Thema: Mein Stern
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Alt 21.07.2003, 21:11
Gast
 
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Standard Mein Stern

Hallo Frank,

doch, es ist vollkommen normal. Es ist gut, daß Du weinen kannst.
Viele können es nämlich nicht und zerbrechen an ihrer Trauer.
Tu das, was Du meinst, was Dir gut tut, was Dir Dein Gefühl sagt.
Jeder verarbeitet seine Trauer anders.
Siehst Du, ich konnte z.B. fast ein halbes Jahr lang keine Musik hören.
Das Autoradio blieb aus, von dem Moment an, als wir am 17.12. vom Krankenhaus nach Hause fuhren.
Die Musik war unser gemeinsames Hobby.
Am Anfang habe ich immer nur 2 Lieder zu Hause von CD gehört und die auf voller Lautstärke und habe dabei bitterlich geweint.
Es war ein Lied, das Heinz sich zu seiner Trauerfeier gewünscht hatte: "Imagine" von John Lennon und ein anderes, das unser gemeinsames Lied war, das sonst niemand kennt, als unsere gemeinsame nähere Umgebung: "Du bringst die Liebe in mein Leben", gesungen von einem ehemaligen Karnevalsprinzen aus Neuss.
Ansonsten blieb das Radio aus, ich konnte es nicht ertragen.
Mittlerweile geht es wieder und ich kann mich wieder unserem Hobby widmen, jedoch vermeide ich Titel immer noch, an die ich ganz besondere Erinnerung habe.
Du sagst, Du weinst wie ein kleines Kind.
Das habe ich auch getan, sehr oft sogar.
Ich habe mich ins Bett verkrochen mit einem Kuscheltier im Arm, das ich ihm einmal geschenkt habe.
Auf dem Friedhof war ich nach der Bestattung erst 2 mal.
Es war eine Feuerbestattung.
Es gibt mir nicht sehr viel, wenn ich dort bin.
Die meisten Erinnerungen sind in meinem Herzen und die vielen Gegenstände von ihm bei mir zu Hause.
Ich habe ein Bild aufgestellt, eine Kerze davor, die ich jeden Abend für ihn anzünde.
Dies alles gibt mir mehr, als es ein Grab jemals könnte.
Weißt Du, Heinz war ein sehr großer und kräftiger Mann und als ich dann die Urne sah, wurde mir erst richtig bewußt, was eigentlich übrig bleibt.
Fast nichts!
Es ist nur die Hülle. Aber die Seele, die Seele bleibt.
Und sehr oft spüre ich ihn immer noch in meiner Nähe, egal, wo ich gerade bin.

Frank, bitte verstecke Deine Gefühle nicht. Laß sie raus, wann immer es geht.
Ich weiß, daß es sehr anstrengend ist.
Viele werden auch kein Verständnis für Dich haben, vor allem dann nicht mehr, wenn eine gewisse Zeit vergangen ist.
Manchmal fühlte ich mich nach Feierabend richtig fertig, ausgelaugt, weil ich während der Arbeit nicht immer meinen Gefühlen freien Lauf lassen konnte.
Ich hörte auch so Sprüche wie: "na, es ist doch jetzt schon ein halbes Jahr her, jetzt müßtest Du aber langsam darüber hinweg sein" und viele andere mehr...
Und dies hörte ich nicht erst nach einem halben Jahr, sondern schon viel früher in abgewandelter Form.
Deshalb habe ich mir eine "Maske" zugelegt, weil ich solche Aussagen meiner "lieben Mitmenschen" nicht mehr hören wollte.
Also habe ich so getan, als ginge es mir gut.
Schon im Auto nach Feierabend legte ich sie wieder ab und dann rannen mir die Tränen.
Es war wie eine Befreiung, endlich ich selbst sein zu dürfen und das rauslassen zu dürfen, wonach mir eigentlich schon den ganzen Tag über zumute war.
Nur meinen liebsten Menschen zeigte ich mein wahres Gesicht, nämlich denen, die Verständnis für mich hatten und mich in diesen Momenten einfach so annahmen, wie mir gerade war.
Und diese Menschen sind immer noch meine beiden Kinder, zwei sehr gute Freundinnen und die Lieben, die ich hier im Forum kennen gelernt habe.

Im Prinzip erleben wir alle das Gleiche.
Wie oft sehe ich Heinz vor mir zu Hause, wie er litt, im Krankenhaus mit all den Geräten und Schläuchen.
Und ganz oft die letzten Wochen und Tage, wie auch der letzte Tag, den ich wohl nie mehr aus meinem Kopf herausbekommen und vergessen werde.

Trotzdem ist es schon viel besser geworden. Ich kann wieder in gewissem Maße am Leben teil nehmen.
Vorher lehnte ich vieles ab, wollte nur noch zu Hause bleiben, meine Trauer leben.
Und das war gut so, für mich.
Das heißt nicht, daß es für jemand anderen genauso gut sein muß.

Lieber Frank, lebe Deine Trauer, wie Du es meinst und was für Dich gut ist.
Irgendwann wird es auch Dir besser gehen.
Von Anfang an hatte ich immer im Kopf, daß Heinz mich eigentlich nie traurig sehen wollte.
Oft habe ich daran gedacht, weil er auch irgendwann einmal sagte: "Ihr sollt nicht weinen, wenn ich nicht mehr bin. Ihr sollt lachen und lustig sein".
Umetzen konnte ich das jedoch nicht.
Heute weiß ich, da es mir besser geht und ich auch wieder ab und zu lachen und lustig sein kann, daß ich ihm besser gefalle und er mit mir "zufrieden" ist, wie er so oft zu mir in ganz bestimmten lustigen oder auch ernsten Situationen sagte.

Das ist jetzt wieder sehr lang geworden.

Frank, ich wünsche Dir alles alles Liebe und Kraft, ganz viel Kraft

Mucki
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