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Alt 13.02.2003, 08:55
Gast
 
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Standard Tage, an denen es besonders schlimm ist

Liebe Cas,

ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll.
Ein Monat ist noch ganz kurz - ich bin sicher, fast allen hier ist es da so gegangen wie dir. Es ist so unvorstellbar, dass der Alltag weitergeht, dass die Welt nicht mal für einen Augenblick "die Luft anhält". Auch ich habe das so empfunden.

Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Aber mit der Zeit wird aus der Wunde eine Narbe. Die wird zwar auch immer wieder mal weh tun, vielleicht auch noch mal aufbrechen - aber es wird nicht mehr dieser verzweifelte Schmerz sein.

Mir hat die Vorstellung geholfen, dass Liebe loslassen bedeutet. Ich glaube jeder hat seine Aufgabe im Leben. Die meines Vaters ist erfüllt. Er musste seinen Weg gehen, und ich muss den meinen gehen - eine Zeitlang durften wir ihn zusammen gehen. Und zu Ehren meines Vaters möchte ich meinen Weg so gut wie möglich meistern.

Ich habe auch versucht einen Sinn im Tod meines Vaters zu sehen. Und ich bin draufgekommen, dass ich sehr viel über das Leben und den Tod daraus gelernt habe. Viel mehr als in meiner medizinischen Ausbildung, viel mehr als durch meine chron. Erkrankung, die eine Transplantation notwendig machte. Das war alles nichts dagegen.
Heute schäme ich mich für die Worte die ich früher zu sterbenskranken Patienten gesagt habe - ich hatte es nur gut gemeint, aber ich hatte nichts verstanden...

Denk mal nach, ich bin sicher auch du hast viel lernen können.

Früher als mein Vater noch krank war, hatte ich meine Ängste (ihn zu verlieren) und seine Ängste (was wohl noch auf ihn zukommt, welche Schmerzen, welche Entscheidungen, welche Rückschläge....)
Nun habe ich nur noch MEINE Trauer um den Verlust, um das sich alles dreht - aber so wichtig bin ich doch gar nicht.
Damit meine ich nicht, dass man nicht manchmal alles aus sich herausschreien oder weinen soll; aber man soll sich auch bewußt sein, dass man das Leben im HEUTE leben muss.

Denn vielleicht verliere ich auch früher oder später meine Mutter, und würde mir danach Vorwürfe machen nur mit ihr getrauert zu haben, statt noch mit ihr GELEBT zu haben. Vielleicht muss auch ich gehen, und meine Kinder würden mich als traurige Mutter in Erinnerung behalten.

Wie du deiner Mutter am besten helfen kannst ohne immer die "Starke" zu sein, kann ich dir leider nicht sagen. Denn meine Mutter verkraftet das erstaunlich gut...

Im Bekanntenkreis habe ich auf die Frage wie es mir ginge immer mit "es geht schon wieder" geantwortet. Alle waren zufrieden; ausgesprochen habe ich mich hier im Forum. Da war und ist es leichter für mich.
Wenn es jemanden wirklich interessiert wie es einem geht, wird er nachfragen - für alle anderen genügt der "Standardsatz". (Denn auf eine nicht ehrliche Frage, muss ich auch keine ehrliche Antwort geben - finde ich.)

Du fagst, ob es Trauer, Wut, Unverständnis oder Leere ist? Es ist alles zusammen - lass dir Zeit.

Alles Liebe
Afra
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