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Alt 04.07.2014, 01:37
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Taziana Taziana ist offline
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Standard Der Tag an dem meine Mama starb...

Seit ich in diesem Forum bin, habe ich Angst hier im Hinterbliebenen Abschnitt schreiben zu müssen, heute ist es soweit. Und nach genau einem Jahr leid, hat meine Mama den Weg gemeistert. Ich möchte gerne aufschreiben was am 26.6+27.6 passierte...

Nach Wochen auf der Palliativstation wurde der Zustand von meiner Mama immer schlechter. Ich ging sie besuchen sooft es mir möglich war.
Beinahe täglich veränderte sich ihr Zustand und irgendwann wurde ich von einer Ärztin darauf aufmerksam gemacht, dass meine Mama per Patientenverfügung ziemlich genau definiert hat was nun passieren sollte. Und es sollte ab einem gewissen Zeitpunkt zu einer Sedierung kommen und dass wenn wir noch Dinge zu besprechen haetten, dies nun tun sollten. Ich sagte ihr, dass sobald es soweit wäre, ich bitte informiert werden möchte... Auch wenn ich in dem Moment totale Angst vor dieser Situation hatte.

Meine Mama wollte immer die Kontrolle haben, ich kannte die Verfügung nicht, aber ich kannte meine Mama und ich wusste, dass sie keine Lebenserhaltenden Maßnahmen wünschen würde. Sie hat sich als wir die Diagnose mitgeteilt bekamen um ihre Beerdigung gekümmert, Kontakt mit dem Friedhof und einem beerdigungsinstitut aufgenommen. Ich liebe das an ihr, der Drang sein Leben selbst zu managen, nichts dem Zufall zu überlassen.

Und dann kam der Tag, ich bekam den Anruf, Mama sei sediert worden, ich machte mich auf den Weg in die Klinik. Ich hatte solche Angst, dass sie sterben könnte bevor ich dort ankäme. Die fährt war unerträglich lang. Genau wie der Fußweg vom Parkplatz zur Klinik. Und als ich die letzten Meter ging, stellte ich mir die Frage was schlimmer sei, dass die Tod ist wenn ich Dort ankomme, oder ihr beim Sterben zuzusehen, würde sie leiden? Rückblickend sind diese Gedanken total dämlich.

Die Pfleger hatten meine Mutter samt Bett in dem Garten geschoben. Ich war glücklich und traurig sie zu sehen, sie saß zusammen gesackt, weit nach vorn gebeugt in ihrem Bett, gestütztvon Kissen. Ich setzte mich zu ihr und streichelte ihren Arm abwärts, nahm ihre Hand. Sie öffnete die Augen, starrte kurz ins Leere und döste unter lautem hecheln , röcheln, seufzen wieder ein. Also saß ich da. Einerseits glücklich, dass ich teilhaben konnte an ihrem letzten Weg und traurig, die Frau die mich einst geboren und erzogen hatte so schwach, sterbend dort sitzen zu sehen, wie ein Haufen Elend. zusammengesackt ohne die Möglichkeit sich aufzurichten, sich bemerkbar zu machen. Es war bedrückend dort zu sitzen und zu warten... Auf den Tod? Ich beobachtete sie, sie röchelte... Man merkte, dass sie keine Luft mehr bekam. Mal atmete sie gleichmäßig, dann blieb ihr Atem für längere Zeit aus... Ich erschrak, dachte sie sei tot... Dann riss sie die Augen auf, rang nach Luft und döste wieder ein... Ich hatte mehrere Male das Gefühl, dass ich wahrscheinlich noch vor ihr an einem Herzinfarkt sterben würde... Die Atemnot, diese Aussetzer der Atmung, das röcheln, seufzen, stöhnen, ihre Haltung... Das alles war in diesem Moment schwer zu ertragen. Irgendwer sollte was tun... Ihr helfen! Aber das war nicht mehr möglich,..

Ein Arzt kam vorbei überprüfte die Medikation, sprach mit meiner Mutter. Sie reagierte, aber ich bezweifele, dass die was davon mitbekommen hatte, dann sah sie mich an - ob sie mich erkannt hat weiß ich leider nicht, ihr Gesicht lies kaum mehr Mimik zu. Sie stöhnte und Schloss die Augen wieder, sie schnarchte und röchelte zunehmen. Der Arzt pflückte eine Blume und hielt sie meiner Mama unter die Nase: "Sie mögen doch so gerne Rosen, riechen Sie mal". Ich war gerührt, meine Mama liebte die Natur. Er legte die Rose vor sie, so starrte sie aus ihrer Position direkt drauf. Falls sie das mitbekam, gefiel es ihr - das weiß ich! Ich sah auf die Uhr, 3 Stunden waren vergangen... Unglaublich! Ich musste dringend aufs Klo. Und war froh, dass Pfleger und Ärzte oft vorbei sahen. Ich hatte horrorvorstellungen. Wie schrecklich wäre es, wenn ich zur Toilette gehe, sie alleine lasse und sie dann alleine stirbt?

Ihr Mann kam, er hatte sich eine Auszeit gegönnt. Die Nacht vorher hatte er schon in der Klinik verbracht. Dann saßen wir zusammen dort, redeten ein paar Sätze... Lappalien. Sobald Mama sich rührte waren wir still, suchten ihre Blicke, versuchten noch ein letztes Mal Leben in ihren Augen zu sehen, eine Reaktion hervor zu rufen. Sprachen sie an, mal klappte es mehr, mal weniger. Es gab Momente in denen sie sofort wieder wegnickte, aber auch welche in denen sie mich anstarrte... Oder durch mich durch. Ich erwischte mich mehrmals bei dem Gedanken, wie schrecklich es ist meine Mama sterben zu sehen. Heute bereue ich diese Gedanken. Ich bin unendlich glücklich einige ihrer letzten Stunden mit ihr verbracht zu haben.

Gegen 22 Uhr verabschiede ich mich von Mama. Ich drückte sie ein letztes mal, ich weinte, nahm ihre Hand. Sagte ihr, dass sie immer in meinem Herzen sein wird... Und dann ging ich, in dem Wissen ich würde sie nie wieder sehen, sie nie mehr anfassen, nie mehr mit ihr sprechen. Es war so schmerzlich...

... Auch heute tut es mir noch weh, wenn ich an diesen Moment denke. Ich fuhr nachhause, in der Kneipe an der Ecke saß eine Gruppe die lautstark lachte, ich fragte mich ob ich jemals wieder so lachen könne... Ich Funktionierte. Ich Weinte, ging zu Bett, wachte nass geschwitzt auf, könnte nicht wieder schlafen, irgendwann döste ich ein... Um halb 4 war es soweit, mein Telefon klingelte. Das ich ran ging war eigentlich nur Formsache... Ich wusste wer dran war und was er sagen würde. Ich weinte wieder. Wie sollte es weiter gehen, ohne sie? Ich könnte nichtmehr schlafen.

Am morgen fuhr ich hin, wollte sie nochmal sehen, mich von ihr "verabschieden". Und wieder war der Weg unendlich lang, und wieder hatte ich Gedanken, über die ich heute schmunzeln könnte. Ich hatte Angst, Meine Mama reglos dort liegen zu sehen, eben tot... Ich ging hinein, sie hatten sie aufgebahrt und ihr die Rose und 2 andere Blumen in die Hand gelegt, es war wunderschön! Ich hatte Angst sie anzufassen, ich fürchtete mich vor der Kälte ihrer Haut... Also streichelte ich sie an einer Stelle die bedeckt war. Ich fühlte mich verloren. Sie lag einfach da... Ich hatte 1,2 Mal das Bedürfnis sie zu wecken, obwohl ich natürlich genau wusste, dass sie tot war... Dann sass ich wieder da und starrte sie an, wie schon am Tag zuvor... Hilflos, traurig, erschöpft, überfordert. Und ich dachte immer wieder an unsere schöne zeit, die Dinge die uns verbunden haben... Die wir erlebt haben! Mit dem Wissen, dass das nun alles vorbei ist...

Ich sagte ihr, dass ich immer an sie denken werde und ging.

Geändert von Taziana (04.07.2014 um 01:56 Uhr)
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