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Alt 11.03.2008, 23:13
FlyAway FlyAway ist offline
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Standard Erinnerungen an meinen Papa

Hallo zusammen,

ich bin auch neu hier. Seit kurzem bin ich als stiller Leser hier im Forum unterwegs, lese die Beiträge der momentan Betroffenen und muss dabei immer wieder an unser eigenes Schicksal denken. Ich habe das Gefühl, nicht allein mit diesem schlimmen Schicksal zu sein und vielleicht hilft es diesen unheimlichen Schmerz wenigstens ein bisschen zu lindern.

Im Mai 2006 klagte mein Papa (damals 58 Jahre) immer wieder über Oberbauchschmerzen. Der Hausarzt hat erst an Verstimmungen etc. gedacht. Nachdem meine Mama darauf gedrängt hat, dass die Ärzte die Bauchspeicheldrüse genauer untersuchen sollen, wurde Ende Juni 2006 Verdacht auf Bauchspeicheldrüsenkrebs gestellt.

Mein Vater wurde eine ganze Zeit vorher genau wegen dieser Krankheit durchgecheckt, weil sein Bruder ein Jahr zuvor an derselben Krankheit verstorben ist. Auch mein Großvater erlag dieser Krebsart. In der Uniklinik wurde dann ein Pankreaskarzinom im Übergangsbereich Korpus/Schwanz diagnostiziert. Es war für uns alle ein Schock. Mein Papa war so stark und gefasst und hat diesen Einschnitt so angenommen und das Beste daraus gemacht. Mein Papa konnte an meinem Geburstag leider nicht mehr teilhaben, weil er am nächsten Tag operiert wurde. Mir war zu diesem Zeitpunkt weder der Ernst der Lage, noch die Schwere der Krankheit bewusst. Er hatte die OP sehr gut überstanden. Die anschließende Chemo hat er super vertragen. Er hatte dann die Chemo bis Dezember 2006. In dieser Zeit hat er viel gelacht und unternommen,mich so gut es ging bei meinem Umzug unterstützt. Er war ein Bastler und konnte sich nicht zurückhalten anderen zu helfen.

Wir hatten so viel Hoffnung, dass alles wieder gut wird und es vom lieben Gott vielleicht "nur" ein Schlag vor den Bug war. Wir hatten gemeinsam ein wunderschönes Weihnachtsfest und Silvester miteinander erlebt. Er war so zuversichtlich, weil es ihm gut ging.

Im Januar 2007 war er wieder zur Nachsorgeuntersuchung. Es war alles in Ordnung. Ich hatte das Gefühl, er wird es überstehen - mir war diese "sch..." schlimme Krebs nicht bewusst. Mitte Februar 2007 hatte er dann wieder über Bauchschmerzen geklagt. Er war eine ganze Zeit lang im Krankenhaus hier im Ort - vielleicht zu lange, unnötig. Es wurde dann festgestellt, dass sich ein Bauchfellkarzinom neugebildet hat, auch im Dickdarm waren Raumforderungen und eine Lebermetastisierung zu erkennen. Warum?? Woher kam es so plötzlich? Er wurde dann wieder in der Uniklinik nochmal operiert. Es wurde ein Port gelegt, er konnte dann auch nur noch künstlich ernährt werden. Ab diesem Zeitpunkt ging es schnell - aber diese Zeit habe ich nicht genutzt, weil ich es nicht erkannte.

Wir waren seit dem 1. Tag, an dem er wieder im KH war, immer wieder bei ihm. Am 13.03.07 haben meine zwei Schwestern und ich ihn wieder besucht. Er war sehr geschwächt, er konnte nicht mehr sitzen, hatte sehr Schmerzen und auch der Kreislauf war instabil. Wir haben ihm eine kleine Ruhepause gegönnt und waren unten im Warteraumraum. Ich sagte noch (unüberlegt) "Meint ihr, Papa kommt nochmal nach Hause?". Wir waren noch eine Zeit und dann wollte er schlafen...

Am nächsten Tag hat meine kleine Schwester mich auf der Arbeit angerufen, dass ich sofort kommen muss, weil er wahrscheinlich nicht mehr lange Zeit hat. Es war ein Schock - wie als würde in meiner Welt jemand anklopfen und mich aus meiner Haustüre in ein dunkles schwarzes Loch stoßen. Ich bin so schnell ich konnte zu ihm. Es war so schlimm, weil er an einer Schmerzpumpe angeschlossen war und eigentlich nichts mehr sagen konnte. Meine Mama und meine Schwestern waren da, wir haben mit ihm gesprochen, ihn gestreichelt, ihn angelächelt, ihn gedrückt. Wir haben für ihn eine Kerze angezündet und auf seinen Tisch vor dem Bett gestellt.

Im Nachhinein ist es für mich so schlimm, weil ich die verbleibende Zeit nicht genutzt habe mich für alles zu bedanken, ihm zu sagen wie wichtig er ist und wie sehr ich ihn liebe.

Sein Bauchraum war ganz hart von diesem wuchernde besch.... Krebs. Er hat sich mit dem Atmen schwer getan, weil es schon auf die Lunge gedrückt hat. Er hat nur noch nach Luft geschnappt. Aber sein Herz war so stark, wir haben gefühlt, dass er uns nicht verlassen will und kämpft und leben will. Es war eine Qual für mich zu sehen, wie er leidet und wie hilflos wir daneben sitzen müssen.

Meine Mama sagte dann, jetzt ist es soweit, er kann nicht mehr....In diesem Moment machte mein Papa die Augen ganz weit auf - sie waren so klar und ganz weiß. Sein Herz hörte auf zu schlagen und er schlief am 15.03.07 frühmorgens ein. Es war eine Erlösung von seinen schweren Qualen. Wir öffneten die Balkontüre, damit seine Seele frei kann. Wir hatten das Gefühl, dass seine Seele entweichen würde, weil die Flamme der Kerze sich bewegte, obwohl wir ruhig standen und auch der Vorhang durch die offene Tür sich nicht bewegte.

Ich habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt und seiner schweren, unüberwindbaren Krankheit zu wenig ernst ins Auge geblickt. Ich habe die Zeit nicht so genutzt, wie ich es hätte tun können, weil ich es nicht kapiert habe, wie ernst das Ganze ist. Auch tut es mir sehr weh, dass er sich nicht mehr verabschieden konnte und das sagen konnte, was ihm auf der Zunge lag. Mir tut mein Herz weh, wenn ich daran denke, dass meine Mama die Hand ihres Vertrauten und Weggefährten loslassen musste und nun alleine ihren Weg gehen muss. Vor allem, dass er die schönen Seiten des Lebens und die Freuden und das Glück eines Vaters (Hochzeit der eigenen Kinder, Enkelkinder, etc.) nicht mehr erleben durfte.

Welche Antworten gibt es auf all die Fragen, die uns quälen und traurig machen? Und wer beantwortet sie? Ist es Gott?

Was bleibt, ist ein tiefes Loch in meinem Herzen mit vielen Gedanken und vielen schönen Erinnerungen. Mein Papa hat eine tiefe Spur auf meinem Herzen hinterlassen. Ich hoffe und versuche zu glauben, dass er vielleicht irgendwo auf uns wartet und wir ihn irgendwann wieder treffen und an der Hand nehmen dürfen.

Ich spreche nie darüber und versuche nicht daran zu denken, weil mir sofort die Tränen kommen. Ich kann auch mit meiner Familie nicht sprechen, weil ich weinen muss und sie nicht belasten möchte. Mein Freund und auch Freundinnen unterstützen mich sehr. Aber ich denke, es ist schwierig, weil wer es nicht selbst erlebt hat, kann es nicht so nachfühlen.

Meine Gedanken, die ich heute an Euch richte, habe ich bisher nur für mich zusammengeschrieben. Heute hatte ich aber das Bedürfnis unsere Geschichte einfach zu erzählen und es mir einfach nochmal von der Seele zu schreiben, weil jeder hier in diesem Forum mit dem Verlust eines geliebten Menschen fertig werden muss.

Bitte entschuldigt, dass ich so viel und ausführlich geschrieben haben. Vielleicht hilft es, wenn auch ich es einfach mal raus lasse. Danke dafür.

Viele Grüße
FlyAway
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