Einzelnen Beitrag anzeigen
  #25  
Alt 04.10.2003, 17:11
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard ich habe schuld

Lieber Rollo,

wie gut ich Deine Gefühle, Deine Fragen verstehen kann. Du bist
aber tatsächlich nicht alleine. Vielen Betroffenen geht es so.
Es gibt Selbstanklagen, es gibt sehr positive Rückblicke, es gibt unendlich viele Fragen in bezug auf die Gegenwart und die Zukunft.

Ich habe meine Frau um Juni 2000 durch eine sehr seltene Krebsart verloren (Siehe mein Thread in diesem Hinterbliebenen-Forum im Archiv 3 etwa vom Juli 2003 mit dem Titel: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit).

Ich habe Deine Beiträge und die Antworten still verfolgt.

Glaube mir, aus Deinen Schilderungen geht hervor, daß Du sehr liebevoll ALLES getan hast, was Du tun konntest. Es wurde Dir jedoch von unerreichbarer Warte aus bedeutet, daß Deine liebe Frau von nun an einen anderen (höheren) Weg ohne Krankheit und Schmerzen gehen wird. Du hast die Chance weiterzuleben.

Suche die Zwiesprache mit deiner Frau (am Grab, in der Natur, wo auch immer). Spreche laut, klage laut, weine laut. Das ist zunächst schwer, aber dann kannst Du vielleicht auch die Entlastung Deiner Seele dabei spüren.

Suche den Gesprächskontakt mit lieben Freunden über Deine tiefe Trauer.

Was Dir vielleicht jetzt wehtun wird, wenn ich es Dir sage:

Entferne die Kleider Deiner Frau, leere die Schränke mit
den Dingen, die Dich ganz, ganz nah berühren und Dir nur
weh tun. Gib Sie der Diakonie oder ähnlichen Institutionen.
Tu was Gutes damit im Sinne deiner Frau.

Es gibt so viele andere ganz positive Dinge in der Wohnung, die Dich an Sie erinnern werden und NICHT schmerzen.

Entferne (Vernichte) die Krankenakten.

Gehe nochmals die vielen Wege, die Du mit Ihr gegangen bist.
Erinnere Dich an die schönen und auch schweren Dinge dabei.
Weine laut.

Gehe nochmals in die Klinik, wo deine Frau zuletzt war.
Prüfe dabei, was in Dir dabei vorgeht und was sich nun bei
Dir geändert hat. Lasse die Tränen zu.

Lasse zu, daß Du selbst sehr sehr viel GELEISTET hast,
Du warst Ihre beste und liebste Unterstützung bis zum letzten
gemeinsamen Augenblick.

Das unergründliche Schicksal (Gott) hat es anders gewollt, Du hast nun alleine weiter zu leben. Es ist sicher ein Wunsch und eine Aufgabe von Deiner Frau für Dich: Lebe und geniesse bewußt die wertvolle Zeit. Suche das Glück in dieser Zeit.

Tue im Sinne Deiner lieben Frau alles, um ZU LEBEN, bewußt zu
handeln und in Verantwortung in die Zukunft zu schauen.

Wenn Du jeden Tag sehr großen Trauerdruck oder immer noch
sehr viel Niedergeschlagenheit spürst und keine Freunde hast,
denen Du Dein Innerstes offenbaren kannst, so suche eine
Trauergruppe auf (Diakonie, Caritas und andere Institutionen bieten so etwas an ). Es wird Dir sehr helfen, Trauer zu verarbeiten, Dich neu zu öffnen für das Leben und Dir vielleicht auch helfen nicht krank zu werden vor Trauer.

Du wirst es schaffen, denn Sie betrachtet dein Tun liebevoll
und wird Dich weiter wunderbar begleiten, auch wenn Sie nun
unsichtbar an deiner Seite ist.

Habe Vertrauen in Dich selbst, lasse alle Deine Gefühle zu, wie
dunkel sie auch sein mögen

Mit lieben Grüßen
Shalom
Mit Zitat antworten