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Alt 14.08.2014, 12:24
Tiina Tiina ist offline
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Standard AW: Mama fehlt so sehr, immernoch unfassbar

Liebe Claudi,
das Bild von Euch beiden ist ja wirklich wunderschön!

Ich kann mir gut vorstellen, dass Deine Mama es so wollte, dass Du nicht dabei warst, dass sie Dir das ersparen wollte. Es ist ja offensichtlich so, dass manche Menschen dabei alleine sein wollen und andere jemanden bei sich haben wollen - und dass sie es oft irgendwie so einrichten, dass das passt.

Als ich am Tag bevor sie starb morgens ins Hospiz gekommen bin, lag sie zum ersten Mal im Bett - sonst sass sie immer im Rollstuhl. Da war schon klar, dass es wieder eine deutliche Verschlechterung gegeben hat. Sie war an dem Tag aber ruhiger - am Tag vorher war sie deutlich unruhiger und verwirrter, teilweise auch etwas aggressiv, was ganz untypisch für sie war.
Wir haben noch normal miteinander gesprochen, sie hat noch ein wenig gegessen, die lieben Schwestern haben sie im Bett zu einem Chorkonzert gerollt, das im Hospiz stattfand und sie hat ganz begeistert zugehört. (Sie hat selber leidenschaftlich im Chor gesungen.)
Am Nachmittag wurde mir klar, dass sie sich auf den Weg macht - eine Schwester hat mich auch ganz lieb angesprochen, dass es gut wäre, wenn ich bleibe.

Ich habe dann den Abend und die ganze Nacht an ihrem Bett gesessen - in der Zeit hatte ich nur einen Wunsch: Dass sie nicht mehr leiden muss! Ich habe gebetet obwohl ich eigentlich nicht gläubig bin, ich habe nicht gewagt, sie zu streicheln aus Angst, dass ich sie wecke; wenn sie meine Hand losgelassen hat, habe ich nicht gewagt, sie wieder anzufassen aus Angst sie zu stören, es ihr schwerer zu machen loszulassen.
Irgendwann sprach sie mich an "Ich kann nicht mehr." Ich habe ihr geantwortet "Du brauchst auch nicht mehr" und sie hat genickt.

Die letzten Stunden war sie ganz ruhig und offenbar schon weit weg, da habe ich einer Schwester noch geholfen, sie etwas "frisch zu machen". Sie hatte den typischen rasselnden Atem, aber ich habe oft gehört, dass der für die Betroffenen eigentlich nicht schlimm ist, hört sich nur schlimm an. Ich habe ihr noch den Brief vorgelesen, den ich ihr einen Monat vorher geschrieben hatte (der war so ziemlich das einzige, was sie mit ins Hospiz nehmen wollte).
Irgendwann gab es Atemaussetzer, sehr kurz danach hörte sie einfach auf zu atmen. Der Moment war irgendwie sehr unspektakulär - zufällig war gerade eine Schwester dabei, die mir bestätigt hat, dass das ihre letzten Atemzüge waren. Ich habe ihr noch ein paar liebe Dinge gesagt, mich endlich getraut, sie zu streicheln - und war vor allem unendlich erleichtert, dass sie jetzt endlich nicht mehr leiden muss.

Danach habe ich noch einige Zeit bei ihr gesessen, ich habe sie auch zusammen mit der Schwester angezogen und es fiel mir sehr schwer zu gehen...

Alles Liebe für Dich,
Anja
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