Thema: 1. Jahrestag
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Alt 28.01.2002, 07:52
Gast
 
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Standard 1. Jahrestag

Nun ist er da, der 1. Tag der Diagnose (Leukämie im Endstadium) und es beginnen die sich daran anschliessenden 3 Wochen im Krankenhaus in denen sich Hoffnung, Schmerz, Entäuschung und erstmalig auch viel Liebe und Berührung von Körper und Seele ereignet haben...
Meine Stimmung wechselt zwischen tiefer Traurigkeit, Unlust am Leben ,aber auch Wut...
Seit Weihnachten bin ich unruhig, aber nun ist diese Zeit wieder da, ich kann ihr und den Erinnerungen nicht ausweichen und es erschreckt mich wie detailgenau alles in mir hochkommt, habe das Gefühl alles noch einmal , aber nun intensiver zu erleben.
Ich will anderseits den Gedanken auch nicht ausweichen, weil sie nicht nur Schmerz sondern gleichzeitig auch Nähe zu meinem Vater bedeuten, die wir vor seiner Erkrankung uns nie geben konnten...
Also steigere ich mich in die Erinnerung regelrecht hinein.
Der Hinweis meines Mannes, das es eine Zeit der Trauer gibt, aber auch eine Zeit danach, hilft mir nicht, ich denke so ein Jahrestag ist auch der schlechteste Zeitpunkt, um "normal" zu reagieren, aber er hat Angst, dass ich wieder soweit abdrifte, wie während des ganzen Jahres, ich hatte so eine Sehnsucht nach meinem Vater und mein bisheriges Leben schien mir so nebensächlich.
Ich hatte das Gefühl in einem Strom zu schwimmen und nicht zu wissen, wohin mich dieser Strom führen würde, ich wusste nur, dass mein Leben nicht mir so sein konnte wie bisher...
Nun hatte ich erlebt, wie sehr ich meinen Vater liebte und das er auch mich lieb hatte. 37 Jahre lang bin ich dem hinterhergerannt... und nun habe ich es für 3 Wochen erleben dürfen.
Nun weiss ich, wie schön es hätte sein können, wenn unsere Beziehung zueinander von Anfang an "normal" gewesen wäre...
Wie soll ich das trennen, die Erinnerung an Zärtlichkeit,Liebe und dem gleichzeitigen Sterben ???
Die Prioritäten in meinem Leben haben sich irgendwie verschoben, das Ufer kann ich schon länger entdecken, während ich meinem Strom dahintreibe, aber ich kann noch nicht erahnen, wo ich zum endgültigen Halten komme und wer ich dann sein werde...
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