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Alt 27.10.2008, 00:22
lauraskathi lauraskathi ist offline
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Registriert seit: 26.10.2008
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Standard "Nur" die Oma...

Hallo,

vor wie mir scheint langer, langer Zeit war ich oft n diesem Forum und habe gelesen. Ich meine, mich damals registriert zu haben, kann mich aber an meine Daten nicht erinnern. Seither hat sich nicht nur meine Email-Adresse geändert. Geschrieben habe ich glaube ich nicht - in jedem Falle nicht viel. Vielleicht, weil ich dachte, kein "Recht" dazu zu haben, vielleicht, weil ich befürchtete, die gleichen Reaktionen wie in meiner realen Umwelt zu bekommen - ganz sicher bin ich mir da nicht. Zudem ist es für mich sehr schwer in Worte zu fassen, was ein Schreiben darüber nicht wirklich einfacher macht.

Viel geändert hat sich insoweit nicht, aber ich muß irgendwohin damit.

Vor mehr als 1,5 Jahren starb meine Oma. Einerseits unendlich langsam und qualvoll - andererseits ging es verflixt schnell. Zu schnell für mich vielleicht, auch wenn ich mir bewußt bin, wie egoistisch das ist.

Im März/April 2006 begann alles mit einer "Magen-Darm-Grippe". Vermeintlich. Erbrechen, Verstopfung etc. Am 01. Mai hatte sie Geburtstag - der wurde zum ersten Mal abgesagt. Mehr oder minder. Und im Nachhinein schäme ich mich dermaßen, eigentlich gar keine Lust gehabt zu haben, den langen Weg auf mich zu nehmen.

Im Juni erbrach sie etwas, was man eigentlich nicht erbrechen sollte. Diagnose: Darmverschluss. Einlieferung ins Krankenhaus, OP. An diesem Tag war ich mit meiner kleinen Tochter im Schwimmbad. Ich wollte nicht, wurde aber von Bekannten überredet. Vor dem Telefon zu sitzen würde den Tag nicht schöner machen. Mag stimmen.

Spätnachmittags kam dann der Anruf meiner Tante. "Krebs" sagte sie, auch wenn sie das heute leugnet. Vergessen kann ich diesen Anruf nicht, also bin ich mir doch sicher.

Es war kein "normaler" Darmverschluss, es war ein faustgroßer Tumor im Bauchraum, der den Darm abdrückte und nichts mehr hindurchließ. Inoperabel, reineweg der Darm wurde verlegt.

Das Ganze ging weiter - über Bestrahlungen, eine weitere OP, die nur Aufschub bedeutete.

Am 25.01.2007 bekam sie die erste Morphium-Spritze. Am 28. starb sie.

Es war "nur" meine Oma. Ich bin mittlerweile 30, sollte ein großes Mädchen sein und ihren Tod als die Unausweichlichkeit akzeptieren, die er nunmal ist. Und ich kann es nicht.

Vielleicht liegt es an den allgemein verkorksten Verhältnissen in unserer Familie. Vielleicht an meinen eigenen kleinen persönlichen Problemen oder mangelnder Reife. Oder an dem ganzen anderen Zeugs, daß mir in meinem Umfeld noch so gesagt wurde. Fakt ist, ich kann es nicht. Kein großes Mädchen sein, nicht akzeptieren, daß sie tot ist und nicht wiederkommt.

Meine Tante träumt von ihr. Fast jede Nacht. Ich träume nie von ihr.

Eine Woche bevor sie starb, war ich bei ihr. Danach wollte sie mich nicht mehr dabeihaben, wollte nciht, daß ich sie so sah. Sie wußte, daß es das letzte Mal sein würde, ich hatte keine Ahnung. Wiedergesehen habe ich sie im Beerdigungsinstitut. Und sie nicht berühren können. Nichts.

Meine Tochter war damals 3, ich war/bin alleinerziehend und ohne Auto. Wir wohnen in Essen, meine Oma lag in Münster im Krankenhaus. Ich war nur zweimal dort. Weil der Weg einfach enorm beschwerlich war, vor allem mit der Kleinen. Und ich werde mir nie verzeihen können, nicht öfter dagewesen zu sein.

Ich war 28. Ich wußte, was Krebs ist. Und im Prinzip war mir das Ausmaß der ganzen Sache klar. Das Wort "inoperabel" war mir auch nicht neu. Und dennoch habe ich mir nie vorstellen können, daß sie sterben könnte. Das Ganze war nie real. Und dennoch nicht zu ändern. Nur hat irgendein Teil von mir das bis heute nicht begriffen.

Ich träume nicht von ihr. Ich weine nach wie vor aus den dümmsten Anlässen, die mich irgendwie an sie erinnern. Dennoch ist das Ganze nicht real für mich - nach wie vor. Es ist - weit weg. Und schwierig zu beschreiben. (Nicht nur) für meine Tochter habe ich viel über Trauerarbeit etc. gelesen - bislang bin ich schlicht nicht dazu fähig. Zu akzeptieren. Zu trauern. Überhaupt zu fühlen.

Heute habe ich auf meinem Rücken ein längliches, braunes und neues Muttermal gefunden. Ich hoffe sehr, daß meine Panik einer Neigung zur Hypochondrie entspricht. Nur habe ich seither das Gefühl zu platzen - zu platzen vor irgendetwas, das ich nichtmal benennen kann.

Ein ganz dickes Sorry für ein erstes, enorm konfuses Posting. Im Moment habe ich irgendwie das Gefühl, meine Gedanken würden Achterbahn fahren oder ähnliches.

Kathrin
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