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Alt 23.06.2008, 08:19
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Bianca-Alexandra Bianca-Alexandra ist offline
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Registriert seit: 15.02.2008
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Standard AW: MEINE SCHWESTER HAT LUNGENKREBS...was kann ich tun ???

Liebe Anja,

ich habe gesehen dass Du die Fragen stellst, mit denen eigentlich jeder "Neuankömmling" hier ins Forum strömt.

- Statistik. Augenwischerei mag ich nicht. Es ist aber so, dass es natürlich statistische Werte gibt. Aber erstens sind die veraltet (man hat doch auch bei Euch schon ein neues Medikament im petto?) und zweitens haben wir hier ganz viele Beispiele dafür, dass die statistik eben immer von Mittelwerten spricht. Du weißt also nie, auf welcher Seite Deine Schwester steht.

- Wird sie sterben? Es ist - ehrlich gesagt - unwahrscheinlich, dass sie von diesem Krebs dauerhaft geheilt werden kann. Aber: Es kann fürs erste, wenn die Medikamente so toll anschlagen wie bei meiner Mom - eine Remission erreicht werden, sprich der Tumor und/oder einige/alle Metastasen können unterhalb der Nachweisgrenze landen (<0,5cm). Das ist der größte Rundenerfolg den ihr erzielen könnt. Es kann aber auch sein, dass dies mit dem ersten Medikament vielleicht nicht erreicht wird. Es kommt auch darauf an, welche Dosis man ihr aufgrund ihres Allgemeinzustandes zumuten kann. Denn wichtig ist in erster Linie dass es ihr besser geht. Und da muss leider manchmal die Krebsbekämpfung ein bißchen zurück stehen. Das ist am Anfang schwer zu akzeptieren.

- Wie soll ich mich verhalten wenn sie fragt ob sie sterben wird? Liebe Anja, Deine Sorge kann ich verstehen und es gibt keine pauschale Antwort. Es gibt Patienten, die sich in ihr Schicksal fügen. Dann gibt es welche, die nichtmal wissen wollen, welches Medikament sie bekommen. Dann gibt es wieder welche, die wie meine Mutter ALLES wissen müssen. Dann fällt sie erstmal in ein Loch und aktiviert frei nach dem Motto "und jetzt erst recht" nie geahnte Kräfte. Sie zerschmettert es wenn sie dinge erfährt die ihr vorher nicht klar waren.

Was Deine Schwester angeht, ich kenn sie nicht und weiß nicht, wie sie welche aussage auffassen würde, da ist ja jeder anders. Ich persönlich denke, dass Du hierauf keine Antwort geben musst. Du kannst es ja auch schlichtweg nicht, dieser Ball liegt eigentlich bei den Ärzten. Ich halte es für Wichtig, dass Du Deiner Schwester kleine Etappenziele aufzeigst die es zu erreichen gilt. In erster LInie: Schmerzlinderung. Das wird durch die Bestrahlung schnell eintreten. Dann ist der Allgemeinzustand zu verbessern. Auch das wird mit der Bestrahlung passieren. Erst dann ist es an der Zeit, gegen den Krebs im ganzen Körper mit Chemo vorzugehen. Dann ist das erste Ziel dass zumindest ein Stillstand des Wachstums erreicht wird. Du wirst Dich damit anfreunden müssen, das ist ein ERFOLG. Im Idealfall kann er verkleinert werden.

Ich hoffe Du verstehst was ich meine. Ich halte realistische Ziele für sehr, sehr wichtig. Es bringt nichts, auf alles zu setzen und dann doch nur immer enttäuscht zu werden. Das raubt die Kraft.

- Haarausfall... Ja, da war ich auch sehr unsicher, meine Mom ist eine sehr körperbewusste Frau und immer schon ungemein attraktiv - auch im Schluderlook hat sie immer die Blicke auf sich gezogen. Gott sei Dank hat sie ihren Stolz behalten. Sie ist eine der ganz wenigen, die die Glatze "offen" trägt.

Im allgemeinen empfiehlt man aber eher, zum Frisör zu gehen bevor die Haare ausfallen. Vorteil ist, dass die Perücke (sofern man eine möchte) dann wirklich anhand der natürlichen Haare und Frisur ausgesucht werden kann und Fremde den Unterschied nicht unbedingt sehen. Es gibt ein Rezept, die Kasse übernimmt einen guten Teil. Liebe ein bißchen mehr als weniger investieren, sonst schwitzt man drunter und sie juckt. Die meisten (meine Mom auch) lassen sich erstmal beim Friseur einen Kurzhaarschnitt machen bevor die ersten Haare ausfallen damit der Unterschied nicht so heftig ist. Fallen die Haare massiv aus, rasieren sich die meisten die Haare komplett ab. Es ist meist sehr deprimierend wenn ein Griff durch die Haare so deutlich ist.

Es ist sicher für eien Frau ein schlimmer Schritt. Aber erstaunlicherweise steht die Glatze den meisten Frauen sehr gut. Für Angehörige glaube ich ist es aber der erste Moment, in dem die Krankheit von außen sichtbar und begreifbar wird. Vielleicht könnt ihr das zusammen machen? Meine Mom hat damals schon geweint. Sehr sogar. Aber schnell war klar, dass das nicht wichtig ist. Und es steht ihr. So komisch das klingt.

Du hast gesagt, Du möchtest Dir die Hoffnung aufrecht erhalten. Das solltest Du auch, denn ohne kannst Du sie ja schlecht weitergeben.

Wir alle hoffen auf eine möglichst lange, beschwerdefreie Zeit. Wir hoffen auf eine gute Verträglichkeit. Wir hoffen, dass die Lebensqualität wieder beser wird.

Ich denke, Du verstehst was ich meine. Wichtig ist, dass es ihr gut geht, oder zumindest besser. Egal wie lange, es soll ihr einfach nur besser gehen.

So, Anja. Ich habe gesehen dass um Deine Fragen ein Bogen gemacht wurde. Das ist ganz normal, Du stellst Fragen, auf die man keine Antwort geben kann. Auch ich kann Dir nur aufzeigen, wie ich und meine Mom damit umgehen, es kann ja gut sein, dass ihr einen anderen Weg besser findet.

Auch ich habe mich über Statistiken damals schlau gemacht. Die Folge war, dass ich Monate in bewegungsloser Panik verbracht habe. Inzwischen gehört meine Mom zu den Glücklichen die die Prognose Lügen gestraft haben.

Seid um jede schöne Zeit dankbar. Wichtig ist, dass es ihr besser geht. Ich hoffe, meine offenen Worte haben Dich nicht erschreckt. Ich habe irgendwann gemerkt, dass bei meinen vielen Recherchen meine Mom auf einmal aus Medikamenten und Metastasenzuständen bestand. Inzwischen veruschen wir einfach, dem Leben schöne Seiten abzugewinnen und uns eine schöne Zeit. Wir haben schon viel davon geschenkt bekommen.
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Liebe Grüße - Bibi
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Dankbarkeit
ist die Erinnerung
des Herzens
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