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Alt 26.06.2018, 04:26
lotol lotol ist offline
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Standard AW: Kind hat Angst vor seinem krebskranken Vater

Liebe spice,
Zitat:
Was wir (sowohl mein Mann als auch ich) halt versucht haben, die reale Gefahr soweit wie möglich zu minimieren. Er war ja eine Woche in stationär in einem Epilepsiezentrum, um auf andere Medikamente eingestellt zu werden, da ja das Antiepileptikum, das er bisher bekam, durchaus dafür bekannt ist, Aggressivität/Erregungszustände als Nebenwirkung zu haben. Das ist nun ganz raus. Nur ob das die gewünschte Wirkung zeigt, kann halt keiner garantieren. Wir hoffen es aber, da der er bei dem einen Anfall, den er seither hatte, nicht aggressiv war. Aber ob das bei den folgenden auch so bleibt, können wir unserem Sohn halt nicht garantieren. Wir haben ein Notfallmedikament, das wie gewünscht wirkt (haben wir bei diesem einen Anfall "ausprobiert"), d. h. mein Mann schläft innerhalb kürzester Zeit ein. Wenn mein Mann eine Aura spürt, kann er das auch selbst noch nehmen. Das einzige reale Risiko wäre daher, wenn mein Mann tatsächlich einen unbemerkten Anfall hätte, den er nicht vorhergesehen hätte und dann tatsächlich doch wieder aggressiv wäre. Das sind aber sehr viele Wenns, weshalb ich denke, das Risiko ist vertretbar (zumindest, solange nicht weitere Faktoren wie Persönlichkeitsveränderungen durch den Tumor an sich o.ä. dazu kommen, dann müsste man wieder neu abwägen).
Nur, das Risiko ist doch so groß, dass ich meinem Sohn nicht garantieren kann, dass es nicht wieder passiert. Und diese Garantie hätte er gerne. Er ist halt noch zu klein um zu begreifen, dass man derartige Garantien für menschliches Verhalten eh nicht geben kann und er ist eben traumatisiert, was nicht verwunderlich ist.
Auch was zumutbar ist, was nicht: Weder die Krankheit noch den Vater kann man wegzaubern, davor kann ich ihn nicht beschützen. Ob man der Meinung ist, dass ein Kind in diesem Alter so etwas erleben sollte oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Auf der anderen Seite fühle ich mich schon in der Verantwortung, ihn so wenig wir möglich zu belasten. Aber ob es wirklich langfristig besser ist, den Vater dafür aus der Familie auszuschließen? Ob er sich nicht später deswegen Vorwürfe macht? Ich weiß es nicht. Außerdem, wie soll er wieder zu seinem Vater Vertrauen aufbauen (mal angenommen, die Medikamentenumstellung wirkt dauerhaft wie gewünscht), wenn er keinen Kontakt zulässt? Vermeidungsverhalten verstärkt Angst ja eher. Wenn er aber die Konfrontation verweigert...
Ein "Patentrezept" wird es für Eure Situation sicher nicht geben können.
Folglich bleibt wohl einerseits nur eine Risikoabwägung übrig und andererseits die Beherzigung des uralten Prinzips:
Audiatur et altera pars! https://www.proverbia-iuris.de/audiatur-et-altera-pars/

Auch im privaten/familiären Bereich sind alle Betroffenen anzuhören, damit ihre Interessen gewahrt und berücksichtigt werden können.
Es darf niemand etwas "aufgezwungen" werden, mit dem er nicht einverstanden ist bzw. etwas, das er freiwillig nicht "mitzutragen" bereit ist.

Und innerhalb dieses Rahmens können auch Eltern gezwungen sein, gnadenlos
Prioritäten setzen zu müssen.
Dein Mann hat freiwillig dafür gesorgt, daß sein Gefährdungspotential Anderer minimiert werden kann.

Mir ist erinnerlich, was Du beschriebst als Dein Mann mal "ausgerastet" war:
Da trauten sich nicht mal mehr Rettungskräfte zu, intervenieren zu können.
Und das will ja schon etwas heißen.

In allererster Linie bist Du hier gefordert, die Prioritäten setzen zu müssen.
Noch kannst Du das zusammen mit Deinem Mann tun, der ja bereit dazu ist, Konzessionen machen zu wollen.
Was sich aber jederzeit so verändern kann, daß nur noch Du alleine Prioritäten setzen mußt.

Erlaub mir bitte, dazu auch noch eine uralte Handlungsmaxime zu nennen:
Quidquid agis, prudenter agas et respice finem! https://www.wortbedeutung.info/Quidq...respice_finem/

Redet also mit Eurem Sohn offen und ehrlich darüber, ob er bereit dazu ist, nach seiner individuell möglichen "Aufrüstung", die ihm vielleicht Sicherheit (in zweiter Linie nach Dir) "garantieren" könnte, seinem Vater zuliebe im Familienverbund bleiben zu wollen.

Den seine Eltern (nehme ich an) so lange als irgend möglich aufrecht erhalten wollen.
Wenn er nicht dazu bereit ist, dann extegriert ihn.
Er hat die freie Wahlmöglichkeit, was er nach Aufklärung aller Konsequenzen zu tun bereit ist.
Dann brauchst weder Du noch Dein Mann sich den "Kopf darüber zu zerbrechen", wie er damit weiterhin lebenslang klarkommt.

Die einen sagen, bleibt er in der Situation, verstärkt sich sein "Knacks" sowieso:
Also wg. "Kindeswohl" nichts wie ihn aus der Situation "herausnehmen".
Tochter am besten auch gleich dito.

Und die anderen sagen:
Könnte er/sie das nicht irgendwann "bereuen" und deshalb zwangsläufig beim Psychiater landen müssen?

Primär müssen sich die Eltern fragen und auch rückhaltlos "ausloten", was für ihre Kinder die beste Handlungsalternative ist, um bestmögliche Weichenstellungen vornehmen zu können.
Sie müssen sich aber auch fragen, wie sie miteinander umzugehen gedenken.

Den geliebten Lebenspartner "über die Klinge springen" zu lassen?
Ihn dem ohne weiteres preiszugeben, das wohl die absolute "Horror-Vorstellung" ist?
"Ausblenden" eines Individuums per entspr. Medikament-Zufuhr.

Du, liebe spice, bist in der mißlichen Lage, das alles adäquat abwägen zu müssen.
Versuch bitte dabei, Dich in die Lage Deines Mannes versetzen zu können bzw. was Du an seiner Stelle eher nicht haben wolltest, was man Dir antut.
Er braucht Dich, ihn beschützend.
Nur Du bist sein "letzter Anker" seines Lebens, das ihm zu entgleiten droht.

Wir brauchen uns hier in diesem Forum doch wirklich nichts "vorzumachen".
Jeder von einem Krebs Betroffene ist sich doch früher oder später völlig im Klaren darüber, worauf das letztendlich schlimmstenfalls evtl. nur hinauslaufen kann und muß:
https://de.wikipedia.org/wiki/Palliative_Therapie

Genauer (im Grenzwertigen) gesagt, daß ein Individuum von all seinen Schmerzen "erlöst" wird.
Per "Morphium-Zufuhr" o.ä. so weit betäubt wird, daß er "erlöst" sterben kann.

Ich denke, spice, daß diese befürchteten "Kontroll-Verluste" über das eigentliche Wollen Deines Mannes eine große Rolle dabei spielen könnten, daß er Angst davor hat, "ausgegrenzt"/"kaltgestellt" werden könnte.
Bedenk bitte auch das.

Es erübrigt sich ja fast, zu erwähnen, daß ich Dich für eine "starke Frau" halte.
Die innerlich "zerrissen" sein dürfte, welche Priorität das Kindeswohl hat.

Wenn kein innerfamiliärer Konsens erreicht werden kann, dann kapp im Zweifelsfall die Kinder ab.
Evtl. mit Hilfe der Leute, die Dich dabei unterstützen können und die sich sowieso dazu "berufen" fühlen, so etwas zu tun.
Können die dann sicherlich auch "mit Links" machen.

Oder tröten die nur bzgl. "Kindeswohl" allgefällig herum und sind nicht tatsächlich in der Lage dazu, Entlastung schaffen zu können?


Die "Kernfrage" stellt sich m.E. ganz anders:
Willst Du Deinem Mann bestmöglich beistehen bis zu seinem bitteren Ende?
Oder anders ausgedrückt:
Was würdest Du denn von einem erklärten Lebenspartner anderes erwarten wollen als daß er Dich - seine und Deine Interessen wahrend, selbst wenn er das nicht mehr selbst tun kann - darin unterstützt?

Die Liebe zwischen Eltern ist etwas anders gelagert als die zwischen Eltern und ihren Kindern.
Was meinst Du, wo da in Eurer Situation Prioritäten zu setzen sind?

Ich halte es für eine gute Idee, wenn Du versuchst, während Deines Urlaubs Annäherung erreichen zu können.
Und wünsche Euch allen, daß dies gelingen kann.
Nutz die spezielle Mutter-/Sohn-Beziehung, um mit Eurem Sohn wirklich alles klären zu können.
Das meine ich nicht irgendwie dahingehend, ihn manipulieren zu können/wollen, sondern viel mehr, um "ausloten" zu können, was er wirklich will bzw. welche Konzessionen er bereit ist, zu machen.
Zitat:
Zitat von Gabna
Hallo, ein Elektroschocker ist eine potenziell tödliche Waffe, vielleicht ist sich lotol dessen nicht bewusst - hoffe ich zumindest!.
Du kannst doch wohl nicht im Ernst glauben, daß ich hier irgendjemand tödliche Waffen zur Selbstverteidigung empfehlen würde.
Elektroschocker sind keineswegs tödlich.
Zitat:
Zitat von p53
Mal eben richtig einstellen und dann ist und bleibt alles gut -- ich befürchte, das ist Wunschdenken bis Illusion.

Vielleicht bin ich ja zu pessimistisch... aber ich als Mama hätte einfach Angst, dass irgendwann mal wirklich was passiert, weil es eben nicht unter Kontrolle ist (weil einfach insgesamt viel zu unvorhersehbar/unberechenbar) und dann tatsächlich etwas passiert.
Ich würde mich daher auch fragen: Womit könnte ich besser leben, im Falle des Falles....
Ja, das ist so:
Ein "Rest-Risiko" verbleibt.
Wie das einzuordnen ist, weiß ich nicht.

Ich weiß jedoch, daß "Sicherheits-Empfinden" eher subjektiv sehr unterschiedlich gelagert sein kann.
Zitat:
Auf der anderen Seite, wann im Leben gibt es schon 100%ige Sicherheit und rechtfertigt das eine externe Unterbringung? Zumal ihr Recht habt, ich liebe meinen Mann und will ihn gerade in dieser schweren Zeit nicht im Stich lassen. Auf der anderen Seite weiß ich auch, dass ich für die Sicherheit meiner Kinder verantwortlich bin. Aber ab welchem Punkt sollte man sagen, es liegt keine ausreichende Sicherheit mehr vor? Wie lange müsste er anfallsfrei sein, damit man sagt, er kann wieder nach Hause? Oder wirklich "auf Verdacht" sagen: nie mehr?
100%ige Sicherheit per medizinischer Mittel gibt es leider nicht.
Denke, die Sicherheit ist dann nicht mehr ausreichend, wenn man fahrlässig handelt.
Genauer gesagt, sich nur auf ein "Sicherheits-Mittel" verläßt.

In solchen Situationen würde ich das niemals tun.
Ich bin weder besonders ängstlich, noch körperlich schwach.
Aber selbst ich würde für mehrere "Sicherheits-Barrieren" sorgen.

Als Mutter würde ich mich selbst und auch den Sohn "aufrüsten", sofern ihm das zu mehr "Sicherheit" verhelfen kann. Mußt Du "ausloten".

Mit mindestens Elektroschocker und Pfefferspray.
Wobei der Elektroschocker den gleichen Nachteil hat, wie das evtl. zu verabreichende Notfall-Mittel:
Beides erfordert körperliche Nähe, die gefährlich sein/werden könnte.

Pfefferspray kann hingegen auch aus einer Distanz heraus gesprüht werden.
Wie groß ist denn Euer Sohn?
Hat er lange Arme?

Wenngleich ich schon recht viel von mehreren Sicherheitsbarrieren halte, will ich Dir einen Gedanken dazu nicht verhehlen:
Wenn das im Endeffekt auf das ständige "Belauern" des Vaters hinauslaufen sollte/könnte, wird das nur kontraproduktiv sein können.

Denn dann könnte man eben so gut darüber nachdenken, inwieweit Zugriffsmöglichkeiten des Vaters, z.B. auf Küchenmesser, unterbunden werden müssen.

Glaub bitte ja nicht, daß ich das mit dem "Anketten" und evtl. Einsperren Deines Mannes nicht ernst gemeint habe.

!00% Sicherheit erreichen zu können, ist m.E. ein rein technisches Problem!
Für den Fall der Fälle, wenn alle primär angedachten Mittel versagen sollten.
Nimm z.B. ein Auto her:
Jedes Auto hat eine rein mechanische "Feststellbremse".
Wenn alles andere im/am Auto "versagt", funktioniert die immer noch zuverlässig.

Frag doch Deinen Mann einfach mal, ob er bereit dazu ist, sich seinen möglichen Aktionsradius so einschränken zu lassen, daß er unter allen Umständen seiner Familie nichts mehr "antun" kann, das er gar nicht will.

Ich kenne Deinen Mann nicht und weiß auch nicht, wie er das sehen könnte.
Insoweit kann ich Dir nur sagen:
Ich wäre ohne weiteres dazu bereit, auch solche Konzessionen zu machen, damit ich weiterhin meine Familie "erleben" kann, so lange mir das noch "vergönnt" ist.
Ohne von Angst vor mir "gepeinigt" zu sein.

Was wäre denn schon dabei, z.B. meinem Sohn, jegliche Sicherheit zu "garantieren", die er haben will?
Wenn ich selbst sicherstelle oder mich mit Maßnahmen einverstanden erkläre, daß ich ihm niemals "gefährlich" werden kann.

Sind nur ein paar Stahlseile, mit denen alle Probleme restlos rein mechanisch eliminiert werden können.

Falls Du glauben solltest, das sei irgendwie pervers:
Wie pervers ist es denn vergleichsweise, ein Individuum per Medikamenten "auszublenden"?

Denk bitte einfach auch mal darüber nach, inwieweit Euch rein mechanische Lösungen evtl. mehr weiterhelfen können als alles andere Vorgeschlagene.

Tausend Wege führen nach Rom!
Wir haben jede Menge Wahlmöglichkeiten, welchen Weg wir beschreiten wollen.
So lange man sich innerfamiliär darauf einigen kann, welcher Weg der für alle richtige ist, kann man sich auch auf diesen Weg einigen.

Und sollte der wg. Unvorhersehbarem zur "Sackgasse" werden, nimmt man halt dann einfach einen anderen, der weiterführen kann.

Wie weit seid ihr (überwiegend) von Rom entfernt?
Denke, 450km innerfamiliäre Distanz Beteiligter kann die gemeinsame "Wegbewältigung" eher nur erschweren.


Liebe Grüße
lotol
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Krieger haben Narben.
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1. Therapie (2016): 6 Zyklen R-CHOP (Standard) => CR
Nach ca. 3 Jahren Rezidiv

2. Therapie (2019/2020): 6 Zyklen Obinutuzumab + Bendamustin => CR
Nach ca. 1 Jahr Rezidiv, räumlich begrenzt in der rechten Achsel

3. Therapie (2021): Bestrahlung

Geändert von gitti2002 (26.06.2018 um 22:07 Uhr) Grund: Nutzungsbedingungen!!!
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