine Frau wohl sehr viel Glück gehabt haben muss, dass sie jemanden wie dich an ihrer Seite hatte. Wahrscheinlich ist sie einfach jemand ganz besonderes, wie du auch.

Rezzan
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