Thema: Und nun?
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Alt 05.10.2005, 21:09
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Und nun?

Hallo, liebe Susanne,
Hallo an alle,

das läuft hier richtig gut, ich komm zwar kaum mit, habe nun noch einmal alles gelesen und dieser offene, lebendige Austausch ist, verzeiht mir, falls Euch das Wort unpassend erscheint – freudvoll.

Mir ist einiges durch den Kopf gegangen. Im neuen Forum kann man nicht mehr während dem Schreiben zurückscrollen, ich schreib nun einfach drauflos.

Susanne, Du, und auch andere schreiben über die Bemühungen das entstandene Loch zu stopfen. Dazu etwa von Dietrich Bonhoeffer:

.... es gibt nichts was die Abwesenheit eines lebenden Menschen ersetzen kann und man sollte es auch gar nicht versuchen, man muß es einfach aushalten und durchhalten. Das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost, denn indem die Lücke unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden.
Es ist verkehrt, wenn man sagt, Gott füllt die Lücke aus. Er füllt sie gar nicht aus, sondern hält sie vielmehr gerade unausgefüllt und hilft uns dadurch unsere alte Gemeinschaft miteinander – wenn auch unter Schmerzen – zu bewahren.....

Ich weiß nicht ob er Recht hat, der Dietrich Bonhoeffer, aber ich finde, da ist was dran.

Du schreibst, dass Du versuchst Deinen Mann zu ersetzen, bei den Kindern, auch bei anderen Menschen, weil er oft für andere da war.
Vielleicht geht das, was ich mache, in dieselbe Richtung. Es war nicht geplant, es ist irgendwie von selbst gekommen, ohne große Anstrengung. Ich versuche den guten Eigenschaften meiner Eltern Leben zu verleihen, sie in und mit mir weiterleben zu lassen. Es gibt mir ein gutes Gefühl.

Andrea M. hat Dir einen mutigen Brief geschrieben. In Andreas thread hab ich Dir das erste Mal geschrieben, aber ich hab wirklich sehr oft an Dich gedacht. Mit viel Bewunderung aber auch mit einem kleinen, unguten Gefühl in mir, dass Du hier nicht nur zu wenig bekommst, sondern dass Du kaum je irgend etwas bekommst. Immer wieder bin ich Dir im Forum begegnet, nie schien es passend Dir zu schreiben.

Nun – von meinem Gefühl her – ist eine Balance hergestellt. Jetzt stellt sich mir die Frage, kann man das Geschehen hier im Forum vielleicht umsetzen in das wirkliche Leben, in das Leben, in dem Du bist? Du hast hier einen thread eröffnet, hast Dich geöffnet und PENG sind gleich Menschen herbeigesprungen. Hallo, liebe AndreaS,
ich habe nicht nur gehofft, entschuldige, ich habe gewusst, dass Du kommen wirst.

Die Trauer ist eine schwere Sache. Man könnte sagen ein trauernder Mensch ist ein trauernder Mensch. Nach Mamas Tod war ich manchmal ein wenig eingeschnappt wenn mir jemand zu verstehen gab, es sei viel schlimmer wenn der Partner gestorben ist. Da dacht ich immer es kommt doch auf die Beziehung an, auch dass man Trauer nicht zuteilen und bemessen kann. Der Meinung bin ich nach wie vor, aber seit einem halben Jahr lese ich hier und verstehe besser. Ich verstehe besser, weil ich mehr weiß, mehr gehört habe. Neben all der Trauer, dem Schmerz, der Sehnsucht, dem Verlust den jeder erleidet, ist bei Euch, die Ihr Euren Mann, den Vater Eurer Kinder verloren habt noch ein zusätzlicher Brocken obenauf gepackt:
Die Last, die Sorge, des täglichen Lebens.

Das hab ich erst in letzter Zeit verstanden. Es hat mir gezeigt, dass man nur verstehen kann was man selbst erlebt hat, oder sehr eindringlich, anschaulich beschrieben bekommt.

Und ist es nicht in fast allen Lebenssituationen so? Ich glaube und hoffe, nie ein gefühlsmäßiger Trampel gewesen zu sein, aber rückblickend betrachtet war ich nicht wirklich brauchbar, keine wirkliche Hilfe wenn jemand trauerte. Willig ja, aber leicht zu beruhigen, dass eh alles in Ordnung ist. Also so wirklich dahinter war ich nicht.

So war es bei mir auch als meine Freundinnen und Kolleginnen Mamas wurden, als wir zwischen 20 und 30 waren. Ich hab sie besucht, ei, ei gemacht, Geschenke gebracht, mich gewundert wie ungepflegt sie aussahen, war gelangweilt über die Kindergeschichten und hab mir gedacht wir haben uns überhaupt nichts mehr zu sagen.

Nun bin ich eine späte Tante geworden, eigentlich im Großtantenalter. Gott sei Dank erinnere ich meine Gedanken und versuche mich ein bisschen zurückzuhalten wenn ich über meine Neffen erzähle.

Jetzt komme ich zu, hallo liebe Birgit4, zu Birgit, die „die andere Seite“ präsentiert.
Was wissen wir von dieser Seite? In Wirklichkeit nichts. Wir waren und sind die, die an der Seite des Kranken sind, die im Sterben dabei waren und jetzt sind wir die Hinterbliebenen. Wir verstehen etwas von dieser Seite. Aber da ist es auch nur wieder unsere Erfahrung. Am besten kann ich mich mit jemanden austauschen, der schwer um seine Mutter trauert. In unserer Nachbarschaft gibt es einen thread, da schreibt eine Mutter, deren 18jähriger Sohn gestorben ist. Ich habe das mehrmals gelesen, ich denke darüber nach, ich bin zutiefst berührt, aber ich kann ihr nicht schreiben, ich habe keine Worte für dieses Leid. Es gibt zwei threads in denen ich öfter schreibe, in einem kam eine Mutter mit einem erkrankten Kind, im anderen ein Vater, dessen Sohn gestorben ist. Da konnte ich nicht ausweichen, mich nicht drücken. Jedes Wort das ich dort schreibe kommt mir unzureichend vor. Ich stehe diesem Leid hilf- und wortlos gegenüber.

Ich schweife ab. Ich weiß nicht, ob man das sagen kann, ich wäre gerne mitgestorben. Ich hätte nicht mit meiner Mama mitsterben wollen. Ich möchte mit niemandem mitsterben. Wäre es so, dass ich nur mit meinem Tod das Leben meines Neffen retten könnte, dann würde ich, so glaube ich, für ihn sterben.

Aber das sind alles Gespinste. Zu wissen, dass man sterben muß, alles hinter sich lassen muß, man den einen Schritt alleine machen muß, das hat eine Dimension die man, so glaube ich, nicht begreifen kann. Birgit, ich wünsche und hoffe, dass Du noch eine lange Zeit mit Deiner Familie hast.

Susanne, AndreaS, AndreaM, Euch kenn ich ja,
allen anderen auch
liebe Grüße, gute Wünsche
von Briele
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