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Alt 13.08.2010, 08:42
JeanineK JeanineK ist offline
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Standard AW: Auch meine Mama hat es ni geschafft

Guten Morgen zusammen,

jetzt probiere ich nochmal mein Glück.
Ich versuche mal der Reihe nach auf Eure Fragen/Geschriebenes einzugehen.

Markus:
Ich kann Dich sehr gut verstehen. Bei Deiner Mama war die Zeit zwischen der Diagnose und ihrem Tod auch sehr schnell. Das war ja gerade der Schock. Für uns ist es schwer zu begreifen, dass die liebste Person in unserem Leben schon nach ein paar Monaten nicht mehr da ist.
Meine Mama kam am 11.04.2010 ins Krankenhaus, und der Tumor auf der Niere wurde per Ultraschall entdeckt. Für uns ist eine Welt zusammen gebrochen,weil fast alle in der Familie Krebs hatten und es leider nicht geschafft haben.
Von Nierenkrebs hatte ich noch nie was gehört. Als ich aus dem Krankenhaus kam, habe ich einen Heulkrampf bekommen. Mein Freund wusste gar nicht damit umzugehen und wusste nicht was los ist, weil er daran geglaubt hat, dass Mama wieder gesund wird und ich sie noch Jahre habe. Ich hatte allerdins angst, weil es bei meiner Oma (ihrer Mutter) sehr schnell ging. Sie kam ins Krankenhaus und innerhalb einer Woche ist sie gestorben. Ich hatte immer angst habe die Hoffnung aber nicht aufgegeben. Und gerade dann, wenn es ihr gut geht, wie bei Deiner Mutter, dass die Bestrahlung half, ist der nächste Tiefschlag ein fester. Meine Mutter ist richtig aufgeblüht. Sie hat gegessen, im Pflegeheim sogar Bier und Wein getrunken. Sie war richtig in Feierlaune und wurde richtig eitel. Sie sagte mir, was für Kleidung und was für Cremes ich ihr mitbringen soll.
Dann der neue Schock. Neue Tumore. 7 oder 8. Der größte größer als der Hauptherd. Der Onkologe machte uns Hoffnung. Er könnte es hinauszögern. Er redet nicht nur von Wochen, er redet von Monaten.
Erst hatte ich angst, dass meine Mutter ihren 80. Geburtstag im Februar nicht erlebt (hatte ich doch die Bilder von ihrem 79. auf der Kamera, wo wir noch nichts von der Krankheit ahnten), dann hatte ich angst, dass ich sie nur noch ein paar Wochen habe. Und... zwei Wochen nach dem Gespräch ist sie gestorben.
Ich tröste mich jetzt damit, dass sie nicht mehr so lange leiden musste. Obwohl ich mir immer wieder sage: Warum dann die OP? Warum die ganzen Schmerzen?....

Nicole:

Das mit der Hautfarbe kann ich Dir leider auch nicht beantworten. Aber das kann Dein Hausarzt. Frag ihn einfach mal. Das mit dem Aufgedunsenen waren vielleicht Wasseransammlungen. Mamas Hand war am letzten Tag auch dicker. Ich war nach ihrem Tod nur noch ca. 15 Minuten bei ihr. Sie wurde nicht blau oder gelb. Sie wurde aber schon kalt. Ich kann mir vorstellen, dass Du das Bild nicht aus dem Kopf bekommst. Aber sag Dir immer wieder, dass sie jetzt gut aussieht und das nur ihr Körper war. Ich bekomme das Bild nicht aus dem Kopf, wie meine Mutter gestorben ist. Mein Freund sagt mir immer wieder, dass sie nichts mitbekommen hat. Aber ich fand es sehr schlimm, wie sie immer wieder aufhörte zu atmen und wieder anfing. Meine Therapeutin sagte mir auch, dass der Körper Morphine ausschüttet, dass sie das nicht merkte und dass nacheinander alle Organe versagen. Und das wäre halt das Atemzentrum und der Kopf hat schon nichts mehr gemerkt.
Das mit der Krankenschwester ist die Härte. Habe das gestern meinem Freund erzählt. Er meinte, er wäre der sicher an den Hals gesprungen. Aber ich denke mal, dass wir in so Situationen erst mal wie vor den Kopf geschlagen sind und nicht fähig sind, irgendwas zu erwidern. Außerdem hattest Du ja ganz andere Sorgen. Stempel es als Dummheit ab. Und versuch Dich nicht drüber aufzuregen. Es bringt nichts. Das sind alles Kräfte, die Du Dir sparen kannst. Diese Kräfte brauchst Du für Dich.
Außerdem: Du kannst ihr immer sagen, dass Du sie liebst. Sie hört Dich. Und sie wird es auch zu Lebzeiten gewusst haben.
Ich habe gehört, dass viele gehen, wenn keiner dabei ist. Dass sie es so wollen. Ich weiß von meiner Mama, dass meine Oma ihre Hand weggeschoben hat, als sie starb. Und die Ärztin im Krankenhaus sagte mir, nachdem ich die erste Nacht bei ihr geblieben bin, dass ich ruhig nach Hause fahren könnte, dass die meisten gehen, wenn man kurz raus ist. Ich sagte ihr, dass ich das so entscheiden muss, wie ich es in dem Moment fühle. Und am letzten Morgen hatte ich angst, sie beim sterben zu sehen. Und ich dachte mir, sie hätte das nicht gewollt. Sie hat mich immer vorm Tod ferngehalten. Aber auch diese Entscheidung hat sie mir abgenommen.
Ich hatte von einer Freundin auch schon mal gehört, dass die Wartezeiten für eine Therapie so lange sind. Ich hatte Glück, weil ich bei dieser Therapeutin schon mal vor 3 Jahren (kurze Depression aus Liebeskummer, was ich heute nicht mehr verstehen kann) war. Ich habe mir einen Termin geben lassen, als Mama noch lebte. Ich war einfach mit den ganzen Sorgen überfordert. Diesen Termin musste ich absagen, weil Mama im Sterben lag. Die Therapeuin meinte, ich solle trotzdem kommen, sie könnte mir was sagen, wohl zur Trauerbewältigung.
Geh mal zu Deinem Hausarzt und sag ihm, wie dringend Du eine Therapie benötigst. Er soll mal seine Kollegen anrufen und auf die Dringlichkeit pochen.
Was nützt eine Therapie wenn man so lange warten muss und es alleine schwer schafft?
Das mit Deiner Oma kann ich gut verstehen. Sie braucht jetzt Deine volle Aufmerksamkeit, weil ich mal gehört habe, es wäre sehr schlimm, wenn ein Kind vor einem geht. Aber Du tust ja alles. Du kannst aber nur soviel tun, dass Du selber noch leben kannst. Mach Dich nicht kaputt. Ich kenne das GEfühl. Ich opfere mich auch gerne für andere auf. Und gerade für meine Oma und meine Mama habe ich alles getan.
Aber auch ich habe immer gesagt, dass Mama nie ins Heim kommt. Als ich Hilfe brauchte, sagte sie mir, dass sie nicht ins Heim will und auch nicht wolle, dass ich Sonderurlaub nehme. Ich war fix und fertig. Ich habe dann für mich beschlossen, eine Polin zu organisieren. Ich wusste noch nicht, wie ich das bezahlen soll noch wie ich das schaffen sollte Aber als mein Entschluss feststand, ging es mir besser. Meine Mama war dann mit 4 Wochen Kurzzeitpflege einverstanden, damit ich alles organisieren konnte und sie versorgt war, als sie entlassen wurde. Sie ist richtig aufgeblüht in diesem Heim. Erst sagte sie noch allen, dass sie nicht für immer da sei, nur kurz. Nach ein paar Tagen meinte sie, dass sie irgendwann in ein paar Jahren, wenn sie nicht mehr für sich alleine sorgen könnte, gerne ins Heim ginge und noch ein paar Tage später meinte sie, ich könne bald ihre Wohnung kündigen.
Ist Deine Oma krank? Kann sie sich selber helfen?
Wenn nicht, erkundige Dich nach einer Kurzzeitpflege. Vielleicht gefällt es ihr und Du hast mal Zeit für Dich. Du kannst ja auch im Heim für sie da sein.
Ich weiß ja nicht, ob sie schon eine Pflegestufe hat?
Meine Mama war auch der Mittelpunkt der Familie. Ich war jeden Tag bei ihr und wir haben mehrmals telefoniert.
Als ich den ersten Tag wieder arbeiten ging, ging ich nachmittags in die Tiefgarage und bekam einen Heulkrampf. Ich dachte, wieviele tausende Male ich nach der ARbeit in die Garage bin, und dann zu Mama gefahren bin. Dass sie immer nachmittags anrief, ob ich schon gegessen habe, ob sie was kochen soll. Ich fuhr jeden Abend zu ihr. Entweder haben wir zusammen gegessen oder einen Kaffee getrunken. Wir wohnten nur 2 km auseinander. Und richtig ausgezogen bin ich erst 2003. Es steht immer noch mein Jugendzimmer in ihrer Wohnung. Und mir fällt es so schwer, alles auszuräumen. Ich muss die Wohnung ende des Monats übergeben.
Mama war alles für mich. Sie war meine wichtigste Person. Und wir haben den engsten Kontakt gehabt. Sie wusste, wann ich anrufe oder komme und ich wusste das bei ihr auch.
Aber wir haben unsere Erinnerungen. Auch wenn es so weh tut.

Heike:
Ich fand das auch so schrecklich, meine Mama so hilflos zu sehen. Sie war immer die Starke, sie hat doch immer alles gemeistert. Und jetzt war sie so krank.
Meine Mama hat bis zum Schluss ihren Humor nicht verloren. Sie haben mich Dienstags angerufen, dass es besser ist, wenn ich komme. Und Sonntags hat sie mich noch verbessert und meinen Freund ausgelacht, der sich den Kopf gestoßen hatte.
Ich habe im Krankenhaus gekämpft. Ich habe sie in ein kühleres Zimmer bringen lassen, ich wollte Wadenwickel, als sie Fieber hatte. Der Pfleger hat mich angeguckt, als ob ich spinne. Ich habe ihm gesagt, dass er mich sicher für bekloppt erklärt, aber so lange meine Mama kämpft, werde ich mit ihr kämpfen. Sie haben dort alles gemacht, was ich wollte.

Heike und Nicole:

Ich weiß das auch nicht mit dem Rauchen. Aber ich verstehe das nicht ganz, was ihr mit Versuchskanninchen meint. Weil eine Behandlung nach der anderen kam? Vielleicht stehe ich im Moment auf der Leitung. Könnt ihr mir das nochmal erklären? Und bitte ganz langsam schreiben, bin blondgefärbt ;-)

Heike:
Es tut mir leid, dass Du Dir so Sorgen um einen Papa machst. Aber lass ihn ruhig weinen. Er muss es auch rauslassen.

Heike und Nicole:
Ich beneide Euch. Ihr habt Kinder. Ihr könnt alles an sie weitergeben und ihr habt Euren Halt.
Ich komme mir manchmal vor, als ob ich jetzt die Nächste sei. Meine Mama hat das damals auch gesagt, als Oma starb. Sie meinte, ihre Familie wäre weg und sie sei die Nächste. So geht es mir jetzt. Ich habe zwar Schwestern. Aber MEINE Familie war Mama. Sie konnte mir bei allem helfen. Gab es irgendwas, rief ich sie an und sie wußte Rat.
Ich ertappe mich schon dabei, wie ich Nachthemden in den Schrank räume, wenn ich mal ins Krankenhaus müsste. Das hat sie immer gemacht.
Mein Freund (wir sind 1 Jahr zusammen) hält sehr zu mir. Als Mama krank wurde, klebte ich regelrecht an ihm. Und er war bei uns, als Mama ging.
Er kann nur mit meinem Weinen nicht umgehen. Er kann mich nicht leiden sehen und selber nichts machen. Ich erkläre ihm immer wieder, dass er mir hilft, wo es nur geht. Aber dass er nicht meine Mutter ersetzen kann. Mutterliebe ist bedingungslose Liebe und keiner kennt einen besser als die eigene Mama.
Aber ich glaube, Mama war beruhigt, dass ich ihn habe. Ich muss auch ehrlich zugeben, dass ich nicht weiß, ob ich es alleine schaffen würde. Ich bin immer eine große Familie gewohnt... und wenn ich mir vorstelle, ich käme heim und wäre alleine? Ich glaube ich wäre durchgedreht. Es ist komisch, an Mamas Wohnung vorbeizufahren. Dort saß sie immer am Fenster und hat auf mich gewartet und mir gewunken. Stattdessen fahre ich nun auf den Friedhof.

Wir wollen am Samstag für ein paar Tage nach HOlland fahren. Einfach mal abschalten.
Habe schon angst, wenn ich nicht auf den Friedhof kann.
Ich war nach ihrem Tod mal am Wochenende weg auf einem Turnier. Tagsüber war ich abgelenkt... aber zwischendurch, wenn ich aufs Zimmer bin, wollte ich sie anrufen und ihr sagen, wie schön das Hotel ist. Das habe ich doch immer so gemacht.... war das komisch. Ich habe dann die Nummer meiner Schwester gewählt. Aber sie war nicht da....

Ich wünsche Euch allen alles Liebe und Kraft.
Ich finde es auch gut, dass es dieses Forum gibt.
Es kommen Tage, an denen es geht, andere sind ganz schlimm.
Aber wenn wir uns dann hier schreiben, geht es bestimmt wieder besser.
Also Kopf hoch. Wir sind nicht alleine.
Werde wohl keinen Pc mit nach Holland nehmen.
Aber ich melde mich dann wieder.

Liebe Grüße
Jeanine
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