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Alt 27.11.2005, 14:39
martinese martinese ist offline
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Standard Eine (fast) Erfolgs-Story die nun doch zu scheitern droht

Schon seit längerer Zeit verfolge ich die Beiträge in diesem Forum, leider sind die Schicksale oft von Misserfolg geprägt.
So habe ich mich entschieden mit der Geschichte meiner Mutter zu warten, bis sie gut ausgegangen ist, um ein positives Beispiel vermelden zu können. Leider dreht sich momentan das Blatt und die Chance auf einen guten Ausgang wird immer geringer.

Seit 8.Juni ist uns bekannt, dass meine Mutter an BSDK erkrankt ist.

Die ersten Anzeichen der Erkrankung gab es bereits im März. Mit starken Bauchraumschmerzen und extrem hohen Lipase-Werten wurde meine Mum ins Krankenhaus eingeliefert. Erste Untersuchungen deuteten auf eine Bauchspeicheldrüsenentzündung hin. Ultraschalluntersuchungen haben eine Verengung des Bauchspeicheldrüsengangs und eine Stauchung des Gallengangs gezeigt. Auf den Bildern war nicht deutlich zu sehen, was diese Verengung verursacht hat. Anfangs sah es kurzfristig aus wie ein Schatten, sprich einem Tumor, dann hatte sich dieser Schatten aufgelöst. Nach zahlreichen Untersuchungen hat man sie nach 10 Tagen Krankenhausaufenthalt mit Verdacht auf Entzündung entlassen.

Im Mai hat sich nach einer ERCP der Verdacht erhärtet, dass es sich doch um einen Tumor handeln könnte. Die Wahrscheinlichkeit lag bei 80:20, dass es einer ist. Das CT ergab, dass es sich wenn dann um einen Pankreaskopftumor handelt. Der restliche Bauchraum wäre frei.
Für uns war klar, dass man die eventuelle Whippelsche Operation an einer guten Klinik machen sollte und nach diversen Recherchen haben wir uns für Prof. Link an der Asklepios Klinik in Wiesbaden entschieden. Nach Sichtung der Bilder und der Akte bezifferte er die Wahrscheinlichkeit auf 50:50.

Am 8.Juni war es soweit die Operation stand an und somit auch die Gewissheit, ob es Krebs ist oder nicht. Gegen Mittag hatte ich das Gespräch mit dem Professor und dadurch auch den Schock. Er berichtete davon, dass es definitiv ein BSDK ist, allerdings in einem extrem fortgeschrittenen Stadium, so dass er keinen Sinn in einer ausführlichen OP sah und nur noch eine palliative Behandlung geplant war. Er hatte einen Tumor im BSD-Kopf, einen an der Hohlvene und befallene Lymphknoten in der Nähe des Dünndarms gefunden. Inoperabler Krebs, obwohl es vorher noch hieß, dass wenn überhaupt im Kopf ein Tumor sitzt. Unglaublich. Aufgemacht und zugemacht, wenn man das in der Vergangenheit gehört hatte, war klar, dass alles verloren war. Und jetzt meine Mutter? Nicht mit mir und vor allem nicht mit ihr! Wir haben uns entschlossen, diese vernichtende Prognose nicht zu akzeptieren.

Ende Juni sind wir nach Heidelberg gefahren, nach einem Gespräch mit Dr.Singer wurde uns gesagt, dass Heidelberg eine Chance sieht. Man könnte insbesondere den gefährlichsten Tumor (an der Hohlvene) bestrahlen und mit der Kombination einer Chemotherapie eine Operation anstreben. Diese exakte Bestrahlung ist meines Wissens nach nur in Heidelberg möglich, da eine Technik angewendet wird, die in nur 6 weiteren Kliniken in Deutschland zur Verfügung steht und die Art der Fixierung der Person sogar einzigartig ist. Riesiger Jubel und neue Hoffnung machten sich breit.

Im Juli stand die Therapie an, insgesamt 25 Strahlungen und 10-12 Wochen Chemo (mit Gemzar bzw Gemcitabin) wurden verabreicht. Zusätzlich dazu wurde sie in eine Studie mit Erbitux aufgenommen und hatte dies auch über den gesamten Zeitraum erhalten. Natürlich war diese Zeit sehr hart (Gewichtsverlust, Erbrechen, Kraftlosigkeit, Schmerzen, volle Programm) insgesamt hätte ich doch mit schlimmeren Konsequenzen gerechnet.
Ende September stand die Entscheidung bzgl einer OP an. Und da war es, ein kleines Wunder. Für den 14. Oktober wurde eine Operation geplant. Die Tumore sind erheblich kleiner geworden und insbesondere der Tumor an der Hohlvene hat sich gelöst. Die Aussichten, dass man alles entfernen könnte, waren nicht groß, aber sie waren da.

Am 14.Oktober war es soweit: Die OP. Nach 10 ½ Stunden stand fest, sie haben es tatsächlich geschafft. Alles raus, unglaublich. Zitat des Operateurs: „Es war an der Grenze des technisch Machbaren“. BSD Kopf entfernt, ebenso 1/3 des Magens, Zwölffingerdarm, zahlreiche Lymphknoten . Unendlicher Jubel folgte und eine Feier bis morgens halb 7.

In den folgenden Tagen lief alles gut, normale Folgen einer Op. Sie war auf einem guten Weg und das Ende der Krankenhauszeit war nahe (man schätzte 7 Tage, wenn alles gut bleibt) Und das war dieser kleine Zusatz, der nicht eingetreten ist.
9 Tage nach der OP ging es das erste Mal schief und es folgte ein auf und ab, dass ich niemandem wünsche und immer noch anhält. Nachts monierte meine Mum, dass sie Schmerzen im Schulterbereich hat. Zusätzlich kam Blut über die Drainagen, also Not-Operation. Es stellte sich heraus, dass die Arterie, die den Dünndarm mit Blut versorgt, angerissen war. Man konnte sie neu umnähen, bemerkte aber, dass nicht sichergestellt ist, ob noch genügend Blut durchfließt. Nachmittags wurden Untersuchungen getätigt, die daraufhin deuteten, dass nicht genügend Blut durchkommt.
8 Stunden nach der ersten OP folgte die zweite. Klar war aber, dass die Gefahr bestand, dass man die Versorgung nicht wieder herstellen und den Dünndarm somit nicht erhalten kann. Zum ersten Mal ganz akute Todesangst. In der OP hat man gesehen, dass entgegen der Vermutung, der Dünndarm gut und ausreichend durchblutet war. Durchatmen. Direkt nach der Op ist ihr Kreislauf komplett weggebrochen, man musste vollste Medikation feuern. Nachdem sich dies gebessert hat, kam ein neues Problem hinzu. Die Leberwerte gingen nach oben. Nicht astronomisch, auch nicht rasend aber konstant. GOT, GPT, LDH alle im Bereich zwischen 2000-3300 Man vermutete ein Hämatom an der Arterie, die die Leber mit Blut versorgt. Sie war zu schwach, so dass man sie nicht operieren konnte. Erste Zellen der Leber sind abgestorben und es war klar, dass sich in den nächsten Stunden entscheidet, ob man die Leber und somit meine Mutter retten kann. Wieder hat sie die kleine Chance genutzt und die Leberwerte sanken. Wieder durchatmen.
Der Tubus hat sie extrem geschmerzt, so dass man sie sediert gehalten hat und sich nach ein paar Tagen für einen Luftröhrenschnitt entschied.
7 Tage später kam Sekret durch die äußere Narbe. Man vermutete eine Fistel und entschied sich zu operieren. Nach der OP hat mich der Prof angerufen und berichtete von einer katastrophalen Situation. Große Teile des Bauchraums waren schwer entzündet. Dünn- und Dickdarm waren extrem schlecht mit Blut versorgt. 1/3 des Dickdarms wurde entfernt, ein künstlicher Dünndarmausgang angelegt. Die Verbindung zwischen Magen und Dünndarm hat sich fast komplett gelöst, da das Gewebe des Dünndarms zu schlecht durchblutet und gerissen war, also neu venäht und was mir bisher nicht möglich erschien, das genähte Stück der Arterie abgetrennt und neu in die Hauptschlagader gepflanzt. Prognose: extrem bescheiden.
2 Tage später die Kontroll Op. Wieder ein Wunder, der Dünndarm hat sich gut erholt. Aufatmen.
Im Laufe der folgenden Woche sammelte sich in den Drainagen wieder Magensekret, vermutlich also wieder ein Leck an der Stelle Magen-Dünndarm. Zuerst war es nicht so viel, dass man abwarten konnte. Leider wurde es immer mehr und man musste wieder operieren.
In der mittlerweile 6. OP stellte sich heraus, wieder das gleiche Leck.
2 Tage später das gleiche Problem, also die 7.OP. Der Operateur sagte, dass der Dünndarm so geschädigt ist, dass das Dünndarmgewebe der Belastung nicht standhalten kann und reisst, dass es schlecht aussieht und er damit rechnet, dass es wieder reissen kann.
So kam es. Ein Tag später (diesen Donnerstag) war es soweit, wieder Magensaft, wieder Leck. Die Profs haben sich zusammengesetzt und beratschlagt. Ergebnis: Es wird ein letztes Mal operiert, dies wäre dann die 6. Op in 4 Wochen, die 8. seit 14.Oktober.

Gestern wurde diese OP durchgeführt.
Es sieht noch schlimmer als befürchtet aus. Nicht nur wieder das Leck zwischen Magen und Dünndarm, sondern auch zwischen Gallengang und Dünndarm. Der ganze Bauch ist entzündet und es ist sehr schwierig, dass diesmal die Nähte halten. Es ist definitiv die letzte OP, man ist an den Grenzen der Chirurgie angelangt.

Kurz gesagt: Wenn die Narben halten, werden wir es packen, wenn nicht werde ich meine Mum verlieren, man kann dann nicht mehr für sie tun. Sie hat 9 Op’s hinter sich , schätzungsweise 25 kg Wasser eingelagert es stand 4-mal ihr Leben auf dem Spiel, sie ist natürlich extrem schwach. Geradezu unerklärlich sind ihre Blutwerte. Die Leber hat sich komplett erholt, die Lunge , Kreislauf, Niere&Co sind mehr als akzeptabel für diese Tortour.

Es fällt mir so schwer zu glauben, dass sie den Krebs entfernen konnten, alle restlichen Probleme lösen konnten und es jetzt an einer an sich so simplen Narbe scheitern soll…

Sie hat seit Juni immer nur eine sehr kleine Chance gehabt und auch in den letzten Wochen, sah es immer so schlecht aus und sie hat die kleine Chance genutzt. Sie ist so tapfer und mutig, sie wächst über sich hinaus. Sie hat es so verdient. Die Mächte , die das Leben bestimmen, viele und auch ich glauben an Gott, warum sollten diese Mächte sie so quälen, wenn sie letztendlich doch verlieren sollte. Das kann nicht sein und das wird nicht sein. Es sind die schwierigsten Stunden meines Lebens, erschreckend ist, dass dieses Superlativ in den letzten Wochen immer korrigiert werden musste. Vor uns liegen 7 Tage, in denen die Narben reissen können. Jede Sekunde kann das Handy klingeln und wenn dort steht: Heidelberg Arzt ist klar, dass sie nicht mehr zu retten ist.

Trotz oder vielleicht gerade aufgrund der Ereignisse der letzten Wochen ist mir klar geworden, dass sie nicht mehr leben würde, wenn wir nicht in Heidelberg wären.
Akzeptiert nicht, wenn andere Ärzte Eure Lieben aufgeben wollen, geht nach Heidelberg, sie sind die Besten in ganz Deutschland. Ich wünsche Euch und Euren Angehörigen alles Gute und viel Gesundheit.

Vielleicht könnt ihr mir einen Gefallen tun und für meine Mum beten ?! Danke
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