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Alt 24.07.2003, 21:00
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Standard junge Frauen und der Tod der Mutter

Hallo Ihr Lieben,

es ist wirklich super: Jeden Tag schaue ich jetzt hier herein und immer finde ich einen neuen Beitrag von mindestens einer von Euch, bei dem ich denke: Genau wie bei mir! Es ist wirklich schön, dass es Euch gibt - das wollte ich Euch mal sagen!

Liebe Damaris, liebe Sandrah,
ich habe die gleichen Gedanken bezüglich meiner Oma. Mein Opa, der Vater meiner Mutter, ist ein Jahr vor meiner Mutter gestorben, meine Oma ist seitdem ein Pflegefall. Sie hat Alzheimer. Meine Mama hat sich für beide schrecklich gesorgt und gestresst, ich denke, dass dieser Stress mitunter auch ein Grund war, weshalb sie so krank wurde oder so anfällig für den Krebs war. Meine Mama ist tot - meine Oma lebt. Das ist für mich schrecklich. Warum konnte meine Oma nicht vorher gehen - sie wäre doch eigentlich an der Reihe gewesen. So schlimm es auch ist, aber ich empfinde seitdem nichts mehr für meine Oma und irgendwie mache ich sie ein bißchen dafür schuldig, dass meine Mama nicht mehr da ist - das ist ungerecht, ich weiß, aber ist das Leben nicht auch ungerecht?! Es ist wie es ist, ich muss mich wohl damit abfinden, aber es fällt mir schwer, meine Oma überhaupt noch zu besuchen.

Liebe Damaris,
Dein Bericht hat mich sehr berührt. Dass Du zu spät gekommen bist und nicht dabei warst, als Deine Mama starb, ist ähnlich wie bei mir. Meine Mama ist im Krankenhaus gestorben. Ich war montags bei ihr, dienstags bin ich nicht hingefahren, obwohl ich wollte. Aber zwei Freundinnen hatten sich angesagt und mein Vater war sowieso da, und ich dachte, es sei zuviel für sie. Deshalb habe ich nur mit ihr telefoniert. Dienstag abend. Ich sagte, wir sehen uns morgen! Mittwochs wollte ich dann hinfahren. Irgendwie hatte ich ein komisches Gefühl, es hat mich magisch hingezogen, aber ich dachte, es sei besser für meine Mama, wenn ich nicht dort wäre. Mein Vater ist auch irgendwann nach Hause gefahren und in der Nacht ist sie gestorben. Ganz plötzlich. Keiner war bei ihr. Das ist für mich ein schrecklicher Gedanke. Ich hätte ihr so gern noch gesagt, dass ich sie lieb habe und überhaupt so viele Dinge, die unausgesprochen waren, weil ich mich nie getraute, sie anzusprechen. So viel hätte ich gern noch gewußt, gefragt, gesagt, sie einfach gern noch mal gedrückt und richtig Abschied genommen. Warum bin ich bloß nicht mehr hingefahren? Einmal mehr, dass ich sie gesehen hätte. Als wir dann nachts ins Krankenhaus gefahren sind, um sie zu sehen, das war so entsetzlich. Sie lag da mit ihrem Käppchen auf dem Kopf, der Mund offen und das Fenster war auf. Es war furchtbar kalt und sie war so schrecklich kalt. Als ich ihre Hand nahm, spürte ich es schon. Sie war weg. Ihre Seele war nicht mehr in diesem Körper. All das Lebendige, wohin bloß? Mein Vater fing sofort an zu weinen und als er sie anfasste, rief er, "Schatz, Dir ist ja ganz kalt" und fing an, ihre Ärmel runterzuziehen und das Nachthemd am Hals weiter zuzuknöpfen. Diese Worte werde ich wohl nie vergessen. Es brach mir das Herz, ihn so zu sehen. Und ich? Ich stand daneben und konnte nicht weinen. Ich hätte mich so gern verabschiedet, dass ich ihr all das nicht mehr sagen konnte, was ich fühlte für sie, macht mich sehr traurig.

Mia, Du schriebst, Du warst bei Deiner Mama, als sie einschlief. Wie sehr beneide ich Dich darum. Wie schön muss auch dieses Gefühl für Deine Mama gewesen sein, im Kreis der Familie zu gehen, und nicht in einem sterilen Krankenhaus, allein. Ich frage mich immer wieder, ob meine Mama in diesem Moment gewußt hat, dass sie sterben wird und ob sie uns gern noch gerufen hätte. Irgendwann werde ich es sicher wissen, wenn ich sie wiedersehe. Und das nimmt mir die Angst vor dem Tod, die ich immer hatte. Ich glaube fest daran, dass sie dort auf mich wartet und ich ihr endlich sagen kann, was ich so oft gedacht, aber nie ausgesprochen habe: ICH HAB DICH LIEB, MAMA!

Jetzt muss ich aufhören, ich muss schon wieder weinen.

Ich umarme Euch alle - es ist schön, dass ihr da seid!

Eure Kiki
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