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Alt 17.03.2002, 09:19
Gast
 
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Standard Die Achterbahn der Trauer

Liebe Marianne,
da ich nur sehr schlecht schlafen kann, stehe ich immer frühzeitig auf. Seit ich den Krebs-Kompass entdeckt habe, ist meine erste Handlung nach dem Aufstehen, PC an. Wenn mir jemand geschrieben hat, ist es ein kleines Glücksgefühl nicht allein zu sein. Heute morgen, kurz vor dem Aufwachen, habe ich von meinem geliebten Mann ge-
träumt. Ich habe ihn laut meinen Namen rufen hören. Ich fand ihn im Keller auf einer Couch sitzend, er hielt mir das Telefon hin und sagte,
warum ich denn nicht ans Telefon gehe wenn es klingelt. Dann bin ich munter geworden und hatte noch ganz deutlich seine Stimme im Ohr. Ich bin jetzt, fast 3 Stunden später noch ganz aufgewühlt. Eigentlich bin ich in meinem ganzen Leben ein sehr realistischer Mensch und glaube an keinen "Humbug". Aber seit mein Mann tot ist, stehe ich ohnehin meistens neben mir. Mir geht es oft ähnlich wie Dir. Die eine Christiane zerreißt es fast vor Trauer und sagt, alles ist vorbei, glücklicher wirst du nie mehr. Die andere Christiane sagt, dein Volker hätte nicht gewollt das du dich so gehen läßt und so traurig bist. Er wollte zwar noch viele gemeinsame Jahre mit dir verbringen, aber es ist anders gekommen und durch den schnellen Tod ist ihm wahrscheinlich noch größeres Leid erspart geblieben. Leb einfach weiter, für ihn mit, tue alles was ihn mit Sicherheit erfreuen würde.
Diese beiden Gegensätze in mir, kämpfen regelrecht miteinander und man kann da nicht einfach raus.

Das Lesen Deine Berichtes hat mich sehr aufgewühlt, gibt es doch viele Parallelen und doch ist jedes Schicksal anders. Der Gedanke, weit von dem geliebtesten Menschen entfernt zu sein in den letzten Stunden, ist doch so grausam. Für mich war es schon unvorstellbar, die 40Km von unserem Wohnort bis zum Krankenhaus
von ihm entfernt zu sein. Deshalb habe ich die ganze Zeit im Gästezimmer des Krankenhauses ver-
bracht. Im Gegensatz zu Dir, wurde ich von den Ärzten über alles sehr genau informiert. Deshalb wußte ich auch gleich nach der OP am 3.Dezember,
daß mein Mann keine Chance mehr hat. Auch er hat es wohl gewußt, hat aber so sehr gekämpft. Es war ein Abschiednehmen über 2 Monate. Zusehen zu müssen, wie aus meinem großen, starken und noch sehr jugendlich wirkenden Mann, plötzlich ein trauriger, kranker Mensch wird, geht fast über das Erträgliche hinaus.
Ich stelle mir vor, wie Du mit Deinem todkranken
Gary nach Amerika geflogen bist. Was Ihr durchgemacht habt, als keine Hoffnung mehr bestand. Dann mußtest Du zurück nach Deutschland
und hast Deinen geliebten Gary nur noch tod in den Arm nehmen können, es ist grausam!
Wie gehst Du damit um, kein Grab von ihm in Deutschland zu haben? Ich gehe oft an das Grab meines Mannes und weiß doch, er weiß es ja nicht.
Trotzdem zieht es mich ständig hin und eigentlich macht es mich jedesmal noch trauriger. Dann ist immer wieder diese Endgültigkeit da und das Szenario der Beerdigung.
Ich sehe ihn dann jedesmal wieder tot vor mir liegen, wie ich seine noch warmen Hände an mich drücke und seine erloschenen Augen.

Ja, liebe Marianne, wenn ich mir im Forum die ganzen Berichte durchlese, kommen mir so oft die Tränen. Soviele entsetzliche Schicksale und oft wird dem, wie bei Dir, noch eins draufgesetzt.

Du hast, wie Du schreibst ja wenigstens Freunde und Familie. Vorallem auch eine Arbeit. Das alles
fehlt mir so sehr.
Ich würde mich sehr freuen wenn Du mir wieder schreibst. Es hilft wirklich sehr, daß habe ich in den letzten Tagen gemerkt, sich über Trauer, Gefühle, Gedanken und vielleicht auch mal über kleine erfreuliche Dinge, auszutauschen.

Sei ganz lieb gegrüßt und umarmt
bis bald Christiane
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