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Alt 17.10.2004, 16:15
Gast
 
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Standard Nun bin ich Witwe

Liebe Beatrix,
ja jedesmal, wenn der Wochentag kommt, an dem Dein Liebling gestorben ist, wird der Schmerz wieder ganz, ganz aktuell, das ist bei mir immer noch so.
Das Finanzielle zu regeln hinterher ist sehr schlimm. Ich war das schon gewohnt, mein Mann wollte sich schon die letzten Monate in seinem Leben um solche Dinge überhaupt nicht mehr kümmern, habe ich schon alles erledigt, möglichst ohne ihn zu belasten. Die Lebensversicherung habe ich momentan auch auf ein eigenes Konto gelegt, will sie eigentlich nicht angreifen, für Notfälle aufheben. Das mit der Hinterbliebenenrente ist eine ganz komische Rechenformel, es macht ungefähr 60 % von der Erwerbsunfähigkeitsrente aus, abgezogen wird dann ein Teil Deines Einkommens. Bei mir blieben dann weniger als 50 % übrig, von dem was ich bekommen hätte, wenn ich nicht arbeiten würde. In eine schlechtere Steuerklasse kommst Du im übrigen nicht. Ich weiß nicht, wie weit Du darüber informiert bist, Du bekommst ab sofort Lohnsteuerklasse 3, je eher Du das auf Deiner Lohnsteuerkarte ändern läßt, um so schneller ist Dein Nettogehalt höher. Die Lohnsteuerklasse 3 bekommst Du für das Sterbejahr und das darauffolgende Jahr (Witwensplitting). Macht doch einiges netto mehr aus, was wir bestimmt jetzt alle gebrauchen können. Erkundige Dich eventuell auch beim Arbeitgeber Deines Mannes, in vielen Firmen gibt es da Sonderregelungen. Der Arbeitgeber meines Mannes hat sich eine Woche nach dem Tod bei mir gemeldet. Ich habe drei volle Monatslöhne von meinem Mann bekommen und Betriebssterbegeld (auf einmal ausgezahlt), musste dies aber mit Steuerklasse 6 versteuern, weil ich das bekommen habe, nicht mein Mann. Ausserdem steht mir noch eine kleine Betriebsrente zusätzlich zu. Tröstet zwar nicht über den Schmerz hinweg, hilft aber finanziell. Ich konnte damit alle angefallen Kosten decken und es ist noch genügend Geld für einen schönen Grabstein übrig geblieben. Ich selbst will das Geld nicht für mich ausgeben, es gehört eigentlich meinem Andreas. Vielleicht ist Dein Mann auch in einer Gewerkschaft gewesen, auch da gibt es Geld nach einem Sterbefall. Krankenkassen zahlen ab diesem Jahr kein Sterbegeld mehr. Aber dieses Gesetz weist Lücken auf. Verschiede Verbände, z. B. der VdK weist extra darauf hin, dass man bei der Krankenkasse Sterbegeld beantragen soll, einen rechtsmittelfähigen Bescheid verlangen und darauf Einspruch erheben soll. Sollten an diesem Paragraphen noch Änderungen vorgenommen werden müssen, hat man dann wenigstens später noch Anspruch darauf, kann einem aber keiner garantieren. Ich möchte mich aber hier nicht wichtig machen, habe halt das schon alles hinter mir, musste mich auch erst durchkämpfen. Das Geld gibt uns zwar unsere Liebe nicht mehr zurück, aber sieh es so, unsere Männer haben auch nichts mehr davon, wenn wir es herschenken.
Ich war heute auch mit meiner Tochter spazieren, wir waren am Friedhof. Nur leider geht es mir so, dass ich am Friedhof überhaupt keinen seelischen Kontrakt zu meinem Schatz finde. Zuhause geht das viel besser. Ja diese besonderen Tage werden uns allen jetzt ganz schön zu schaffen machen. Bei mir kommen jetzt ein paar solche hintereinander. Der Hochzeitstag, Allerheiligen, der Geburtstag unseres Enkels, der Geburtstag meines Sohnes, Weihnachten, Sylvester. Besser ich denke jetzt noch gar nicht dran. Was ich an unserem Hochzeitstag gemacht habe, erzähle ich Euch, wenns vorbei ist, ich weiß es selbst noch nicht. Mir gehts im momentan psychisch so schlimm, wie nie zuvor. Ich bekomme einfach Dinge des letzten Tages und der letzten Nacht mit meinem Schatz nicht aus dem Kopf, ich kann damit einfach auch mit niemanden reden, es war einfach alles so schlimm und es bricht immer wieder auf.
Ich hoffe, die frische Luft hat Dir "gut" getan. Laß Deine Tochter und Deine Mutter ein bißchen um Dich sorgen. Wenn es auch Dir nicht hilft, aber ihnen hilft es. Sie haben dann ein ruhigeres Gewissen. Ich habe bei mir die Erfahrung gemacht, dass mir der ganze Groll auch nicht weiterhilft.
Ist Dein Uli schon bestattet, oder hast Du diesen schlimmen Tag noch vor Dir. Wenn ja, wünsche ich Dir dafür viel Kraft. Wenn wir Dich nur trösten oder Dir helfen könnten. Aber es geht halt nicht, es ist bestimmt die schlimmste Zeit jetzt für Dich in Deinem Leben. Bestimmt fühlst Du Dich so, als wenn nichts mehr weitergen wird. Kannst Du auch nicht glauben, dass jeden Tag wieder die Sonne aufgeht und dass es wieder hell wird?
Ich wünsche Dir alles Liebe
Thekla
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