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Alt 06.08.2006, 14:24
Ladina Ladina ist offline
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Lächeln AW: Rhabdomyosarkom mit 11... bräuchte jemanden zum reden...

Liebe Pina


Ich habe Deinen Hilferuf gelesen, verstanden und auch gefühlt, denn das, was Du schreibst ist mir sehr bekannt.
Ich bin mit 8 Jahren erstmals an Krebs erkrankt (Burkitt-Lymphom). Auch meine Familie kam da an den Abgrund, aber ich hatte eine ganz famose, alleinstehende Tante, mit der ich mich super verstand, und die hat anstelle von der Mutti dann meine Betreuung im Kinderspital übernommen. Und trotzdem wurden später mal Vorwürfe meiner Geschwister gegen mich laut, dass sie ihre Kindheit nicht mehr so unbeschwert leben konnten wegen mir.(Als wenn ich daran SCHULD wäre - WIR haben uns das auch nicht gewünscht, so krank zu werden, nicht?!). Ich hatte dann mit 12 Jahren wieder einen Tumor, allerdings was Gutartiges.
Mit 21 Jahren kam die Diagnose: Embryonales Rhabdomyosarkom (Kurz e-RMS genannt) Das ist total ungewöhnlich, denn ein embryonales RMS befällt normalerweise Kinder (möglicherweise ist das auch Deine Diagnose gewesen)
Ich hatte den Hauptumor im Bein, eine Metastase in der Brust und eine isolierte in der Lunge.
Es war eine schlimme Zeit, denn die Chemos für diese Art Tumor müssen stark sein, da das RMS gefürchtet ist. Dennoch, eines Tages wirst Du für gesund erklärt. Du hoffst die ganze Zeit auf diesen Tag, und wenn er da ist, hast Du Angst.
Schaff ich es alleine, ohne Therapie? Wie wird mein Leben jetzt weitergehen? Und das, was Du hinter Dir hast, was sich in deine Erinnerungen eingebrannt hat, wie sollst Du mit den Erinnerungen umgehen, mit den Alpträumen, die Dich in alle Nacht verfolgen und von denen Du am Morgen nicht denken kannst: Ist ja alles Quatsch!, sondern an alles wieder drandenkst, was Du wirklich erlebt hast - Wo sollst Du jetzt damit hin. jetzt, wo keine fürsorgliche Krankenschwester mehr an Deinem Bett steht, die dafür ein Ohr hat.
Ich konnte auch nicht zuhause reden - für sie war es vorbei, danach, und ich sollte es einfach nicht immer wieder durchkauen. Du musst nach vorne schauen, an morgen denken, hiess es. Das sagen nur Leute, die nichts davon verstehen, die niemals so krank waren, die eben nicht wissen, dass jeder Gedanke an morgen das Gestern mitschleppt, solange es nicht wirklich verarbeitet ist.
Ich bin jetzt mit 38 Jahren grade doppelt so alt wie Du. Ich habe selber eine Freundin gefunden, die sogar meine Mama hätte sein können vom Alter her, und manchmal war sie das auch irgendwie für mich. Bei ihr konnte ich all das rauslassen, was zuhause keinen Platz mehr hatte. Wenn jemand dafür gesorgt hat, dass ich mich heute wie geheilt fühle, so ist das sie, die Auffangbecken war für alle Nöte und die mit mir zusammen in diesem Tränensee der gewinten und der ungeweinten Tränen schwimmen lernte.
Ich wäre gerne für Dich da Pina, wenn Du Sorgen hast,über die Du schreiben möchtest, wenn Du etwas von Deiner Vergangenheit aufarbeiten möchtest, Erlebnisse erzählen möchtest. Du erzählst Deine und ich meine und ich denke, wir können uns immer wieder irgendwie im anderen finden.
Aber ich denke auch, dass Du jemanden in Deiner Nähe bräuchtest, jemanden zum Anlehnen, zum Kraft tanken direkt von Mensch zu Mensch.
Ich denke mir, Du fährst doch auch zur Nachsorgeterminen wieder in die Klinik, wirst da durchgecheckt, ob nicht wieder wo was ist. Das was körperlich drückt, können sie so erkennen, das was seelisch drückt, darüber musst Du reden. Bitte sprich Deine Nöte mal an beim Onkologen oder auch beim Hausarzt. Du bist bei weitem nicht allein damit. Nicht nur Eltern wollen oft danach nicht mehr über die Vergangenheit reden, auch Ehepartner eines erkrankten Menschen wollen oder können das nicht - und lassen einen so irgendwie im Stich.
Es gibt Psychologen, die sich genau darauf spezielaisiert haben, Menschen , die eine Tumortherapie hinter sich haben zu unterstützen, Das hat nichts mit Verrrücktsein zu tun.
Warst Du nicht evtl. auch in Tannheim oder der Katharinenhöhe auf Nachsorgekur? Auch dort würdest Du noch jetzt auf offene Ohren und Arme stossen, wenn Du dich dort meldest. Vielleicht beantragt sogar einer nochmals eine Kur für junge Erwachsene.
Ausserdem bietet die Kinderkrebsstiftung alljährlich 2 mal ein Junge-Leute-Seminar- an, wo Du Dich mit gleichaltrigen treffen könntest, die alle eine Krebserkrankung hinter sich haben und wo immer verschiedene Workshops und Gesprächsrunden stattfinden. Dort wird man Dich mit Sicherheit verstehen, Pina.
Hier gibt es Infos zum Seminar aus der Vergangenheit:
http://www.kinderkrebsstiftung.de/To...en01_28_01.htm

Das Nächste Seminar ist im Herbst 2006, genauer:
Im Herbst findet wieder ein Junge-Leute-Seminar der Deutschen Kinderkrebsstiftung im Waldpiratencamp Heidelberg statt.

Termin: 20. bis 22. Oktober 2006

Anmeldung:
im DLFH-Dachverband-Büro:
Elke Frackenpohl
Adenauerallee 134,53113 Bonn
Tel.: 0228/68846-0
E-Mail: frackenpohl @ kinderkrebsstiftung.de
(Email-Adresse ohne Leerzeichen eingeben)

Tja, das wärs dann mal fürs Erste, liebe Pina
ich würde mich freuen, wenn Du dich meldest, verstehe es aber auch, wenn Dir eine Oma von 38 Jahren vielleicht zu alt ist

Alles Liebe für Dich

Ladina
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