Einzelnen Beitrag anzeigen
  #63  
Alt 04.12.2013, 17:14
a_nna a_nna ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 03.12.2013
Beiträge: 14
Standard AW: Nun auch ich....

> Wie lange ist es her,dass deine Frau verstorben ist?
kurz vor Weihnachten 2012

> Wie ungerecht,dass sie den Krebs schon fast besiegt hatte und dann ...
es gibt keine Gerechtigkeit, die bestimmt wer bleibt und wer geht.
Es gibt auch kein hart oder weich, womit viele Schicksale beschrieben werden.
Denn es gibt immer mindestens einen noch härteren oder weniger harten "ganz anderen" Fall.

Darum fand ich Deine Beschreibung(en), wie Du Dir die Tage danach organisierst - sorry for that - positiv exemplarisch für Jemanden, der seinen / ihren Weg tapfer geht und sich nach vorn orientiert.

Ich habe aus der Zeit noch gut 35 Seiten Schreibblocknotizen. Durch verschiedene Gegebenheiten war die Zeit zwischen Tod und Beerdigung kein gerader aber sehr langer Weg, bis ich endlich beerdigen konnte. Um noch die Übersicht zu behalten fing ich den Block an mit den ersten wichtigsten Schritten. Danach notierte ich, was ich wie erledigt hatte, schrieb Termine und Fristen auf. Einfach das Ergebnis einer Erfahrung, den Telefonhörer aufgelegt zu haben und fassungslos nicht mehr zu wissen, mit wem ich was besprochen hatte. Zugleich eine Mahnung an sich selbst, sich gefälligst zusammen zu reissen, wenn es denn weiter gehen soll.

Die ersten paar Tage waren nur Stichwortsammlungen. Irgendwo dazwischen aber leicht zu finden: die ersten Überlegungen, wer zur Beerdigung einzuladen sei; ob Kapelle, Kneipe oder nicht. Auch Alternativen einer Nachricht, weil ich wusste, dass die Onkologen, denen wir sehr viel verdanken, niemals zu einer Beerdigung kommen würden. Halt alles, um positiv und auf der sicheren Seite zu bleiben, denn es muss danach ja positiv weiter gehen. Habe mit unseren Kindern schliesslich noch einen wichtigen Job, sie durchzubringen. Zumindest das hatten meine Frau und ich für den worst case vereinbart, auch wenn uns ein konkreter Anlass und Termin nicht klar war. Halt so dahingesprochen, für den Fall, wenn.

Es gibt schon deshalb keine Gerechtigkeit, weil ich Dir sonst schreiben müsste, meine Frau ist jünger als Deine Ma verstorben und unsere Kinder sind jünger als Du. Das sind nur biografische Daten, mehr nicht. Absolut nicht mehr. Das siehst Du auch in den verzweifelten Threads der Eltern über erkrankte und verstorbene Säuglinge und Kinder. Deshalb kann kein Aussenstehender verzweifeln. Wer sollte sonst die Kraft haben, sich um die Eltern zu kümmern ?

Betroffenheit kann keine Lebensaufgabe sein. Betroffenheit kann ein Impuls sein, wenn es um schwere und sonst kaum zu schaffende Entscheidungen geht. Bei uns war es eine Auseinandersetzung, wo und wie beerdigt werden solle. Hunderte Kilometer entfernt anonym oder hier mit einem Ort für alle. Wir haben eine Menge Spielvarianten durch. Betroffenheit hat bei mir zu einer "mit uns nicht" und einer "jetzt erst recht nicht" - Haltung geführt, sich durchzusetzen.

Bis wenige Minuten vor der Beerdigung war nicht klar, ob es etwas zu beerdigen gibt. Der Bestatter der Gegenseite wollte von mir beauftragt werden, um die Überreste rauszurücken. Das ist ihm verbal schlecht bekommen. Hab es danach allein gemacht als die sonstigen Überlebenden ihre Teilnahme brüsk verweigerten. Das hat mir die Trauer erleichtert. Vielleicht typisch, aber ich dachte, jetzt zeige ich es wem auch immer, dass es weiter geht und ich es kann. Aus Liebe, aus Wut, aus Selbstachung, was auch immer. Nach der Beerdigung gab es noch wütende Briefe der sonstigen Überlebenden - na und ? Unklar, was die überhaupt wollten. Ach so ... , man überlege, "umzubetten" (ausgraben und irgendwas anonym damit anzustellen). Na klar.

Aber da hatte ich ja meinen Schreibblock: dort stand so ab Mitte der Notizen die Nummer der Zuständigen der Friedhofsverwaltung. Dort angerufen, drum gebeten, das Grab etwas im Auge zu behalten und vorsorglich erklärt, dass keine Freigabe für eine Umbettung erfolgt. In letzter Konsequenz sei es auch mein second Home, obwohl ich noch mindestens 100 Jahre vor mir habe.

Ich bin mir nämlich nicht ganz sicher, ob wir uns wieder treffen. Obwohl ich in diesem Leben immer mit dem Spruch recht hatte, wir träfen sowieso immer aufeinander und würden uns finden, egal wo. Wir haben uns nie irgendwie lange suchen müssen. Das ist so eine Art innerer Kompass, wenn Yin und Yang aufeinander zu gehen. Schwer zu erklären, aber wohl dem Umstand geschuldet, zu wissen, wie es dem Anderen geht, obwohl er/sie physisch nicht da ist. Im Moment weiss ich oder nehme es an, sie ist in einem Roman vertieft. Wie immer um die Tageszeit. Ich weiss nicht, ob es dort Internet gibt. Hoffentlich, sonst wird sie später am Abend kaum etwas zu dem Roman recherchieren oder schreiben können. Das wäre dann wirklich blöd gelaufen ...

Geändert von a_nna (04.12.2013 um 17:28 Uhr)
Mit Zitat antworten