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Alt 04.06.2014, 09:33
CatLove89 CatLove89 ist offline
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Standard Der erste Geburtstag ohne Dich!

Am Freitag ist es soweit. Papa hätte Geburtstag. Er würde 56 Jahre alt.
Es ist nun auch schon (oder erst?) etwas über einen Monat her, dass er nicht mehr bei uns ist.

Am 01.10.2013 bekam er die Diagnose Lungenkrebs. Genau 7 Monate später, am 01.05.2014, ist er für immer eingeschlafen.
Wir wussten, dass dieser Tag irgendwann kommen wird, das es aber doch so schnell gegangen ist... damit haben wir alle nicht gerechnet!

Die Anfangszeit, nach der Diagnose, war noch recht gut. Er kurz nach der Diagnose die erste Chemo bekommen. Er hat es gut vertragen. Die zweite Chemo ebenso. An Weihnachten fingen seine Haare an auszufallen. Direkt nach den Weihnachtsfeiertagen hat er sich die Haare ganz ganz kurz schneiden lassen. Es war erstmal ein komischer Anblick, aber man hat sich dran gewöhnt und er sah auch gut aus, so ohne Haare

Im Januar bekam er dann zusätzlich Bestrahlung auf die Lunge. 6 Wochen lang, Mo-Fr... In der letzten Woche der Bestrahlung wurde sein linkes Auge komisch... Er war daraufhin beim Augenarzt. Er sah verschwommen. Nach einigen Tests wurden ihm erstmal Tropfen verschrieben, ein paar Tage später dann doch Augenklinik. Dort wurde festgestellt, dass er einen Tumor hinter dem Auge hat, der auf den Sehnerv drückt. Dadurch hat er verschwommen gesehen. Also: Bestrahlung auf das Auge, wieder 6 Wochen.

Seit dem 14. Februar 2014 war er nur noch im Krankenhaus. Im März war er 3 Tage zu Hause. Dann musste meine Mama nachts den Notruf rufen. Wert des Zuckers war über 400. Als der Notarzt da war, hat das Gerät von denen garnichts mehr angezeigt. Außerdem hatte er etwas Blut im Stuhlgang. Fazit: Intensivstation, Magenspiegelung... Als er da so lag... Ich hatte an diesem Tag schon Angst, dass ich ihn das letzte mal gesehen habe. Am nächsten Tag war er wieder "top fit", ist auf dem Gang rumgelaufen und hat Scherze gemacht. Ende der Woche wurde er in "sein" Krankenhaus verlegt, weil er wieder Chemo bekommen sollte. Daraus wurde dann aber nichts, weil die Blutwerte zu schlecht waren. Er hat daraufhin auch Blutinfusionen bekommen.

An einem Samstag kam er dann mal wieder nach Hause. Mama hat ihn mittags geholt (das Krankenhaus, wo er immer war ist ca. 65km entfernt). 4 Stunden später hat sie wieder den Notruf geholt, da Papa vor Bauchschmerzen geschrien hat. Er lag dann ein paar Stunden in der Notaufnahme. Es kam mal ein Arzt, dann wieder ein anderer und dann noch ein anderer. Was es nun genau war, weiß ich garnicht so genau. Es wurde erst Darmverschluss vermutet, was aber nicht der Fall war. Die Bauchschmerzen waren nach ein paar Stunden auch wieder weg. Er musste allerdings wieder Blutinfusionen bekommen.

Das nächste mal war er dann über Ostern zu Hause. Gründonnerstag kam er heim. Wir haben an Ostern zusammen zu Mittag gegessen. Den Donnerstag nach Ostern sollte er nur ambulant ins Krankenhaus zur Chemo. Meine Mama ist mit ihm mitgefahren im Taxi. Im Krankenhaus angekommen, wurden wieder schlechte Blutwerte festgestellt. Er "durfte" dann wieder dort bleiben.

Den Samstag nach Ostern (26.04.) war ich den nachmittag alleine bei ihm. Ich habe ihm eine frisch gebackene Waffel mitgebracht aus dem Bistro im Krankenhaus. Er hat eine gegessen und ich eine. Er hat sie fast verschlungen. An dem Nachmittag bemerkte ich, dass seine Hände dick angeschwollen waren.

Am Mittwoch danach (30.04.) ist er mal wieder gefallen. Er wollte auf Toilette. Obwohl die Schwestern immer gesagt haben, er soll nach ihnen klingeln, wenn er auf Toilette muss, hat er es nicht gemacht. "Ich möchte selbstständig bleiben und niemanden zur Last fallen", hat er immer gesagt. Nach seinem Sturz hat er sich in die Hose gemacht (großes Geschäft....). Ihm wurde daraufhin dann auch ein Katheter gelegt. Meine Mama war den nachmittag bei ihm und hat irgendwie schon etwas geahnt. Sie hat ihren Vater beim Sterben begleitet und hat bei meinem Papa nun auch schon so einige Anzeichen gesehen.

Am 01.05. wurde Papa in ein Einzelzimmer verlegt. Ich glaube, das sind "Sterbezimmer". In einem abgetrennten Teil, mit einem kleinen Fenster in der Tür. Mama rief mich und meine SChwester nachmittags dann an, dass wir bitte kommen sollen, die Ärzte hätten gesagt, dass wir mit dem schlimmsten rechnen müssen.

Als ich im Krankenhaus eintraf stand Mama im Flur und hat geweint, sie war aber so froh, dass ich da war. Meine Schwester kam ein paar Minuten später (wir haben ja selbst eine Anfahrt von 30 bzw. 60 Minuten). Wir saßen/standen bei Papa am Bett. Er hat ganz viel erzählt. Zwischendurch war er auch ganz ruhig und hat an die Decke gestarrt. Manchmal hat man ihn aber auch nicht verstanden (vermutlich hatte er Wasser im Kopf). Ich vermute mal, dass das Wasser vielleicht auf das Sprachzentrum im Gehirn gedrückt hat?!... Es war aber eigentlich noch ein "schöner" Nachmittag. Der Ablauf war auch noch ganz normal, wie immer... Es wurde Zucker gemessen.. Er hatte eine Infusion bekommen... Ihm wurde abends das essen gebracht.. Er hat allerdings nur ein ganz kleines Stückchen Brot gegessen...

Nach dem Essen meinte er, er wäre müde. Er möchte jetzt schlafen, der Tag war anstrengend. Wir könnten ruhig nach Hause fahren, wenn wir wollten. Wir sind dann auch nach Hause gefahren, gegen 18:30 Uhr. Wir haben usn ganz normal verabschiedet. "Bis morgen, Papa, ich hab dich lieb!" Das waren meine letzte Worte, die ich zu ihm gesagt habe. Er hat mir dabei nur in die Augen geschaut und garnichts gesagt.

Eine Std. später ist meine Mama zu hause angekommen. Sie hat gerade die Haustür aufgeschlossen. Das Telefon klingelte, sie sah die Telefonnummer und wusste, was passiert ist: Papa ist eingeschlafen, für immer!

Ich war mir von anfang an sicher, dass er es wusste. Er hat zwar kein einziges Wort darüber verloren, dass er sterben muss. Es wurde auch an dem Tag nicht darüber gesprochen. Aber er wusste ganz genau, dass er gehen wird.


Papa, ich vermisse dich schrecklich! Ich bin stark, das weißt du, aber es fühlt sich trotzdem alles so furchtbar schrecklich an! Habe ich es überhaupt schon richtig realisiert? Papa, ich hoffe, du hast nun eine Antwort auf deine Frage, die du dich seit dem 01.10.2013 gestellt hast: "Warum ich?".

Ich wünsche allen Menschen, die in so einer Situation stecken wie ich, viel Kraft für die kommende Zeit! Und allen Betroffenen viel Glück für die Zukunft und hoffentlich Heilung oder zumindest ein unbeschwertes Leben!

Liebe Grüße
catlove89

P.s.: Ich entschuldige mich, dass mein Text so lang geworden ist, hoffe aber trotzdem, dass ihn einige bis zum Ende gelesen haben.
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