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Alt 22.02.2009, 10:10
Udo1963 Udo1963 ist offline
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Standard Er ist gegangen

Er ist erlöst. Mein Schwiegervater ist am vergangenen Freitagmorgen, um kurz nach 5 Uhr, gestorben. Vielleicht noch mal in Kurzform der Krankheitsverlauf: Im vergangenen August wurde, wenige Tage nach seinem 74. Geburtstag, ein Mageneingangskarzinom diagnostiziert, dazu noch Lebermetastasen. Vorher hatte er keinerlei Anzeichen für eine Erkrankung. Im Kreiskrankenhaus konnte man nichts mehr für ihn tun. Daraufhin suchten wir einen Onkologen auf, der zunächst 3 Liter Bauchwasser entfernte. Bei einem weiteren Krankenhausaufenthalt wurden dann nochmals 5 Liter punktiert. Erst nach den beiden Chemo-Behandlungen verschwand die Aszites. Dafür ging es ihm aber insgesamt sehr schlecht, ein erneuter Krankenhausaufenthalt folgte und man befürchtete das Schlimmste. Er wurde entlassen, der Pflegedienst beauftragt. Zu der Zeit rechneten wir damit, dass er nur noch wenige Wochen, vielleicht nur Tage hat. Aber mein Schwiegervater erholte sich wieder, nach einiger Zeit konnte er wieder alles essen, er fuhr sogar wieder Auto. Im November und Dezember ging es ihm eigentlich sehr gut, zwar etwas schlapp, aber das Leben war für ihn wieder lebenswert. Die Wiederaufnahme der Chemotherapie kam für ihn zu dem Zeitpunkt nicht in Frage. Mitte Januar stellte sein Hausarzt aber fest, dass das Bauchwasser wieder kam. Er entschied sich dann doch dafür, sich nochmals beim Onkologen vorzustellen. Ein erneuter Therapieplan wurde erstellt; eine der ersten Handlungen war eine Bauchwasserpunktion. Nur wenige Tage später, an einem Montagmorgen, war schon wieder so viel Wasser im Bauch, dass es anscheinend auf die Organe drückte. Er kam wieder ins Krankenhaus, wo man ihn erst einmal fast zwei Tage nicht behandelte! Erst am Nachmittag des zweiten Tages wurden 5 Liter entfernt. Nach der Entlassung folgte dann kurz darauf die erste Chemotherapie. Er hoffte natürlich, dass ihm die Behandlung vielleicht noch mal helfen würde. Am vergangenen Donnerstag, bei einer routinemäßigen Blutuntersuchung, musste dann erneut punktiert werden. Abends, nach der Rückkehr, ging es ihm dann ganz schlecht. Er war in einer Stimmung, in der ich ihn noch nie gesehen oder erlebt habe. Seine ersten Worte waren: "Ich mach´s nicht mehr lange." Dann sagte er noch, dass ihm der Arzt zwar helfen wolle, aber es sei schwer. Auch in der Speiseröhre sei der Krebs schon. Fast hysterisch war er da, dann klagte er über Schmerzen, fürchterliches Brennen im Bauch. Wir gaben ihm ein Schmerzmittel, was anscheinend etwas half, zumindest dachten wir dies. Meine Frau und ich fuhren dann nach Hause. Morgens um kurz nach fünf klingelte das Telefon. Meine Schwiegermutter sagte, dass er auf dem Weg zur Toilette zusammengebrochen sei. Eine Viertelstunde später waren wir dort. Er lag auf dem Boden im Schlafzimmer. Ich fühlte seinen Puls – nichts. Der Notarzt konnte kurz darauf nur noch den Tod feststellen. Es war eigentlich das erste Mal, dass ich sehr bewusst einen Toten sah. Mein Schwiegervater war den ganzen Vormittag noch zuhause, in seinem Bett, bevor er abgeholt wurde. Und wir, die Angehörigen, waren dann noch einige Male bei ihm. Auf dem Boden sah er schon aus, als würde er nur schlafen. Und später, im Bett, da hatte ich tatsächlich den Eindruck, als würde er leicht lächeln. Es war kein schlimmer Anblick, im Gegenteil. Es hatte etwas tröstliches, dass er so friedlich und entspannt aussah. Ich bin sehr froh, dass er nur eine sehr kurze Phase hatte, wo ihn Schmerzen quälten. Er hatte nach der schockierenden Diagnose im August zwar zunächst eine sehr schwierige Phase, konnte dann aber noch einmal ein paar schöne Monate mit seiner Frau, Familie und Freunden verbringen. Dafür kann man nur dankbar sein.
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