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Alt 21.05.2012, 21:58
rita2210 rita2210 ist offline
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Unglücklich Habe kaum Worte und doch tausend Gedanken

Hey,

ich bins schon wieder, nicht wirklich mit Neuigkeiten, zumindest keinen guten.

Bin die letzten Tage bei meiner Mama gewesen und tja, was soll ich sagen, es geht ihr immer schlechter, sowohl physisch als auch psychisch.

Ihre Schmerzmittel Dosis (Tilidin) wurde von 20 auf 40 Tropfen erhöht. Sie empfindet keinen Schmerz am Tumor im Gesicht an den anderen im Körper ohnehin nicht, die sind ja noch alle sehr klein. Aber der im Gesicht wächst täglich, man kann dabei zusehen. Sie kann ihre Brille nicht mehr richtig aufsetzen. Das sind so Dinge, die einen zusätzlich schmerzen. Sie fasst sich ans Auge und sagt "Ich kann mein Auge nicht mehr so richtig aufmachen, der druck ist so groß". Da schreie ich immer innerlich auf, dieser Unmenschlichkeit an sich wegen, für die niemand was kann. Sie hört links nichts mehr, weil der Gehörgang völlig zugewachsen ist. Und sie meint selber, sie stehe unter Drogen (den Schmerzmitteln), dass sie so müde und schlapp sei, ständig träume und auch im Schlaf redet und dann von ihrer eigenen Stimme wacht wird.
Ihre Bewegungen sind so verlangsamt. Jedesmal, wenn sie sich ans Gesicht fassen will oder die Decke etwas richten möchte, braucht sie eine halbe Ewigkeit dafür. Diese Bewegungen erinnern mich an meine Oma, als sie schon im Pflegeheim lag nach einem schweren Schlaganfall.
Bei meiner Mama, mit der ich vor einer Woche aber noch durch den Krankenhausflur gesprintet bin, kann ich das nicht wahrhaben. es tut so weh, jetzt schon. Versteht ihr? Es tut jetzt schon so weh, wie soll es denn noch werden? Wie sehr wird es denn noch wehtun und vor allem was kann ich für sie tun? Da sein, ja! Aber ich kann sie nicht aufbauen, motivieren. Und zu was auch motivieren? Dem Sterben etwas gelassener entgegen zu schauen und sich zu entspannen? Ich weiß das klingt sehr verbittert, vielleicht ist es das auch, aber wie soll man sich auch anders fühlen? Meiner Mama wächst ein riesiger Tumor aus dem Gesicht, der Ihren ganzen Kopf verformt und sie soll es schaffen damit Frieden zu schließen.
Ich versuche sie immer in Gespräche zu verwickeln, erzähle ihr Geschichten von meinen frechen Söhnen. Die bringen sie auch jetzt noch etws zum schmunzeln. Das sind momentan die glücklichsten Momente, die ich empfinde, die lächeln zu sehen und zu merken, dass sie abgelenkt ist, in diesem Augenblick nicht daran denkt, dass sie sterben muss.

Operieren möchte man sie höchstwahrscheinlich nicht. Immer wieder dieser Zusatz, das bringt ja nichts, man kann es nicht heilen. Aber darum geht es uns ja schon gar nicht. Der Tumor im Gesicht soll weg, dann wächst er halt an einer anderen Stelle im Körper.

Laut Oberarzt sollen wir uns auch von der Tablettenchemo (Name folgt) ncht zu viele Hoffnungen machen, dass es uns viel Zeit verschafft. Das Lymphom sei zu aggressiv und da könne nichts mehr viel bewirken, aber eventuell könnte sie noch bestrahlt werden. Heute hat sie wieder mit 8 mg Kortison begonnen.
Das Kortison hat zwar dem Tumor schon vorher nichts anhaben können, aber sie hat sich unter dem Kortison zuvor immer sehr wohl gefühlt, wirkt ja auch euphorisierend.

Ich bin eigentlich gegen eine Bestrahlung, denn ich befürchte, dass diese rein gar nichts bewirken wird am Tumor und dafür aber schreckliche Schmerzen als Nebenwirkung verursachen wird. Aber meine Mama selbst sehr steckt in all ihrer Verzweiflung in dieser Aktionismusgeschichte drin und möchte, dass gemacht wird, man soll was tun. Ich hoffe also nur, dass es ihrer Psyche weiterhilft, wenn bestrahlt wird.

Sie wollte ja am liebsten, dass es mit dem Protokoll weitergeht und darunter sterben als zu warten. Aber natürlich machen und dürfen Ärzte sowas nicht tun.

Meine Angst und Ratlosigkeit steckt darin, dass ich nicht weiß, wie ich ihr die nächsten Wochen "verschönern" kann, wie ich es schaffen soll, dass sie in der bevorstehenden Zeit auch mal sporadisch Freude empfindet. Das ist meine Herausforderung, nur wie???

Sie möchte auch nicht auf eine palliative Station, weil sie damit ein sofortiges Sterben verbindet, im Sterbeakt sein. Ich möchte sie zu nichts drängen. Bloß wird sie nicht mehr lange auf Station bleiben können und nach Hause möchte sie auf gar keinen Fall. Was bleibt anderes übrig. Unausgesprochen weiß ich, dass der Gang in die Palliative für sie bedeutet dem Tod entgegen zu gehen und auf der Hämato überzeugt sie sich selbst davon, dass noch etwas gegen den Krebs getan wird. Palliativ assoziiert sie mit "sterben lassen".

es ist so schwierig, denn es fällt mir so schwer an dieser Stelle Überzeugungsarbeit zu leisten. Ich weiß ja, dass es das Beste für sie ist, aber ich fühle mich als würde ich ihr in den Rücken fallen, wenn ich sie versuche davon zu überzeugen und dann merke, wie sie wieder in sich zusammensackt und weint.

Ich muss an dieser Stelle einfach nochmal Danke sagen, dass ihr da seid, einfach dass ihr da seid und hier so fleißig lest und tröstet und beratet und...da seid.
Ich muss da an die Worte von mai-regen denken, die ich in einem Posting von ihr las. Ihr, dieses Forum ist meine Psychotherapie, mein Halt. Unglaublich oder?! Aber genau so ist. Zur Zeit ein wenig wie mein zweites Zuhause. Wenn ich meine Zwerge versorgt habe und Zeit finde,wenn ich nicht bei Mama bin, so flüchte ich mich sofort hierher und merke in mir ein wohliges Gefühl (trotz der vielen traurigen Gesichten) Hier werde ich verstanden, hier fühlt man, was ich fühle und hier ahnen und wissen viele, was ich noch durchmachen muss und wie ich mich noch fühlen werde.

Das klingt jetzt total blöde, aber ich finde den Vergleich für mich sehr passend.
Als ich zum ersten Mal schwanger war und man hat so viele Fragen und Zweifel und weiß so gar nicht, wie sich alles anfühlt, wie wird dieser große und wichtigste Moment im Leben einer werdenden Mama. Die Neugierde war so groß, dass ich mich bei Urbia im Forum oft schlau gemacht habe, Fragen gestellt habe, einen wundervollen Austausch gefunden habe. Der Anlass war, nun ja, einen schöneren gibt es nicht.
Nun ist der Anlass, der erdenklich schlimmste, aber das Gefühl aufgehoben zu sein, wie in einer Schutzhülle aus Verständnis und Gleichgesinnten ist identisch.

So nah sind sich Leben und und Tod. Unwiderruflich miteinander verbunden.

Puhhh, das ist wirklich lang geworden. Herzlichen Glückwunsch für die Ausdauer....Du hast es bis hierher geschafft

Danke fürs Lesen. Ihr seid klasse!

Eure traurige Rita
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