Thema: Raus damit!
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Alt 05.02.2018, 14:07
Papstanwärter Papstanwärter ist offline
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Standard AW: Raus damit!

Liebe Mitstreiter,

jetzt ist der erste Monat im neuen Jahr schon vorüber.
Manchmal kann ich nicht glauben, wie schnell die Zeit vergeht.

Liebe peregrina, liebe Nina, liebe Safra
ich hoffe, das ihr die Feiertage gut überstanden habt und danke euch für die Zeilen. Besonders an Nina habe ich oft gedacht und mir gewünscht, das du nicht in ein tiefes Loch fällst. Gerade weil die Feiertage die ersten für dich waren ohne deinen Mann. Ach Mensch, das Leben kann so ungerecht sein...

Es ist schon Februar, und es ist soviel passiert.
Über Weihnachten ging es mit den Schmerzen nicht mehr so weiter. Wanja drängte mich ohnehin schon immer, endlich Schmerzmittel zu nehmen, die etwas mehr bringen als die "Smarties" Novalgin.
Am ersten Weihnachtsfeiertag nahm ich denn zum ersten Mal etwas Stärkeres, und das ohne Absprache mit meinen Ärzten .
Ich konnte mein Glück kaum fassen, als nach Tagen und Wochen das erste Mal kein Schmerz zu spüren war. Ich fragte mich, warum ich nicht schon früher dem Drängen nachgegeben habe? Oh Gott, ging es mir gut.
Zwischen den Feiertagen durfte ich dann auch zur Leberbiopsie in der Uniklinik antreten.
Aus (gedachten) zwei wurden denn drei Tage Aufenthalt bei freier Kost, zum Glück im Einzelzimmer. Die Biopsie an sich nicht weiter schlimm, war das schmerzhafteste denn doch die Spritze mit der lokalen Betäubung. Ebenso machte es sich bemerkbar, als der Arzt die Leberkapsel durchstieß. Dem Arzt muß ich ein großes Lob aussprechen. Schon im Vorgespräch bemühte er sich redlich, mir meine Bedenken als Schissbux zu nehmen.
Der Vorgang war nach gut 30 Minuten auch erledigt. Auf die Liege legen, möglichst bequeme Seitenlage links wählen, denn ich durfte mich ja schließlich nicht bewegen. Immer im Wechsel wurde die Nadel positioniert, dann per CT die Lage kontrolliert. Kurz vor Ende der Prozedur stand der Arzt plötzlich neben mir mit einem Telefon in der Hand. Mein Gedanke "Oh Gott, er weiß nicht weiter und muß um Rat fragen" erwies sich als unbegründet. Er forderte nur den Kurier an, der die Gewebeprobe abholen sollte, denn sie würde jetzt entnommen. Das scheint jedenfalls geklappt zu haben, denn als ich fragte, ob ich sie mir ansehen könnte (man will seinen Feind ja mal von "Auge zu Auge" sehen) erklärte er nur, daß sie schon auf dem Weg nach Heidelberg sei...
Nun denn, mit so viel Tempo hatte ich nicht gerechnet.

Die Nebenwirkungen der Chemo werden leider immer schlimmer und halten auch immer länger an. Nach drei Zyklen Folfox mit Avastin habe ich mittlerweile über eine Woche mit den Nebenwirkungen wie Übelkeit, PNP und Bauchschmerzen zu kämpfen. Das kribbeln und die Kälteempfindlichkeit in Händen, Füßen und Gesicht sind sehr unangenehm. Mein Onkologe will jedoch das CT Ende Februar abwarten, bevor er entscheidet ob eine Chemo-Pause oder eine abgespeckt Version drinsitzt. Also: Zähne zusammenbeißen und noch zwei Zyklen durchkämpfen.
Ich gebe zu, das mich manchmal die Frage nach dem Sinn quält und ich mich auch schonmal zu der Äußerung "Ich will mein Leben zurück!" habe hinreissen lassen.

Am 01. Januar war es denn soweit.
Nachdem uns am 23.12. ja die letzte unserer zwei Katzen verließ, bekamen wir wieder Zuwachs. Ein Hundewelpe aus dem Tierheim hatte es uns angetan.
Kai-Uwe, ein Mischling aus Dackel und Labrador (technische Fragen zu seiner Entstehung können wir uns auch nicht beantworten ).
Aber er ist so goldig, lieb und schon jetzt sehr gehorsam... er bereichert wirklich unser Leben sehr. So sehr, das wir uns in den nächsten Tagen seinen Zwillingsbruder auch ansehen und, wahrscheinlich, bald als viertes Mitglied in der Familie aufnehmen werden.

Am 16. Januar, dem 16. Jahrestag unseres Zusammensein, haben Wanja und ich uns noch einmal das Ja-Wort gegeben. Eine traumhafte Zeremonie mit Freunden, Verwandten und den gleichen Trauzeugen wie vor 16 Jahren.
Die anschließende Schar der Gratulanten hat uns einfach überwältigt. Ich hätte nie gedacht, das sich so viele Leute an einem Wochentag die Zeit nehmen, um uns zu gratulieren. Die Feier am darauffolgenden Freitag war auch ein bewegendes Ereignis. Hatten wir damit gerechnet, das 10-20% Absagen auf die Einladungen kommen würden... es waren lediglich vier Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen konnten. Also freuten wir uns über unsere 90 Gäste und feierten bis in den frühen Morgen. Es war ein Traum.

Letzte Woche waren wir zum Urlaub auf Sylt. Nach zwei Tagen dort konnte ich die tägliche Ration Schmerzmittel von jeweils eine Tablette morgens und abends auf "Null" setzen. Mir ging es prächtig bei ausgedehnten Spaziergängen am Strand. Dem Hund sei Dank ist man ja gezwungen, sich regelmäßig zu bewegen.
Und er ist "Schuld", das wir uns einen neuen Wagen, ein Kombi, zulegen mussten. Was macht man nicht alles aus Liebe?

Jetzt sitze ich beim vierten Zyklus Folfox und harre der Dinge die da kommen.
Hoffentlich muß ich in Kürze nicht wieder mit den Schmerzmitteln anfangen.

Ich wünsche allen Mitstreitern und Lesern eine schmerzfreie Zeit.

LG

Ralf

Geändert von Papstanwärter (05.02.2018 um 15:55 Uhr)