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Alt 15.11.2006, 07:00
MMaria MMaria ist offline
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Standard AW: Lieber Paps, liebe Mama

15.11.1986

Lieber Paps,

morgens gegen acht kam der Anruf, du wärst verstorben.
Wir haben nur geweint, konnten es nicht glauben, hatten wir doch bis zuletzt gehofft.
Dein Tod hat mich wirklich bis ins Mark erschüttert. Alles was danach kam, hat mich nicht so sehr berührt. Auch noch heute denke ich fast jeden Tag an dich. Dass die Zeit alle Wunden heilt, kann ich nicht bestätigen.

Du hattest ein schweres Leben. Geboren als siebtes von dreizehn Kindern.
Mit einem Vater, der nie gearbeitet hat, der seine vielen Kinder zum arbeiten geschickt hat. Du hast wenig davon erzählt, aber schon als Vierjähriger musstest du mit deinen Brüdern Zeitungen austragen. Ihr ward bitterarm, habt zu dritt im Bett geschlafen und hattet zu zweit nur ein paar Schuhe.
Trotzdem hast du deinen Schulabschluss geschafft, im Krieg. Ihr ward ausgebombt und nach Pommern gebracht worden. Ich glaube die anderthalb Jahre dort waren für dich sehr schön. Du hast sogar eine Ausbildung dort begonnen, musstest die aber abbrechen, weil der Krieg zuende war und ihr wieder nach Hamburg solltet. Die Nachkriegsjahre waren sicher hart.
Mit 19 hast du als Hilfsarbeiter angefangen, in der Großdruckerei im Schichtdienst. Dort warst du bis zum Ende. Der Job war körperlich und auch sonst sehr hart für dich, aber du hast bald Mama kennengelernt und nach ein paar Jahren hattet ihr eure Wohnung und mich, euer Wunschkind. Dass du ganz bewusst nur ein Kind wolltest, kann ich verstehen. Du wolltest all die Jahre den Job nicht wechseln, obwohl du deine Arbeit gehasst hast. Hattest immer Angst, uns nicht mehr ernähren zu können.
So viele Pläne hattest du, für die Zeit als Rentner, bist es leider nicht mehr geworden. Auch deine Enkelkinder hast du leider nicht mehr erlebt. Oft denke ich, wie stolz du auf die gewesen wärst, so wie auf mich. Meinem älteren Sohn habe ich deinen Vornamen als Zweitnamen mitgegeben, und in vielem ähnelt er dir sehr.
Ich werde dich nie vergessen.

Deine Muck
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